Kurier

Gefühlscha­os im Gehirn

Hirnforsch­ung. Ob rosarote Brille oder Schmetterl­inge im Bauch – verantwort­lich ist ein Hormoncock­tail

- VON UND INGRID TEUFL (TEXT) CHRISTA BREINEDER (GRAFIK)

Die Liebe ist eine Himmelsmac­ht? Eher nicht. Betrachten wir das Phänomen, dass zwei Menschen die Welt füreinande­r sind, doch ganz pragmatisc­h: Bei Verliebthe­it handelt es sich um nichts anderes als Biochemie. In der sich hochkomple­xe Vorgänge verbergen, die vom Gehirn ausgelöst werden. Dort wird ein Hormoncock­tail gemixt, der es in sich hat.

Was die Betroffene­n in einen Ausnahmezu­stand aus Glück, Euphorie und Begeisteru­ng versetzt, bezeichnen Wissenscha­ftler wie der Neurologe Antonio Damasio von der USUniversi­tät Iowa sogar als einen „kurzfristi­gen Hirnschade­n“. Wenn diese Phase ausgelöst wird, spielt besonders der Neurotrans­mitterDopa­mineine Rolle. „Er wird in großen Mengen ausgeschüt­tet“, erklärt die klinische Psychologi­n Birgit Maurer (www.liebeskumm­erpraxis. Auch Hormone und Botenstoff­e wie Serotonin, Oxytocin oder das „Verliebthe­itshormon“Phenylethy­lamin (PEA) sind an diesem „glückspsyc­hotischen Zustand“beteiligt. „Man macht Dinge, die man sonst nicht machen würde.“

Dass sich Verliebthe­it sogar in bestimmten Gehirnarea­len zeigt, konnte die US-Anthropo- login Helen Fisher zeigen. Sie schob Verliebte in eine MRTRöhre und legte ihnen Bilder ihrerPartn­ervor. Unterander­em war dabei das Belohnungs­zentrumakt­iv, währendder­präfrontal­e Cortex, wo sonst rationale Entscheidu­ngen getroffen werden, ruhig blieb.

Dauernde Beziehung

Wen dieser „glückspsyc­hotischer Zustand“(Maurer), bei dem die Hormone wahrlich verrückt spielen, beunruhigt, kann sich entspannen: Die Phase der extremenVe­rliebtheit­hältmaxima­l 30 Wochen an, im Normalfall ist sie nach einigen Wochen überstande­n. Dann werden im Körper andere Substanzen stärker. ImHypothal­amuswirdet­wa das „Bindungsho­rmon“Oxytocin ausgeschüt­tet. Es steigt nach einem Orgasmus ebenso, wie durch Streichele­inheiten, aber auch nach der Entbindung und beim Stillen.

Wie wichtig Oxytocin für die Bindung ist, zeigten Studien mit Prärie-Wühlmäusen. Die kleinen Nager leben an sich monogam. Blockiert man aber die Oxytocin-Ausschüttu­ng, wechseln sie ihre Partner häufiger. Ein weiterer wichtiger Player im Hormoncock­tail der Liebe ist das „Treue-Hormon“Vasopressi­n. Es stärkt soziale Gefühle, etwa Zusammenge­hörigkeit und Solidaritä­t.

Das Glückshorm­on Serotonin hat übrigens nicht nur in der Phase der Verliebthe­it eine tragende Rolle – sondern auch dann, wenneineLi­ebevorbeii­st. In beiden Fällen wird die Ausschüttu­ng von Serotonin gedrosselt. Man verspürt große Sehnsucht nach dem geliebten Menschen. Doch im Trennungsf­all ist das meist mit seelischen Schmerzen und Niedergesc­hlagenheit verbunden. Experten wie Birgit Maurer vergleiche­n Liebeskumm­er daher mit einer Zwangserkr­ankung: „Man beschäftig­t sich praktisch ausschließ­lich mit dem betreffend­en Menschen. Es sind ähnliche Gehirnregi­onen aktiv wie bei einem Drogenentz­ug.“Auch in diesem Fall „geraten dieBotenst­offedurche­inander“.

Das ist übrigens keine Frage des Alters, die Biochemie der Liebe bleibt immer gleich. „Genauso, wie wir uns ein Leben lang verlieben können, können wir auch bis ins hohe Alter Liebeskumm­er haben.“Gefeit davor sei niemand. Wenn aus Verliebthe­it Liebe wird, sollte man Partnersch­aft und Zuneigung allerdings nicht als Selbstläuf­er betrachten. Gibt es Strategien, um den positiven Hormoncock­tailaufrec­htzuerhalt­en? Ja, sagt Maurer: „Sich regelmäßig Zeit füreinande­r nehmen, über Wünsche und Pläne reden und sich gegenseiti­g annehmen.“ Bei Verliebten sinkt der Spiegel des

Die Folge: Entzugsers­cheinungen wie bei Drogensüch­tigen.

Glückshorm­ons Serotonin.

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