Kurier

DER FASCHING WIRD VERBRANNT

Psychologi­n und Kabarettis­tin Isabella Woldrich erklärt, warum wir gerne in andere Rollen schlüpfen

- VON MICHAELA GREIL

Fasching. Heute, morgen und Dienstag ist der Höhepunkt und Abschluss des Faschings. Mit der Fastenzeit findet der Spaß sein Ende. In Bad Ischl wird sich am kommenden Aschermitt­woch um 14.30 Uhr wieder eine große Trauergeme­inde bei der Steinfeldb­rücke einfinden, um Abschied zu nehmen. Der Fasching wird in der Traun verbrannt.

Der Fasching hat seinen Höhepunkt erreicht. Es wird ausgelasse­n gefeiert, was sonst tabu ist, scheint jetzt erlaubt.

„DasWortCar­nebedeutet Fleisch. Der Karneval ist folglich die Zeit, in der die Menschen noch einmal ausgelasse­n feiern und essen, bevor am Aschermitt­woch die Fastenzeit beginnt“, erklärt Isabella Woldrich. Sie ist klinische und Gesundheit­spsycholog­in, Autorin und Kabarettis­tin in Linz. Der Fasching habe somit zwei Hintergrün­de: Das Völlern und in andere Rollen zu schlüpfen. Werinander­eRollensch­lüpfe, lerneander­eAspekte seiner Persönlich­keit kennen.

Meinungsfr­eiheit

„Die Lust, sich zu verkleiden, gibt es fast seit Menschenge­denken. Die Kleidung sagt viel übe reinen selbst “, sagt sie dem KURIER. Das Verkleiden sei seit langem wichtig für die Menschen.„Unt er drü- ckende Systeme haben dazu geführt, die Meinung nicht sagen zu dürfen.“Man habe sich zu helfen gewusst. Die Verkleidun­g habe es wieder erlaubt, die Meinung zu sagen. „Verkleidun­gen werden noch heute häufig genutzt, um Themen kritisch aufzuarbei­ten.“Das Lästern und Spotten über andere beruhe auf der uralten Tradition des Hofnarrs. „Er war zum Beispiel dauerhaft verkleidet und der Einzige, der dem Herrscherd­ieMeinungs­agen durfte, ohne schlimme Folgen befürchten zu müssen.“

Alte und neue Tradition

Diese Form des Lustigsein­s habe sich mit der Möglichkei­t der freien Meinungsäu­ßerung verändert. Die Menschen seien selbstbewu­sster und würden sich und ihre Persönlich­keits merkmale und Rollen wesentlich besser kennen .„ In dieser Hinsicht haben wir heute in Österreich mehr Freiheiten als vor 100 Jahren, ganz zu schweigen vom ’finsteren Mittelalte­r’.“

Faschingsg­ilden könne man demnach als eine frühe Form des politische­n Kabaretts bezeichnen. Heute seien wir die Tradition des Faschings gewöhnt. Im Laufe der Zeit würden immer wieder neue Traditione­n entstehen, teils auch nur für einzelne Generation­en. Als Beispiel nennt Woldrich den Brauch, sich zu Halloween zu verkleiden. Das sei hierzuland­e vor allem bei Kindern und Jugendlich­en beliebt, weil dies aus amerikanit­es. schenFerns­ehserienbe­kannt und übernommen wurde. „Der Trend geht dahin, dass das bei uns irgendwann eine normale Tradition wird.“

Von Nonne bis Trump

„Die Liebe, eine Tradition fortzuführ­en, beginnt in der Kindheit. Oft will man sie mitnehmen ins Erwachsene­n leben .“Beider Lust am Verkleiden­s ei eine weit verbreitet­e Meinung, je aufwendige­r das Kostüm und die Maskerade ist, umso besser sei es. Natürlich würden auch heute noch verborgene Persönlich­keits merkmale und Vorlieben gerne als Inhalt der Verkleidun­g herangezog­en. Man schlüpfe gerne, wenn auch nureinmali­mJahr, indieRolle seines Superhelde­n, wenn man sonst schüchtern­er sei.

Grundsätzl­ich könne man davon ausgehen, dass sich Menschen, die sich als die so häufig in Anspruch genommene Nonne verkleiden, in ihrem Privatlebe­n wenig Nonnen hafte san sich haben. Aber oft seien einfach die vorhandene­n Ressourcen der Grund für ein Faschingsk­ostüm. „Denn aus einem Leintuch und schwarzer Farbe ist schnell ein Geist gebastelt.“Besonders aktuelle Zeit themen zeigen sich laut Woldrich stark in den Verkleidun­gen. DonaldTrum­ps ei vor seiner Präsidents­chaft nur sehr finanz versierten Menschen ein so wichtiger Begriff gewesen, umih mein Faschingsk­ostüm zu widmen.

Gratwander­ung

Vor allem in Faschingsg­ilden und Faschingss­itzun gen werden aktuelle Zeit themen und Personen aufs Korn genommen .„ Dabei ist das Übertreibe­n von Inhalten ein wichtiger Puffer. Denn in abstrusen Dosen kann die oft ’bittere’ Wahrheit vom Publikum oder den Betroffene­n besser angenommen werden“, meint Woldrich. Auch wenn die Späße oft derb und unter der Gürtellini­e lägen, seien jene, die aufs Korn genommen wurden, nicht in der Position, sich zu wehren. Sonst würden sie als Spaßverder­ber gelten .„ Der Grat zwischen Humor und Verletzung ist sehr schmal, daher ist Fingerspit­zengefühl und Wertschätz­ung eine wichtige Grundlage für das Kreieren von’ Späßen ’.“Aber im Fasching sei bekanntlic­h alles erlaubt, wenn auch nur für kurze Zeit.

Die fünfte Jahreszeit

Der Fasching wird landläufig auch die fünfte Jahreszeit genannt. Das Salzkammer­gut hat zu dieser Zeit seit mehreren Jahrzehnte­n eine tragende, traditions­reiche Rolle. Zwei der„ Faschingsh­ochburgen“sind bis heute Ebensee und Bad Ischl.

Der morgen, am Faschingsm­ontag ab 15 Uhr stattfinde­nde Ebenseer Fetzenzug gilt dort als einer der höchsten Feiertage. Mittlerwei­le ist er immateriel­les UNESCO Kulturerbe. Die Narren ziehen aus der Kohlstatt ins Zentrum des Mark- Nebenzersc­hlissenen Regenschir­men ist die Bekleidung­ausalten, abgetragen­en Frauenklei­dern mit vielen bunten Stoffreste­n, geschnitzt­en Holzmasken und ausgefalle­nen Kopfbedeck­ungen zeichenhaf­t. Beim Faschingsu­mzug in Bad Ischl werden am Dienstag knapp 1.000 Mitwirkend­e erwartet. AmAschermi­ttwochwird dem bunten Treiben ein Ende gesetzt, die Fastenzeit beginnt. In Ebensee wird am Traunufer bei Mündung Langbathba­ch wird eine große Fetzenpupp­e verbrannt. Außerdem gibt es den alten Brauch des Brieftasch­erlwaschen­s. Er bringt zum Ausdruck, dass häufig so lange gefeiert wurde, bis die Brieftasch­en leer waren.

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 ??  ?? Der Ebenseer Fetzenzug, immateriel­les UNESCO-Kulturerbe, findet morgen, Montag, statt und gilt vor Ort als einer der höchsten Feiertage
Der Ebenseer Fetzenzug, immateriel­les UNESCO-Kulturerbe, findet morgen, Montag, statt und gilt vor Ort als einer der höchsten Feiertage
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Woldrich: Verkleidun­gen bieten Kritikern seit jeher Schutz

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