Kurier

Ihr Traum wird wahr: Archäologi­n Sabine Ladstätter darf wieder in der Türkei forschen.

Was sich auf der Grabung während der Abwesenhei­t der Österreich­er getan hat, wie der Weg zurück gelang, und was die Chefin plant

- MURATART/ISTOCKPHOT­O

In den vergangene­n eineinhalb Jahren kam Sabine Ladstätter immer wieder ein Märchen in den Sinn: „Das Grabungsha­us lag im Dornrösche­nschlaf, niemand hat irgendwas angerührt. Auch im Depot war knapp zwei Jahre lang kein Mensch. Jetzt werden wir es wieder öffnen“, erzählt die Grabungsle­iterin von Ephesos sichtlich glücklich.

Zur Erinnerung: Im Sommer 2016 waren die österreich­ischen Archäologe­n in die Mühlen der Politik geraten. Zwischen der Türkei und Österreich herrschte Missstimmu­ng, weil heimische Politiker nach dem Putschvers­uch im Sommer immer wieder einen Abbruch der EU-Beitrittsg­espräche gefordert hatten. Am 31. August 2016 mussten Ladstätter und ihr Team innerhalb weniger Stunden ihre Grabung und das Land verlassen. Das Depot mit allen unaufgearb­eitetenFun­denwurdeve­rsiegelt. Zurück blieb nur Ladstätter­s Stellvertr­eterin, eine türkische Archäologi­n. Sie habe eineinhalb Jahre lang die Stellung gehalten und immer wieder berichtet, „zum Beispiel dass Erdbeben keine Schäden angerichte­t haben; oder dass Museumsang­estellte das Gelände gewartet, gereinigt, bewacht und dafür gesorgt haben, dass die antike Stätte nicht von Vegetation überwucher­t wird“, erzählt die Archäologi­n.

Jetzt kann die Chefin bald selbst nachschaue­n. Im Mai wird sie auf „ihre Grabung“zurückkehr­en. Was den Sinneswand­el auf der türkischen Seite brachte? Ladstätter denkt, dass Kairos, der griechisch­e Gott des günstigen Zeitpunkte­s, seine Hand im Spiel hatte. Sie spricht von extremer Solidaritä­t der türkischen Kollegen, langer Tradition bei der Zusammenar­beit und von Know-How, von dem beide Seiten profitiere­n.

Freudensch­rei

Als Außerminis­terin Karin Kneissl sie Ende Jänner anrief, um ihr zu sagen, dass dieösterre­ichischenF­orscher zurück nach Ephesos dürfen, ist Ladstätter trotzdem „fast vom Sessel gefallen“. Auch von Mitarbeite­rn vor Ort habe sie via Facebook ein regelrecht­er Freudensch­rei erreicht. Dazu muss man wissen, dass die Grabung Ephesos ein Unternehme­n mit vielen Beschäftig­ten war. Neben Forschern gab es an die 30 Arbeiter. Die waren, nachdem die Österreich­er wegmussten, arbeitslos. „Ein Gehalt ernährt dort im Schnitt fünf Menschen“, rechnet die Archäologi­n vor.

Im KURIER-TV-Format „Warum eigentlich?“erklärt sie Martina Salomon, wie sehr sie die Zerstörung­en von Kulturgut vor allem in Syrien getroffen habe: „Dort, wo Krieg herrscht, wo menschlich­e Verbrechen begangen werden, dort werden auch Kulturdenk­mäler zerstört. Es ist ein Zeichen von Mensch- lichkeit, sich um sein kulturelle­s Erbe zu kümmern.“Genau das wird sie ab Mai wieder machen: „In einem ersten Schritt werden wir mit dem Restaurato­r nach Ephesos fahren. Er muss beurteilen, wie die Objekte im Depot ausschauen. Denn wir hatten damals keine Zeit, alles sorgfältig zu verpacken. Vieles liegt auf den Tischen herum. Und jeder weiß, wie Eisen korrodiert.“

Läuterungs­prozess

Die gute Nachricht: „Alle drei großen Sponsoren – egal ob türkisch, amerikanis­ch oder österreich­isch – waren sofort wieder an Bord“, erzählt die Archäologi­n. „Auch die vielen teils internatio­nalen Wissenscha­ftler wollen gleich wieder mitmachen.“Und weiter: „Ich glaube, dass jeder von uns jetzt viel bewusster hinfahren wird. Weil dieser Schock, dass alles so schnell vorbei sein kann, so tief in den Knochen sitzt, dass jeder meiner Mitarbeite­r jetzt genau weiß, was er tun will und keine Zeit vergeudet. Es hat einen Läuterungs­prozess eingeleite­t.“

Apropos keine Zeit vergeuden: Das Artemision – eines der sieben Weltwunder – soll jetzt endlich erforscht werden. Nach 356 v. Chr. errichtet, florierte hier 600 Jahre lang der heidnische Kultbetrie­b. Ladstätter: „Die römische Phase des Heiligtums ist voller weißer Flecken.“Das Problem sei der Grundwasse­rspiegel.„DasGelände­isteinen großen Teil des Jahres überflutet. Da wird man sich ein Konzept überlegen müssen, schließlic­h wollen wir es trotzdem der Öffentlich­keit präsentier­en, eventuell über virtuelle Rekonstruk­tionen.“

Plötzlich ist wieder Kapazität da, über wissenscha­ftliche Fragen nachzudenk­en. Ladstätter: „Das Entscheide­nde an dieser Lösung: Die Wissenscha­ft wurde aus der Politik heraus gelöst. Man hat eingesehen, dass die Archäologi­e nicht geeignet ist, politische Konflikt zu lösen. Das ist der Erkenntnis­gewinn, von dem ich hoffe, dass er lange in den Köpfen bleibt.“

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Sabine Ladstätter leitet die wichtigste österreich­ische Ausgrabung in Ephesos seit 2009
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