Kurier

Schwierige Annäherung der Rivalen

Kroatien. Berg von Streitthem­en macht Besuch von Serbiens Präsident Vucic in Zagreb zu einer heiklen Mission

- AUS KROATIEN

Verbal kreuzten Gast und Gastgeberi­n die Klingen schon einmal im Vorfeld. Lokalen Medien sagte Serbiens Präsident Aleksandar Vucic, der heute zu einem zweitägige­n Besuch nach Zagreb fliegt, er stelle sich auf „schwere, direkte und offene Gespräche“ein. Seine Amtskolleg­in Kolinda Grabar Kitarovic hatte sich zuvor schon im kroatische­n Fernsehen den Satz entlocken lassen, wonach „noch viel Wasser die Donau hinunterfl­ießen wird, bevor unsere beiden Staaten Freunde werden“.

Das Verhältnis der beiden südslawisc­hen Völker ist traditione­ll gespannt. Zwar sorgte Tito im sozialisti­schen Jugoslawie­n – notfalls mit eiserner Faust–für einen Interessen s ausgleich. Nach seinem Tode skalierten die alten Rivalitäte­n aber und entluden sich mit blutiger Gewalt in den Teilungskr­iegen der Neunzigerj­ahre. Seither herrscht kalter Frieden.

Vukovar als Fanal

Zwar legte der damalige serbische Präsident Boris Tadic 2010 im kroatische­n Vukovar einen Kranz nieder und entschuldi­gte sich. Serbische Truppen und Freischärl­er hatten nach der Einnahme der Stadt im Herbst 1991 über 1.400 Zivilisten umgebracht. Darunter schwerst verwundete Patienten eines Lazaretts. Die bilaterale­n Beziehunge­n normalisie­rten sich. Inzwischen aber haben dort wie in Belgrad wieder Nationalko­nservative das Sagen. „Das Blümlein von Vukovar ist längst verdorrt“, befand kürzlich ein Kolumnist.

Vucic hatte seinen Kroatien-Besuch daher schon mehrfach verschoben. Jetzt besteht jedoch akuter Gesprächsb­edarf. EU-AußenKommi­ssarin Federica Mogherini nannte in der Vorwoche, als sie in Straßburg im Europaparl­ament die neue Westbalkan-Strategie vorstellte, nicht nur für das prowestlic­he NATO-Neumitglie­d Montenegro, sondern auch für das unentschlo­ssene Serbien das Jahr 2025 als mögliches Beitrittsd­atum. Eine klare europäisch­e Perspektiv­e für den wichtigste­n Westbalkan-Staat, so das Kalkül, werde dem Gerangel der Türkei, Chinas und vor allem Russlands um Einfluss in der Region feste Grenzen setzen. Gleichzeit­ig aber machte EU-Erweiterun­gskommissa­r Johannes Hahn vergangene Woche in Belgrad wie im montenegri­nischen Podgorica klar, der Beitritt falle nicht vom Himmel, er müsse hart erarbeitet werden. Voraussetz­ung sei die Lösung sämtlicher Probleme mit den Nachbarn.

Grenzstrei­tigkeiten

Scheitert ein Kompromiss, könnte Zagreb den EU-Beitritt Serbiens mit seinem Veto verhindern. So wie Slowenien wegen Grenzstrei­tigkeiten Kroatiens Weg nach Europa für fast ein Jahrzehnt blockierte.

Grenzstrei­tigkeiten und gegenseiti­ge Gebietsans­prüche haben auch Kroatien und Serbien. Es geht um mehrere Tausend Hektar Land an der Donau. Verhandelt wird seit 20 Jahren. Ohne große Fortschrit­te. Das gilt auch für Repatriier­ungen und die Klärung des Schicksals von rund 2.000 Vermissten aus dem Bürgerkrie­g. Beim Gipfel soll es auch um die Restitutio­n von Beutekunst an Kroatien, die Verfolgung von Kriegsver- brechern, die Lage der serbischen und kroatische­n Minderheit auf dem Gebiet des jeweils anderen sowie die Verbesseru­ng der Wirtschaft­skooperati­on gehen.

Ob der serbokroat­ische Gipfel die Kühe vom Eis bringt, ist daher so sicher nicht. Anders als in Serbien hat in Kroatien nicht der Präsident das eigentlich­e Sagen, sondern der Regierungs­chef: Andrej Plenkovic. Und mit dem, so kroatische Medien, seien die Themen der Verhandlun­gen nicht abgestimmt.

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 ??  ?? Das Mahnmal von Vukovar: 1991 verübten dort Serben ein Blutbad. Der serbische Präsident Vucic trifft heute in Zagreb seine kroatische Amtskolleg­in Kitarovic (Bild aus 2017)
Das Mahnmal von Vukovar: 1991 verübten dort Serben ein Blutbad. Der serbische Präsident Vucic trifft heute in Zagreb seine kroatische Amtskolleg­in Kitarovic (Bild aus 2017)

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