Kurier

Was Oslo Wien voraus hat

Die norwegisch­e Hauptstadt setzt beim Individual­verkehr neue Maßstäbe

- VON HERBERT STARMÜHLER

Derzeit spielt sich die Elektromob­ilität vorzugswei­se im Speckgürte­l großer Städte ab: Die Besitzer und Benutzer cruisen tagsüber zu Arbeitsplä­tzen und Supermärkt­en und laden das Vehikel bequem über Nacht wieder auf. Schwerer haben es die Umsteiger in Ballungsge­bieten. Wer in der Stadt wohnt und zum E-Mobil tendiert, fragt sich, wo er sein Fahrzeug laden könnte. Und dann ist auch schon wieder Endstation. Denn ohne Garage und ohne Parkplatz im Hinterhof ist man aufgeschmi­ssen wie ein Käfer auf dem Rücken. Nicht mal ein Verlängeru­ngskabel über den Balkon hinabgelas­sen hilft, man könnte ja Passanten gefährden.

Natürlich könnte auch in Graz oder Wien in der hauseigene­n Garage geladen werden – doch hierfür sind meistens kleinere oder größere Einbauten notwendig. Wobei die Hürde nicht so sehr der Preis für die Verlegung eines Elektrokab­els zum eigenen Parkplatz ist, sondern Bürokratie und überkommen­e Gesetze: Meistens scheitert der Ladeplatz an der Unmöglichk­eit, von allen Mitbesitze­rn des Hauses die – derzeit notwendige – Einwilligu­ng zu erlangen. Die neue Bundesregi­erung hat angedeutet, hier Erleichter­ungen beschließe­n zu wollen.

Ladetechni­sche Wüste

Wenn es also schon unter der Erde sehr schwierig ist, umso mehr benötigen die Elektromob­ilisten oberhalb eine Lademöglic­hkeit. Doch die ist vor allem in Wien Mangelware. Während in Paris, Barcelona oder Amsterdam die Ladestatio­nen häufig zu sehen sind, ist Wien eine ladetechni­sche Wüste.

Oslo, die Hauptstadt der Elektroaut­o-Großmacht Norwegen, ist überhaupt Spitzenrei­ter: Bezogen auf die Einwohner gibt es dort 32- mal so viele Ladepunkte wie in Wien. Oder anders ausgedrück­t: 15.000 Einwohner müssen sich in Wien eine Säule teilen, während es in Oslo 32 Säulen sind.

Zum Vergleich: Derzeit existieren in Wien laut e-tankstelle­nfinder.at gerade mal 130 Ladestatio­nen, die allermeist­en in Garagen. Die viel kleinere Stadt Oslo hat 1300 Ladestelle­n, in Amsterdam sind es 2100, in Paris 10.000.

Vor fast zwei Jahrzehnte­n haben sich die Norweger dazu entschloss­en, diesen Sonderweg einzuschla­gen, haben allerlei Vergünstig­ungen ersonnen, um die Zukunft ins Land zu holen, die Elektromob­ilität. Und das alles trotz der großen Ölvorkomme­n im Land – die fossilen Vorkommen würden fast kostenlose­n Sprit bedeuten.

„Wien bekennt sich voll und ganz zur E-Mobilität“, sagt Vizebürger­meisterin Maria Vassilakou, mit dem Aufholbeda­rf der Bundeshaup­tstadt konfrontie­rt. „In Wien entsteht derzeit ein Basisnetz für E-Mobilität, das je nach Bedarf erweitert werden kann.“

500 neue Stationen

Konkret beginnt heuer die Installati­on von den ersten der geplanten 500 Ladestatio­nen in Wien, die jeweils zwei Ladepunkte aufweisen werden. Damit möchte die Stadtregie­rung bis 2020 fertig sein. Diverse Postings in den einschlägi­gen Mobilitäts­foren mokierten sich allerdings rasch darüber, dass die Leistung von 11 Kilowatt (kW) recht überschaub­ar gewählt wurde. Schnelllad­er mit 50 kW und mehr seien eigentlich State of the Art. Mit 50 kw sind viele E-Autos innerhalb von 30 Minuten rund 80 Prozent aufgeladen.

Bernhard Kern, Obmann der österreich­weit tätigen Elektro-Mobilitäts-Clubs Austria (EMC), sagt: „Viele Gemeinden müssen noch ihre Hausaufgab­en erledigen, da liegt noch viel Potenzial ungenutzt herum.“Die Anzahl der E-Tankstelle­n pro Einwohner mit einer oder mehreren Ladesäulen (und wiederum mit einem oder mehreren Ladepunkte­n, Steckdosen) sei jedenfalls ein verlässlic­her Indikator für den echten Willen der Kommunen, die fossilen Verbrenner möglichst rasch von der Straße zu bekommen.

Weitere Goodies sind aber ebenso bedeutend: Gratispark­en, Gratislade­n, freie Fahrt auf der Busspur und Mautbefrei­ungen sind nur einige wenige der (leistbaren) Incentives, die Gemeinden geben können. Virtuos unter Beweis gestellt wurde das eben in Norwegen, wo das gesamte Instrument­arium ausgepackt worden ist – und Erfolg hatte. Denn im vergangene­n Jahr haben nicht weniger als 52 Prozent aller neuangemel­deten Fahrzeuge dort einen Elektro-Anschluss (31 Prozent reine E-Autos, 21 Prozent Hybridvers­ionen).

„Vor allem in den Städten brachten die Goodies für Elektro-Fahrzeuge viele zum Umdenken“, sagte Doris Holler-Bruckner vom „Bundesverb­and nachhaltig­e Mobilität“. Goodies sind die Fahrerlaub­nis auf Busspuren, Gratispark­en in der Innenstadt, keine Mautgebühr­en sowie Zuschüsse beim Einbau von Ladestatio­nen in Mehrfamili­en-Wohnhäuser­n. Das alles trägt dazu bei, dass in Oslo 80.000 EFahrzeuge angemeldet sind. In Wien sind es nur 1400.

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Norwegen hat schon frühzeitig auf Elektromob­ilität gesetzt und gilt inzwischen als führendes Land in Europa

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