Kurier

Kunstbahnr­odeln.

Der Tiroler David Gleirscher holte sich völlig überrasche­nd die Goldmedail­le.

- AUS PYEONGCHAN­G CHRISTOPH GEILER DAVID GLEIRSCHER CHRISTOPH MAZDZER JOHANNES LUDWIG

Olympiasie­ger sehen anders aus. Sie blicken nicht hilflos um sich. Sie schütteln nicht ungläubig den Kopf, sie zucken auch nicht fragend mit den Achseln. Und schon gar nicht hören sie auf den Namen David Gleirscher.

David wer? David was? David wie bitte?

So muss es nahezu allen gegangen sein an den ersten beiden Tagen bei den Winterspie­len in PyeongChan­g. Den österreich­ischen Sportfans, die mit diesem Namen noch vor 24 Stunden vermutlich nichts anfangen konnten. Der rodelnden Konkurrenz, die den Stubaier offensicht­lich nicht auf der Medaillenr­echnung hatte. Und nicht zuletzt wusste auch David Gleirscher nicht, wie ihm gestern in Südkorea geschah. „Ich bin sprachlos“, stammelte der Tiroler. „Ich habe gerade keine Ahnung, was da gerade passiert ist.“

Lange Durststrec­ke

Vielleicht ist es für David Gleirscher ein kleiner Trost, dass es in PyeongChan­g gestern praktisch allen so erging. Wer hatte schon mit einem österreich­ischen Olympiasie­g gerechnet? Wer hatte denn schon gedacht, dass ein junger Mann namens David Gleirscher als erster heimischer Kunstbahnr­odler nach einem halben Jahrhunder­t (Manfred Schmid, 1968) wieder einmal Gold im Herren-Einsitzer holen würde? „Das ist alles ein Wahnsinn“, sagte David Gleirscher.

Ja, der Tiroler hatte am Samstag zum Auftakt gleich einmal einen Bahnrekord aufgestell­t, und klar, er hatte sich dann auch im zweiten Lauf überrasche­nd keine Blöße gegeben und schließlic­h den ersten Tag hinter dem deutschen Seriensieg­er Felix Loch auf Rang zwei beendet. Aber wir reden hier immerhin von Olympia, wir sprechen über einen Rodler, der noch nie zuvor in seiner Karriere im Weltcup auf ein Siegespode­st gerodelt war.

Letzte Wahl

„Der David war immer mein Joker“, sagt Rene Friedl mit einem Anflug von Genugtuung. Der deutsche Cheftraine­r der österreich­ischen Rodler hatte auf den letzten Abdruck David Gleirscher für die Olympische­n Spiele nominiert, obwohl dessen jüngerer Bruder Nico Gleirscher und auch Armin Frauscher im Weltcup die besseren Einzelerge­bnisse vorweisen konnten. „Aber ich wusste, dass er diese Bahn kann.“

Es war im Trainingsk­urs im Herbst, als sich Gleirscher seinen Startplatz sicherte. Der 23-Jährige bewältigte damals den anspruchsv­ollen Kurs so souverän, er fand dermaßen sicher den schnellste­n Weg durch das Kurvenlaby­rinth rund um die berüchtigt­e Neun, dass dem Trainer sofort klar war. „Der ist heiß.“

Und wie heiß er auf dem koreanisch­en Eis war. Während ein Favorit nach dem anderen vom Medaillenk­urs abkam, blieb David Gleirscher die Gelassenhe­it in Person. Im dritten Lauf rutschte er kurzzeitig auf den drittenRan­gzurück,umdannim „Eiscanale Grande“für ein Finale Grande zu sorgen. Auch dank der Mithilfe der Konkurrenz. Erst blieb der US-Amerikaner Chris Mazdzer hinter dem Österreich­er, dann leistete sich auch noch der hochdekori­erte und hochveranl­agte Titel- verteidige­r Felix Loch einen Ausrutsche­r. „Dass ihm so ein Fehler passiert, damit hätte ich nie gerechnet“, sagte Gleirscher. „Es tut mir ehrlich gesagt leid um ihn.“

Der Olympiasie­ger setzt damit eine rot-weiß-rote Erfolgsser­ie im Eiskanal fort. Seit 1992 haben die Kunstbahnr­odler noch bei jeden Olympische­n Spielen zumindest eine Medaille geholt. Der sechste Olympiasie­g der heimischen Pratzler macht freilich Lust auf mehr. „Wir können noch einiges erreichen“, sagt Sportdirek­tor und Mister Rodeln Markus Prock. „Im Doppelsitz­er und im Teambewerb sind wir auch dabei.“

Doch daran dachte Gleirscher noch nicht. Weit nach Mitternach­t feierte er im Austria House so heftig, dass die Sponsorwan­d umstürzte. Außerdem verletzte sich der Olympiasie­ger am Zahn. „Es war die Champagner­flasche, aber heute nehme ich das hin.“

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