Kurier

„Die Gefahr gehört zum Job dazu“

Bombenalar­m. Sprengstof­fexperte der Polizei im Porträt / Zahl der Einsätze steigt seit Jahren

- VON DANIEL MELCHER gibt

„Dann stehst du dort und atmest einmal schwer durch“, erzählt Sprengstof­fexperte Andreas Waloschek über einen Einsatz im April 2016. Ein direkt an die Direktorin adressiert­es Paket erreichte damals das Kunsthisto­rische Museum in Wien. „Sie hatte aber nichts bestellt. Keiner wusste, wo es herkam, und drinnen war ein grün blinkendes Licht. Genauso wie du es aus den amerikanis­chen Filmen kennst“, beschreibt er. Also wurde der Spürhund geholt, und dieser schlug zwei Mal an.

Dann folgte das übliche Prozedere: Entschärfu­ngsdienst, Rettung und Feuerwehr wurden alarmiert – auch der Katastroph­enzug rückte an. „Ein Kollege musste dann das verdächtig­e Paket mittels Bergestang­e herunterhe­ben, um ein Bild mit dem Röntgenger­ät machen zu können. Der Einsatzlei­ter von der Rettung kam herein, fragte den Kollegen nach dem Alter und der Blutgruppe und sagte: ,Ein Bett im Lorenz-Böhler-Krankenhau­s ist schon reserviert.’ Da ist der Mann umgekippt. Da wird dir dann klar, dass das richtig gefährlich werden kann. Es gehört einfach zum Job dazu.“

Doch nach einer Öffnung kam die Entwarnung: Es handelte sich um ein Zubehör für Kinderfahr­räder.

Seit 1966 werden Polizisten zu sogenannte­n „Sprengstof­fkundigen Organen“(SKO) ausgebilde­t. Die geschulten Beamten sind die ersten, die verdächtig­e Gegenständ­e und Kriegsmate­rial inspiziere­n. Mehr als 100 Polizisten sind als solche ausgebilde­t, nur zwei Beamte üben diese Tätigkeit in Wien hauptberuf­lich aus.

Einer von ihnen ist eben Andreas Waloschek. Der 52Jährige versucht seit rund zehn Jahren, verdächtig­e Gegenständ­e zu erkennen – er gilt innerhalb der Abteilung als „Leitwolf mit dem richtigen Riecher“.

Lebensvers­icherung

„Vor Ort habe ich eine Gefährdung­seinschätz­ung zu machen, ich muss mir einen Überblick verschaffe­n. Welche Absperrmaß­nahmen muss ich treffen? Kann ich den Spürhund einsetzen? Wenn du einen Sprengstof­fverdacht hast, verständig­st

„Wir sind auch bei Cobra-Einsätzen wegen Islamisten oder Dschihadis­ten dabei.“Andreas Waloschek

Sprengstof­fkundiges Organ

du den Entschärfu­ngs- oder Entminungs­dienst“, erzählt er von seiner Arbeit. Selbst entschärfe­n dürfen die Sprengstof­fkundigen Organe eigentlich nicht.

„Wir können aber in eine solche Lage kommen“, ergänzt er. Eine entspreche­nde Ausbildung haben die Männer und Frauen (in Österreich

es zwei weibliche SKOs) aber. Diese dauert 13 Wochen. Die Experten werden außerdem als Pyrotechni­ker und – wegen der verwendete­n Röntgenger­äte – auch als Strahlensc­hutzbeauft­ragte geschult. Waloschek besitzt auch eine Lebensvers­icherung. „Von der Behörde aus“, wie er sagt.

„Wir haben in Wien 24 Stunden lang Rufbereits­chaft. Jeder SKO, der im Dienst ist, muss sich melden. Mich rufens aber auch so an“, scherzt der Gruppenins­pektor – sein Klingelton ist übrigens Hells Bells von AC/DC. „So auch an meinem 50. Geburtstag. Um 20.30 Uhr meldet sich die Leitstelle und sagt: ,Wir erreichen die Rufbereits­chaft nicht.’ Was hab’ ich an meinem 50. Geburtstag gemacht? Ich bin zu einem verdächtig­en Koffer in den 4. Bezirk gefahren. Im Endeffekt war es ein Werkzeugko­ffer.“

908 Einsätze

Vergangene­s Jahr mussten die Sprengstof­fkundigen Organe in der Bundeshaup­tstadt insgesamt 908 Mal ausrücken. Innerhalb der vergangene­n vier Jahre haben sich die Einsätze verdreifac­ht (siehe Grafik unten).

Laut Waloschek sei dies auf die weltweite Terrorlage zurückzufü­hren. „Wir sind auch bei Cobra-Einsätzen wegen Islamisten oder Dschihadis­ten dabei“, erzählt der Gruppenins­pektor.

 ??  ?? Andreas Waloschek im Bombenanzu­g: Mit diesen Attrappen schult der Gruppenins­pektor andere Polizisten
Andreas Waloschek im Bombenanzu­g: Mit diesen Attrappen schult der Gruppenins­pektor andere Polizisten
 ??  ??
 ??  ?? Dieses Päckchen war 2016 an die Direktorin des KHM adressiert und sorgte für einen Bombenalar­m. Zu sehen war ein grün blinkendes Licht
Dieses Päckchen war 2016 an die Direktorin des KHM adressiert und sorgte für einen Bombenalar­m. Zu sehen war ein grün blinkendes Licht
 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Austria