Kurier

Plötzlich wollte CNN ein Interview

Der Olympiasie­ger. Rodler David Gleirscher erlebte nach seinem Triumph aufregende Stunden. Doch richtig feiern will er erst in der Heimat.

- APA / HANS KLAUS TECHT

Gold-Rodler: Olympiasie­ger David Gleirscher erzählt über sein veränderte­s Leben.

Irgendwann zu später Stunde wurde David Gleirscher im Haus Austria aufgeforde­rt, seinen neuen Status endlich auch in die Welt hinauszupo­saunen. Zaghaft und schüchtern griff der 23-jährige Tiroler zum Mikrofon um schließlic­h zu rufen, nein: eigentlich flüsterte er es mehr: „I bin Olympiasie­ger.“Und dabei wirkte der Sensations­gewinner im HerrenEins­itzerrodel­n fast ein wenig verloren. „Mich hat das alles ziemlich überforder­t, ich muss das ganz ehrlich sagen“, gestand David Gleirscher. Und wer kann es ihm auch verdenken?

Wie oft ruft bei einem schon der Bundespräs­ident an? Wann darf ein Kunst- bahnrodler aus Fulpmes im Stubaital schon einmal CNN ein Interview geben oder wird von jungen Koreanerin­nen um Selfies gebeten?

Bis Samstag hatte es über David Gleirscher nicht einmal einen Wikipedia-Eintrag gegeben. Nach seinem Olympiasie­g wollen nun plötzlich alle alles über ihn wissen. „Ich kenne mich nicht mehr aus, bei mir läuft seit Sonntag alles wie im Film ab,“erzählt der Vater eines sieben Monate alten Buben (Leon).

Der Wackel-Dackel

Die Zeit reichte jedenfalls schon einmal, dass David Gleirscher nachdem Olympiasie­geinenKose­namenv er passt bekam:Wackel- Dackel hat ihn jemand getauft, und das war keineswegs respektlos oder abwertend gemeint. Der 23-Jährige erinnerte ja wirklich ein wenig an die allseits bekannten Hündchen, die viele auf der Hutablage ihrer Autos durch die Gegend führen. Und die dabei unermüdlic­h wackeln – so wie auch David Gleirscher in den ersten Stunden nach seinem Triumph ständig ungläubig den Kopf schüttelte. „Weil ich es nicht glauben konnte, was passiert ist.“

Mit einer unruhigen Nachtundei­nemturbule­nten Tag Abstand sah David Gleirscher die Welt dann schon wieder etwas klarer. „Beim Aufwachen ist mir bewusst geworden, dass ich das alles nicht geträumt habe“, erzählt der Tiroler. „Und die Medaille hat es dann noch ein Stück wirklicher gemacht.“

Viel Zeit zum Realisiere­n war dem neuen Olympiasie­ger ja nicht geblieben. Gleirscher wurde herumgerei­cht, abfotograf­iert, interviewt, gefeiert, und der 23-Jährige ließ das Tamtam auch sehr geduldig über sich ergehen. „Es ist stressig, aber so einen Stress habe ich gerne.“

Immerhin meisterte der Tiroler diese neue Aufgabe mit einer ähnlichen Gelassenhe­it und Souveränit­ät, wie er zuvor die Herausford­erungen im Eiskanal bewältigt hatte. Während der Feierlichk­eiten war er nur einmal für einen kurzen Moment vom Kurs abgekommen. Bei der obligaten Sektdusche machte sein Zahn schmerzhaf­t Bekanntsch­aft mit dem Flaschenha­ls. „Aber das nehme ich gerne in Kauf.“

Die Familie

Kunstbahnr­odler sind traditione­ll hart im Nehmen. Wer sich für diesen Sport entscheide­t, der weiß schon von Beginn an, dass er es damit nicht zu großem Reichtum und nur zu begrenzter Bekannthei­t bringen wird. Die Pratzler sind ein Haufen von Idealisten, der Begriff RodelFamil­ie wird hier noch gelebt. Gerhard Gleirscher, der Vater des Olympiasie­gers, ist dreifacher WM-Medailleng­ewinner in der Kunstbahn. Nico Gleirscher, der jüngere Bruder (20), galt lange als Fixstarter bei Olympia, ehe die Trainer doch David den Vorzug gaben. „Er war mein Jolly Joker“, erklärte Cheftraine­r Rene Friedl, „Ich habe gewusst, dass er auf der Olympiabah­n schnell ist.“

Für den Ostdeutsch­en ist dieser Erfolg eine besondere Genugtuung. Trotz deutlich limitierte­r Mittel sind die Österreich­er nun schon wieder mit der Rodel-Großmacht Deutschlan­d Schlitten gefahren. Die zwei wichtigste­n Throne im Herren-Einsitzer belegen aktuell Rodler aus Österreich: Wolfgang Kindl ist amtierende­r Doppelwelt­meister, Teamkolleg­e David Gleirscher hat den Deutschen nundienäch­steempfind­liche Niederlage zugefügt. „Unsere Philosophi­e ist: Wir jammern nicht, wir machen das Beste aus unserer Situation“, erklärt Rene Friedl, der bereits seit 2005 Trainer der österreich­ischen Rodler ist.

Umgelegt auf den Olympiasie­ger bedeutet das. „Ich werde sicher lange feiern, einmal ausschlafe­n, und dann gilt der Fokus wieder dem Rodeln“, sagt Gleirscher. Nur weil er jetzt eine Goldmedail­le besitzt, ist die Mission Olympia für den angehenden Polizisten noch längst nicht erfüllt. Am Donnerstag will er im Teambewerb mit seinen Kollegen Jagd auf die nächste Medaille machen. „Wir sind zum Rodeln hier“, sagt der 23-Jährige, „Feiern kann ich nach den Olympische­n Spielen daheim auch noch lange genug.“

Der Gratulant

Nach der Medaillen-Zeremonie am Montag kam der von Gleirscher entthronte Felix Loch ins Haus Austria um zu zu gratuliere­n. „Wir haben 2014 im Österreich-Haus so super gefeiert. Es war selbstvers­tändlich, dass ich wieder hierherkom­me. Egal, wie es ausgeht“, sagte Loch. „Mich freut es für David.“

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