Die Wandlung des Hermann Maier
Freitag, der 13. Das Datum passte zum legendären Olympiasturz, nach dem sich Hermann
Maier – einem Wunder gleichend – vor 20 Jahren aus japanischem Tiefschnee erhob.
So wie jetzt in Südkorea musste die Abfahrt 1998 um fünf Tage verschoben werden.
Maier erinnert sich nicht nur, wie ihn und seinen Zimmerpartner Andreas Schifferer die Warterei in Hakuba nervte. Wie er an der Bedienungsanleitung für einen asiatischen Ergometer verzweifelte. Er kann auch, obwohl TVZuseher Maier damals fast schon im Himmel wähnten, seine Olympia-Premiere präzise nacherzählen. So heißt es in seinen Memoiren:„Meine erste Olympia-Abfahrt dauerte genau genommen 17,7 Sekunden plus 1,7 Sekunden in der Luft, die mich auf der ganzen Welt berühmt machten.“
Maier hatte nach wenigen Metern gespürt, dass er er ungleich schneller als im Training war. Hatte gewusst, dass an der tückischen Kante, die später auch sieben anderen Läufern zum Verhängnis wurde, extreme Konzentration erforderlich sei. Hatte noch während des unfreiwilligen Abflugs, vollgepumpt mit Adrenalin und Selbstvertrauen, gedacht, dass es sich irgendwie doch zu Gold ausgehen werde, bevor ihm bewusst wurde: „Wahnsinn, ich seh’ alles verkehrt. Jetzt geht’s nur um Schadensbegrenzung.“
Maier versuchte, einen Aufprall am Kopf zu vermeiden. Befürchtete im ersten Moment aber doch: „Jetzt habe ich mir das Genick gebrochen.“
US-Fotograf Carl Yarbrough, der mit dem Honorar für seinen „Great Shot“von der Maier-Air später in Boulder/Colorado ein Haus bauen konnte, und ÖSV-Arzt Anton Wicker stolperten und rutschten als Erste zur Sturzstelle.
Wicker hielt einen Super- GStart für Harakiri, worauf Alpindirektor Hans Pum noch eine zweite medizinische Meinung einholte und es vor Maiers Zimmertür zu einem lautstarken Ärztestreit zwischen Wicker und dem (späteren BobPräsidenten) Andreas Lotz kam. Letzterer nannte Maiers Super-G-Teilnahme „vertretbar “. Worauf Pum Maier für den Super-G nannte. Damit spekulierend, dass auch der Super G verschoben werden würde und Maier so Zeit zum Regenerieren bekäme.Die Hoffnung ging auf. Nicht nur das.
Maier toppte die Riesensensation, in dem er nach dem Super-G-Sieg auch Gold im Riesenslalom holte. Dazwischen ließ ihn sein Konditrainer Heinrich Bergmüller auch in Hakuba – so wie vor der Saison täglich am Olympia-Stützpunkt Obertauern – ausdauernd auf dem Ergometer strampeln, worüber Konkurrenten den Kopf schüttelten.Und heute ?
Hockt nicht nur der halbe Skizirkus, sondern auch so mancher Fußball-Star selbst an Wettkampftagen noch am Zimmerfahrradl;
ist Maiers „Folterkammer“in Obertauern längst geschlossen und Heinrich Bergmüller nach Wien übersiedelt;
verfügt Anton Wicker über vier akademische Titel;
ist Maiers Verhältnis zum ÖSV ähnlich distanziert, wie es vor dem späten Weltcup-Einstieg des Flachauer Maurers gewesen war;
macht sich der in seiner Rennzeit so kommunikativ gewesene Herminator in der Öffentlichkeit völlig rar, wenn es nicht gerade gilt, für seine Hausbank, einen Ölkonzern oder gemeinsame Hotelprojekte mit Rainer Schönfelder Werbung zu machen.
lässt der dreifache Vater Niemanden an sein Privatleben geschweige denn an seine Kinder heran. Und das ist in fallenreichen Social-Media-Zeiten wie diesen schon wieder klug.
wolfgang.winheim@kurier.at