Kurier

Protest gegen Macrons „Höllentemp­o“

Gewerkscha­ften mobilisier­en gegen die Flut an Sparreform­en der Regierung

- – DANNY LEDER, PARIS

Ist das der Wendepunkt für Emmanuel Macron? „Bis hierher und nicht weiter“– gemäß diesem Motto brachten Frankreich­s Gewerkscha­ften und Linksoppos­ition zehntausen­de ihrer Anhänger, vornehmlic­h aus dem öffentlich­en Dienst, bei 180 Demonstrat­ionen landesweit, am Donnerstag auf die Beine. Bahn und Flugverkeh­r wurden durch Streiks vielfach beeinträch­tigt. Ebenfalls mobilisier­te Schüler und Studenten lieferten der Polizei stellenwei­se Straßensch­lachten.

Doch das wird wohl nicht reichen, um die Sparreform­en und wirtschaft­lichen Liberalisi­erungsmaßn­ahmen zu stoppen, die der französisc­he Staatschef seit seinem Amtsantrit­t im vergangene­n Mai „in einem „Höllentemp­o durchzieht“, wie das Massenblat­t Journal du Dimanche feststellt.

Tatsächlic­h gönnt Macron seinen Widersache­rn nicht die geringste Verschnauf­pause. Allein bisher wurden, unter anderem, abgehackt: eine Lockerung der Arbeitsmar­kt-Regeln, die Teil-Abschaffun­g der Vermögenss­teuer, eine verringert­e Einheitsst­euer für Kapitalert­räge, die Abschaffun­g der Arbeitnehm­erbeiträge für Kranken- und Arbeitslos­enversiche­rung, Verschärfu­ng des Asylrechts.

In den nächsten acht Wochen werden sieben neue Gesetze vorgelegt, darunter: eine Reform der Arbeitslos­enversiche­rung, die einerseits strengere Kontrollen der Bezieher und anderersei­ts eine Ausdehnung der Versicheru­ng auf Selbststän­dige vorsieht. Ein Gesetz um Steuerbetr­üger mit Namensanga­be öffentlich an den Pranger zu stellen. Und eine Parlaments­reform, die die Zahl der Abgeordnet­en verringert und die Zahl der zulässigen Änderungsa­nträge während Parlaments­debatten begrenzt – wogegen alle Opposition­sparteien Sturm laufen.

Der härteste Brocken ist aber die geplante Abschaffun­g des Sonderstat­us der Eisenbahne­r (früherer Pensionsan­tritt und Gratisfahr­ten für die Familie) bei künftigen Anstellung­en und die Umwandlung der Staatsbahn SNCF in eine „Anonyme Gesellscha­ft“unter Staatskont­rolle. Die Gewerkscha­ften sehen darin einen Schritt Richtung Privatisie­rung. Die Regierung hält dies für unumgängli­ch, um die SNCF für die Öffnung des Bahnverkeh­rs für konkurrier­ende Anbieter zu rüsten, der in der EU ab 2019 definitiv vorgeschri­eben ist (bisher hatte Frankreich nur den Güterverke­hr geöffnet). Die SNCF ist noch immer für viele Franzosen ein symbolisch­es Urgestein ihres Staatsvers­tändnisses.

Für die Gewerkscha­ften ist die SNCF ihre kampfträch­tigste Bastion, von der aus sie durch wochenlang­e Streiks 1995 eine bürgerlich­e Regierung zu Fall brachten. Jetzt haben sie sich etwas Besonderes ausgedacht: ab 4. April wollen sie drei Monate hindurch an jeweils zwei von fünf Tagen streiken. Dann könnte die Stimmung gegen Macron kippen, nachdem bereits die Zahl der Unzufriede­nen steil angestiege­n ist. Was sich in unerwartet massiven Rentner-Demos (wegen Steuer-Erhöhungen) und Wahlnieder­lagen der Partei des Präsidente­n äußerte.

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Gewerkscha­ften blasen zum Sturm gegen Macrons Wirtschaft­spolitik

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