Kurier

„Gebt nicht die Verantwort­ung ab!“

Wiener Staatsoper. Josef Ernst Köpplinger inszeniert „Dantons Tod“von Gottfried von Einem, Premiere: Samstag

- VON PETER JAROLIN

Das Theater an der Wien hat mit dem „Besuch der alten Dame“(noch bis 28. März) vorgelegt; diesen Samstag (24. März) zieht das Haus am Ring nach. Anlässlich des 100. Geburtstag­es von Gottfried von Einem ist mit „Dantons Tod“jenes Werk zu sehen, das dem 1996 verstorben­en Komponiste­n im Jahr 1947 zum Durchbruch verhalf. Regie führt dabei Joseph Ernst Köpplinger, Staatsinte­ndant am Münchner Gärtnerpla­tztheater und zudem Staatsoper­ndebütant.

Doch wie aktuell ist „Dantons Tod“(nach Georg Büchner, Libretto: Boris Blacher und Von Einem) eigentlich noch? „Jeder Blick auf eine vergangene Revolution ist eine Replik“, sagt Köpplinger im KURIER-Gespräch. „Wir haben uns ganz bewusst dafür entschiede­n, die Oper in jener Zeit anzusiedel­n, in der sie spielt. Während der Schreckens­herrschaft von Robespierr­e, der ja bekanntlic­h Dantons Widerpart ist.“

Fatalismus

Und, so der gebürtige Österreich­er weiter: „Wir haben es hier auch nicht mit Helden zu tun, sondern das sind alles Mörder. Auch Danton. Nur sind dessen Fanatismus und Hedonismus längt einem Fatalismus gewichen. Wobei Fatalismus­auchimmere­twas mit Übersättig­ung und Hilflosigk­eit zu tun hat. Das ist leider sehr aktuell, denn auch wir fügen uns heute viel zu schnell in politische Systeme.“Doch kann die Kunst die Menschen wachrüttel­n? „Von uns Künstlern wird immer verlangt, wir müssen uns für die anderen aufregen. Das ist unentschul­dbar. Dafür sind wir nicht da. Wir schaffen vielleicht aufgrund der Reflexion eine Aufre- gung, aber wir können den Menschen doch nicht ihre Eigenveran­twortung abnehmen. Ich sage immer: Gebt nicht die Verantwort­ung ab! Das ist ja eine der Errungensc­haften der Demokratie. Jeder, der etwa nicht wählen geht, soll dann bitte auch gefälligst den Mund halten.“

Doch wie fragil ist unsere Demokratie? „Wie man leider sieht, ist sie sehr fragil. Gehen wir doch in die Geschichte zurück. Was kam denn nach der Französisc­hen Revolution? Die Schreckens­herrschaft! Und dann? Napoleon! Und hat nach 1918 in Österreich die scheinbare Demokratie funktionie­rt? Nein. Wir wissen alle, was danach gekommen ist. Nur: Was da an persönlich­em Elend, Blut, Schweiß, Tränen und Trauer die Donau hinunterge­flossene ist, das darf diesem Land nie wieder passieren.“

Ein Grundübel für diverse rechte Strömungen ortet der Regisseur auch bei den Medien. „Man sieht bei diesem Nationenge­misch nur dieses Eskalieren­de, nicht jene Fälle, wo das Zusammenle­ben gut funktionie­rt. Wie wir am Theater versuchen, das Publikum durch Effekte reinzuzieh­en, so machen es leider manche Medien. Lieber ein reißerisch­er Artikel, als eine positive Nachricht.“

Postings

Köpplinger, der in München bei seinem fast 900-PlätzeHaus auf „eine echte Auslastung“von 98 Prozent verweisen kann, weiter: „Unsere Medienland­schaft ist übersättig­t. Ich bin etwa nicht mehr auf Twitter, Facebook oder Instagram. Und ich bin gegen anonyme Postings im Internet. Wenn schon posten, dann unter dem echten Namen. Nicht unter Schneewitt­chen oder Dornrösche­n. Das würde vielleicht dazu führen, dass man erst denkt, dann postet. Das hat nichts mit einem Einschränk­en der Freiheiten zu tun, sondern ist eine Frage des Anstands.“

Und: „Diese Freiheiten, die wir uns nicht nur in der Kunst geschaffen haben, solltenwir uns tunlichst erhalten. Die größte Frage junger Menschen heute ist ja die Sinnfrage, da müssen wir der nächsten Generation Antworten geben. Wir haben doch auch eine Kraft in uns. Aber wir müssen auch lernen, etwas zu sagen. Eine Haltung ist eine Haltung, ist eine Haltung und nichts dazwischen. Sonst ist es Opportunis­mus.“

 ??  ?? Auf den Barrikaden: Wolfgang Koch als Danton und Clemens Unterreine­r als Herman in Gottfried von Einems Opernklass­iker in der Regie von Josef Ernst Köpplinger am Ring
Auf den Barrikaden: Wolfgang Koch als Danton und Clemens Unterreine­r als Herman in Gottfried von Einems Opernklass­iker in der Regie von Josef Ernst Köpplinger am Ring
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Josef Ernst Köpplinger ist seit 2012/’13 Intendant in München

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