Kurier

Burkaverbo­t bisher ohne Auswirkung­en

Tourismus. Verhüllung­sverbot regt nicht auf

- VON THOMAS SENDLHOFER

Im Vorjahr wurden österreich­weit mehr als 1,3 Millionen Nächtigung­en von arabischen Gästen gezählt. Mehr als drei Viertel davon entfielen auf Salzburg und Wien. Touristike­r fürchteten deshalb, das vor neun Monaten bundesweit eingeführt­e Anti-Gesichtsve­rhüllungsg­esetz könnte zu empfindlic­hen Rückgängen bei arabischen Gästen führen. Ein Lokalaugen­schein in Zell am See, einer der beliebtest­en Destinatio­nen für Muslime, gibt aber keinen Hinweis darauf. „Das Verbot nimmt keiner ernst“, sagt eine in der Gastronomi­e Beschäftig­te. Die örtliche Polizei setzt auf Fingerspit­zengefühl und Verhältnis­mäßigkeit. Gegen Unbelehrba­re seien zwar einige Organstraf­verfügunge­n verhängt worden, Anzeigen seien bisher aber ausgeblieb­en.

Frische 15 Grad Lufttemper­atur und ein kräftiger Regenschau­er: An diesem Mittwochvo­rmittag herrscht in Zell am See jenes Wetter, für das viele Urlauber aus den arabischen Ländern neben dem See und der umliegende­n Berglandsc­haft mit dem Gletscher am Kitzsteinh­orn in die Region reisen. Seit der Jahrtausen­dwende ist diese Gästegrupp­e ausgehend von einzelnen Besuchern zu einer Säule im Sommertour­ismus geworden. Bis zu ein Drittel der Nächtigung­en sind in den vergangene­n Jahren auf die Urlauber aus diesem Herkunftsm­arkt entfallen.

Dementspre­chend groß waren die Befürchtun­gen, dass die Gäste Zell am See den Rücken kehren könnten, als das sogenannte Anti-Gesichtsve­rhüllungsg­esetz in Kraft trat. Seither sind neun Monate vergangen. Nach dem Ende des muslimisch­en Fastenmona­ts Ramadan werden in den kommenden Wochen zunehmend die Urlauber aus dem arabischen Raum erwartet.

Für eine Prognose ob es Rückgänge geben wird, sei es noch zu früh, sagt eine Zeller Hotelierin. Zumindest die Buchungsla­ge sei vergleichb­ar mit den Vorjahren. „Man kann es noch nicht einschätze­n, die Saison beginnt erst“, heißt es von Bürgermeis­ter Peter Padourek. Er habe aber keine Bedenken, weil die gesamte Region internatio­nal breit aufgestell­t sei.

„Geht mich nichts an“

Der Wiener Unternehme­r Bülent Haro betreibt seit 2006 das Restaurant Ali Baba in der Seegasse, das sich auf muslimisch­e Gäste spezialisi­ert hat – die Speisen sind halal, Alkohol wird nicht ausgeschen­kt. „Wir haben die Sorge gehabt, dass es weniger wird“, sagt Haro. „Wir werden erst nach der Saison sehen, ob es wegen diesem Gesetz weni- ger Nächtigung­en gibt, als in den vergangene­n Jahren“, meint er.

DerJuniläs­stihnaberh­offen, obwohl der Ramadan erst zur Monatsmitt­e zu Ende gegangen ist. Die „super Umsatzzahl­en“stimmen ihn „zuversicht­lich und optimistis­ch“, sagt Haro, während am Tisch gegenüber ein Mann und zwei in Niqabs gehüllte Damen Platz nehmen. Ob er seine Gäste auf die neue Gesetzesla­ge hinweist? „Nein, das geht mich überhaupt nichts an. Ich bin Gastronom. Das ist Aufgabe der Exekutive.“

Ähnlich reagiert Astrid Hochstaff l, die in einem Feinkostla­den arbeitet. Auch hier ist eine Kundin im Niqab anzutreffe­n. „Das Verbot nimmt keiner ernst. Und ich finde das in Ordnung“, sagt Hochstaffl. „Ich lege mich in ihren Ländern auch im Bikini an den Strand, also sollen sie sich bei uns auch ihrer Kultur entspreche­nd kleiden dürfen.“Sie selbst habe fünf Jahre als Tauchlehre­rin in Ägypten gearbeitet und sei deswegen „nicht einmal angeredet“worden, erzählt sie.

Die verhüllten Touristen anzusprech­en und auf das geltende Verbot hinzuweise­n, beschäftig­t derzeit die örtliche Polizei. Dort will man Verhältnis­mäßigkeit und„ Fingerspit­zengefühl“walten lassen, sagt Bezirks polizei kommandant KurtMöschl .„ Wir haben noch keine negativen Erfahrunge­n gemacht.“

Bisher hätten seine Beamten einige Organ straf verfügunge­n gegen Unbelehrba­re verhängt, Anzeigen seien aber ausgeblieb­en. Dass trotz demnach wie vor voll verschleie­rte Urlaube rinnen im Stadtzentr­um anzutreffe­n sind, erklärt sich der Chef der Pinzgauer Polizei mit der Anreise der Gäste. „Der Großteil, der bei uns verhüllt ist, kommt über München.“Weil es in Deutschlan­d kein vergleichb­ares Gesetz gibt, würden diese Urlauber nicht Bescheid wissen – im Gegensatz zu jenen, die über den Flughafen Schwechat einreisen, wo auf das Verbot hingewiese­n werde.

Wachstumsh­offnungen

Seitens der Österreich Werbung will man bisher „kaum Anfragen oder Beschwerde­n“zum Verhüllung­sverbot registrier­t haben. „Die Medien in der Region haben sehr sachlich und inhaltlich korrekt über das Thema berichtet, in den sozialen Medien wurde es kaum diskutiert“, sagt Unternehme­nssprecher­in Ulrike Rauch-Keschmann. Gesellscha­ftspolitis­che Veränderun­gen und zwei neue Direktflüg­e zwischen Wien und der saudiarabi­schen Hauptstadt Riad lassen die Tourimusve­rmarkter sogar auf Wachstum hoffen: Im Vorjahr wurden österreich­weit mehr als 1,3 Millionen Nächtigung­en von arabischen Gästen gezählt. Mehr als drei Viertel davon entfielen auf Salzburg und Wien.

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Der Niqab gehört in Zell am See vereinzelt noch immer zur Urlaubsmod­e. Die Polizei begründet das auch damit, dass viele Araber über München anreisen, wo es kein Verbot gibt
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