Kurier

Österreich­s EURatsvors­itz aktiv nutzen

- VON PAUL SCHMIDT Mag. Paul Schmidt ist Leiter der Österreich­ischen Gesellscha­ft für Europapoli­tik.

Am 1. Juli übernahm Österreich zum dritten Mal den EU-Ratsvorsit­z. Gegenüber 1998 und 2006 hat sich dessen Rolle jedoch deutlich verändert. Der Europäisch­e Rat hat mit Donald Tusk einen permanente­n Präsidente­n und mit Federica Mogherini eine hohe Vertreteri­n der Union für Außen- und Sicherheit­spolitik, die gleichzeit­ig den Rat für Auswärtige Angelegenh­eiten leitet. Das EU-Parlament wurde aufgewerte­t und auch die Euro-Gruppe hat an Einfluss gewonnen. Neu dazugekomm­en ist ebenso die Trio-Präsidents­chaft, bei der sich aktuell Österreich mit Estland und Bulgarien eine 18-monatige Periode samt gemeinsam gesetzten Zielen für den jeweiligen Ratsvorsit­z teilt.

Österreich ist aber auch dieses Mal gefordert, zwischen unterschie­dlichen Positionen zu vermitteln. Insgesamt 33 offizielle Ratstreffe­n, 13 informelle Minister-Tagungen, ein informelle­r Gipfel und rund 300 Veranstalt­ungen stehen auf dem Vorsitzpro­gramm. Etwa 190 offene Dossiers warten darauf, erfolgreic­h verhandelt, die Brexit- und auch EU-Haushaltsv­erhandlung­en möglichst abgeschlos­sen zu werden. Anfang 2019 startet schon der Europawahl­kampf und die Zeit, neue Gesetze zu verabschie­den, ist denkbar knapp.

Das Vorsitzlan­d kann aber sehr wohl auch eigene Akzente setzen. In dem es etwa Debatten initiiert, die Aufmerksam­keit auf bestimmte Themen lenkt bzw. über die Frequenz der Treffen innerhalb bestimmter Politikfel­der ent- scheidet. Um Europa mit dem Ratsvorsit­z einen guten Dienst zu erweisen, gilt es für Österreich ebenso, auf unerwartet­e Ereignisse in Abstimmung mit den europäisch­en Partnern rasch und effektiv zu reagieren.

Reformproz­ess

Das Motto „Ein Europa, das schützt“soll – gemäß Bundesregi­erung – vorwiegend durch eine Verstärkun­g der Subsidiari­tät erreicht werden.

Fortschrit­te in Sachen Sicherheit und Kampf gegen illegale Migration, Sicherung des Wohlstande­s und der Wettbewerb­sfähigkeit durch Digitalisi­erung und die Förderung guter nachbarsch­aftlicher Beziehunge­n mit dem Hauptaugen­merk Westbalkan und Südosteuro­pa sind als wichtigste Schwerpunk­te definiert. Darüber hinaus wäre die Gelegenhei­t gut, die derzeitig aktuell durchaus positive EUStimmung zu nutzen, um den notwendige­n Reformproz­ess voranzutre­iben und die Diskussion über die Zukunft Europas zu vertiefen.

Übertriebe­ne Erwartunge­n an den EU-Ratsvorsit­z sind nicht angebracht – zu gering ist der realpoliti­sche Spielraum des jeweiligen Vorsitzes. Dennoch sollte Österreich in den nächsten sechs Monaten die Möglichkei­ten, Europa mitzugesta­lten, voll ausschöpfe­n und sich als konstrukti­ver Partner und Ideengeber in Europa präsentier­en.

Nicht zuletzt könnte auch die Europawahl nächstes Jahr inhaltlich­e Debatten und eine höhere Wahlbeteil­igung durchaus vertragen.

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