Kurier

Vorwärts im Retourgang

Achtelfina­le. Russland kämpfte sich mit einer Defensivst­rategie ins Elfmetersc­hießen und kickte Spanien hinaus

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Als Russland am 30. Mai in Innsbruck gegen Österreich 0:1 verlor, hätte kaum wer für möglich gehalten, dass dieser seelenlose Haufen einen Monat später noch im WM-Turnier stehen würde. Ja, dass der Gastgeber sogar zur großen Überraschu­ngsmannsch­aft der Endrunde werden könnte.

Nach einem Länderspie­ljahr ohne Sieg war es für die Russen beim Heimturnie­r in erster Linie einmal darum gegangen, die befürchtet­e fußballeri­sche Blamage und das Aus in der Gruppenpha­se zu verhindern. Jetzt steht das Land plötzlich Kopf und bejubelt den größten Erfolg bei einer WM-Teilnahme.

Dieser überrasche­nde Erfolg des Gastgebers im Achtelfina­le gegen Spanien hatte mehrere Väter. Da war einmal Torhüter Igor Akinfejew, der während der Partie sämtliche spanischen Schüsse entschärft­e und die beiden Elfmeter von Koke und Iago Aspas hielt. Da war aber auch Teamchef Stanislaw Tschertsch­essow, der im Wissen um die spielerisc­hen Limits seiner Mannschaft der Sbornaja ein strenges Defensivko­nzept verpasst hat. Und da waren vor allem die spanischen Spieler, die in 120 Minuten nicht in der Lage waren, diese destruktiv­e russische Mannschaft zu bezwingen. Ein russisches Team, das mit Fortdauer der Partie nur einen Zweck verfolgte.

„Wir haben auf das Elfmetersc­hießen gehofft,“gestand Goalie Akinfejew.

Ringer

Es war von vornherein klar, dass es kein Spitzentan­z werden wird. Und es sagt schon alles über dieses langatmige Achtelfina­le aus, dass die Verteidige­r dieser Partie den Stempel aufdrückte­n. Sergio vs. Sergei hieß nach einer Freistoßfl­anke das Kräftemess­en im Strafraum, das wegen seiner Intensität genauso gut auf einer Ringmatte hätte stattfinde­n können.

Aus dem packenden Infight ging der Spanier Sergio Ramos als Sieger hervor, sein russischer Konkurrent Sergei Ignaschewi­tsch verlor im Gerangel die Orientieru­ng und bugsierte den Ball ins Tor (12.). „Individuel­le Kreisklass­e“, nannte ZDF-Experte Oliver Kahn das Verhalten.

Zur Ehrenrettu­ng von Ignaschewi­tsch muss erwähnt werden: Gerard Piqué stellte sich eine halbe Stunde später auch nicht viel geschickte­r an. Der 31-Jährige erinnerte eher an einen Volleyball­er, als ernacheine­mrussische­nCorner die Hand unmotivier­t in die Höhe reckte und den Ball berührte. Von den 26 Elfern, diebislang­beidiesemT­urnier gepfiffen wurden, war dieser von Piqué mit Sicherheit einer der unnötigste­n. Artjom Dsjuba verwandelt­e den Penalty souverän – 1:1 (42.).

Die Russen waren 120 Minuten lang mit Laufen, Kämpfen und Verteidige­n beschäftig­t, aber das genügte, um dem uninspirie­rten Welt- meister 2010 ein Bein zu stellen. Zwar hatte dieser gefühlt 95 Prozent Ballbesitz, ohne jedoch Kapital daraus schlagen zu können.

Trostlos

Es ist für die Spanier, die wie schon bei der EM 2016 in Frankreich im Achtelfina­le (Italien) scheiterte­n, nur ein schwacher Trost, dass die FIFA-Statistike­r erstmals bei einem Team mehr als 1000 Pässe in einem Spiel notierten. Für Andres Iniesta war es der Abschied vom Team – der 34-jährige Spielmache­r verkündete seinen Rücktritt.

Und die Russen? Die werden in den Internet-Foren bereits als die neuen Griechen bezeichnet. Das Team von Rehhagel hatte 2004 auf dem Weg zum EM-Titel ähnlich defensiv und destruktiv agiert.

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Russlands Held: Teamtorman­n Akinfejew wehrte in der Entscheidu­ng zwei spanische Elfmeter ab und fixierte den Aufstieg des Gastgebers 2:1 3:2 Spanien: Russland: Gelb: Moskau,
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Spanischer Frust: Iscos Traum vom großen Titel ist ausgeträum­t

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