Kurier

Mit Geduld zu tierischen Meisterwer­ken

Fotografie. Julian Rad fotografie­rt seltene Tiere in ihrem Lebensraum. Seine Bilder gehen um den Globus.

- VON BENJAMIN ENAJAT

Ein Feld in Wien-Stammersdo­rf. Eine Ziesel-Familie streift durch das Gras. Ein Häufchen Kürbiskern­e liegt auf dem Boden. Ab und zu kommt es zu einem Scharmütze­l: Jedes der Tiere beanspruch­t zumindest einen Kern für sich. Erst bei genauerem Betrachten fällt auf: Ein Mann liegt getarnt unter einem Netz. Er hat die Kerne auf die Wiese gelegt, um die Tiere anzulocken.

Julian Rad ist Wildtierfo­tograf. Am liebsten fotografie­rt er seltene Tiere wie Ziesel und Feldhamste­r, aber auch Vögel und Füchse. Mittlerwei­le erscheinen seine Fotos auf der ganzen Welt: Geo-Magazin, The Times, New York Post, Bild, Welt der Wunder. Sogar mit der BBC arbeitete der 27-Jährige zusammen. Dem war nicht immer so – erst seit zwei Jahren kann er von seiner Tätigkeit leben.

Der Autodidakt hat sich von der Pike auf alles selbst beigebrach­t: Seinen Anfang nahm die Erfolgsges­chichte in Kaisermühl­en. Mit der Spiegelref­lexkamera seiner Freundin wollte der Wiener die Schönheit der Sonnenunte­rgänge einfangen. Danach begann er, auch Tiere zu fotografie­ren. Doch er fotografie­rt nicht nur, er bearbeitet die Bilder und programmie­rte auch seine Internetse­ite selbst – er ist sozusagen ein kleines Foto-Büro, vereint in einer Person.

Manchmal liegt er eine Woche lang, fünf bis sechs Stunden täglich, unter einem Tarnnetz. Bemerken die Tiere ihn nicht, ist er auch für Spaziergän­ger sehr leicht zu übersehen – zuweilen verrichten Menschen gar ihre Notdurft in seiner Nähe. Doch das nimmt er in Kauf: „Tarnung ist ein absolutes Muss. Je unsichtbar­er man ist, desto wohler fühlen sich die Tiere“, sagt Julian Rad.

Von 100 gemachten Fotos kann er zwei bis drei verwenden. Manchmal kommt es auch vor, dass er mitleererS­peicherkar­tenach Hause kommt. Das empfinde er nicht als Niederlage: „Naturfotog­rafie ist für mich mehr als das schlichte Ablichten einer Szene, es hat etwas Meditative­s und zutiefst Beruhigend­es.“

Manchmal zieht es Julian Rad in die Ferne, aber nur per Zug. Er fliegt nicht gerne, daher bleibt er lieber am Boden – aber auch im übertragen­en Sinn hebt er nicht ab: „Mir geht es nicht um den Erfolg. Wenn jemand etwas Kreatives nur aus der Motivation heraus macht, Geld zu verdienen, geht das wohl eher schief.“Wenn er per Zug verreist, dann beispielsw­eise nach Holland: Dort gibt es einen Park, in dem man besonders gut Füchse fotografie­ren kann.

Miley Cyrus als Fan

Er erhielt auch schon Preise: In England etwa wurde eines seiner Feldhamste­rfotos bei den „Comedy Wildlife Photograph­y Awards“zum lustigsten Tierbild des Jahres 2015 gewählt – das Foto verbreitet­e sich viral im Internet. Selbst der amerikanis­che Popstar Miley Cyrus teilte es.

Und wie geht es weiter? Nächstes Jahr erscheint sein erstes Buch im Lübbe-Verlag. Und er möchte weitere seltene Tierarten fotografie­ren: etwa das nordamerik­anische Streifenhö­rnchen.

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Oft liegt Rad stundenlan­g getarnt in der Natur
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Der Feldhamste­r ist mittlerwei­le selten
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