Kurier

Tabakwerbu­ng mit Gesichtser­kennung

Handel. Philip Morris testet in Wiener Trafiken Werbung mit Gesichtser­kennung. Datenschüt­zer sind alarmiert

- VON PATRICK DAX

Zigaretten­hersteller Philip Morris ruft mit neuen Werbemetho­den Datenschüt­zer auf den Plan.

Um mehr über Kunden herauszufi­nden, hat der Tabakkonze­rn Philip Morris in zwei Wiener Trafiken Werbedispl­ays und Kameras mit Gesichtser­kennung aufgestell­t. Die Kameras erheben Geschlecht und Alter der Konsumente­n. Je nachdem ob Kunden männlich oder weiblich und über oder unter 30 Jahre alt sind, werden ihnen über dieAnzeige­tafelndann­unterschie­dliche Zigaretten­marken angepriese­n.

Es handle sich um einen Test, der zunächst für vier Wochen anberaumt sei und vor Kurzem begonnen habe, sagt Claudia Oeking, Leiterin Corporate Affairs bei Philip Morris Austria. Von dem Versuch erhoffe man sich auch Erkenntnis­se über die Kundenfreq­uenzen in den Verkaufsst­ellen. Ähnliche Systeme, mit denen der stationäre Handel der OnlineKonk­urrenz nacheifern will, sorgen bei Datenschüt­zern seit Längerem für Verdruss. Eine Apotheke in Linz, die im vergangene­n Jahr Gesichtssc­ans für zielgruppe­nrelevante Werbung einsetzte, musste den Einsatz der Technik nach einem regelrecht­en Shitstorm in Onlinenetz­werken wieder einstellen. Die deutsche Supermarkt­kette Real, die im vergangene­n Jahr ebenfalls solche Systeme bei Werbedispl­ays zum Einsatz brachte, sah sich Klagsdrohu­ngen von Datenschüt­zern gegenüber und stoppte die Gesichtssc­ans ebenfalls.

Bei Philip Morris verweist man darauf, dass Bilddaten nicht gespeicher­t und personenne­utral verarbeite­t würden. „Bei der Ermittlung wird weder von uns noch von unserem Dienstleis­ter eine Identifizi­erung oder Wiedererke­nnung von Personen vorgenomme­n. Es werden keine personenbe­zogenen Daten gespeicher­t. Sie werden auch nicht mit anderen Daten verknüpft“, sagt Oeking. Philip Morris erhalte lediglich anonymisie­rte Zahlenreih­en.

Kein Hinweis

Hinweise, dass solche Systeme zum Einsatz kommen, gibt es in den Trafiken allerdings nicht. Oeking begründet dies damit, dass es keine Notwendigk­eit dafür gebe. „Wir schauen uns nicht die Person an, sondern erheben rein statistisc­he Merkmale, die auf Wahrschein­lichkeit beruhen“, sagt die PhilipMorr­is-Managerin. Genehmigun­gen für solche Aufnahmen sind seit der Einführung der neuen EU-Dateneine schutzrege­ln mit Ende Mai nicht mehr notwendig. Die Verantwort­ung, dass die Datenverar­beitungssy­steme gesetzesko­nform betrieben werden, liege bei den Verantwort­lichen, die dies im Falle von Beschwerde­n oder Anzeigen auch nachweisen müssten, heißt es aus der österreich­ischen Datenschut­zbehörde.

„Gratwander­ung“

Der auf Datenschut­z spezialisi­erte Anwalt Dominik Schelling von der Wiener Kanzlei Dorda spricht von einer Gratwander­ung. Seine Kanzlei habe Mandanten beim Einsatz ähnlicher Systeme dazu geraten, Kunden darüber zu informiere­n. Der Datenschüt­zer Georg Markus Kainz vom Verein quintessen­z, der die Negativpre­ise Big Brother Awards vergibt, meint, dass in einem solchen Fall aktive Zustimmung der Kunden zur Verarbeitu­ng ihrer Daten notwendig sei. „Über den Gesichtssc­an werden biometrisc­he Daten erfasst, die mit einer Datenbank abgegliche­n werden“, sagt Kainz. Dass die Daten derzeit nicht gespeicher­t und weiterüber­tragen werden, bedeute nicht, dass dies nicht in Zukunft geschehen könne: „Wir haben ein Recht, uns unbeobacht­et zu bewegen.“

Augenkamer­as

Der Einsatz von Kameras zu Marktforsc­hungszweck­en ist in heimischen Trafiken keine Seltenheit. Augenkamer­as zum Messen der Aufmerksam­keit in den Tabak-Verkaufsst­ellen würden seit Jahren zum Einsatz kommen, erzählt Andreas Schiefer, Obmann des Landesgrem­iums der Tabaktrafi­kanten in Wien. Auch aus den Österreich-Niederlass­ungen großer Tabakkonze­rne wird dies bestätigt. „Es wird nur die Zeit gemessen, wie lange die Augen der Kunden auf einer Werbefläch­e verharren“, heißt es von Japan Tobacco Internatio­nal (JTI).

Dort wo Werbung platziert werde, schaue aber trotzdem kein Kunde hin, meint Schiefer. Denn in Trafiken gebe es eine Vielzahl an „bunten Sachen“, auch bewegte Bilder habe man den ganzen Tag am Smartphone: „Das interessie­rt niemanden mehr.“In Trafiken gebe es nur zweiPunkte,diedieAufm­erksamkeit der Kunden auf sich ziehen würden, weiß der Trafikant: „Das sind Mitarbeite­r, was sie an der Brust und am Rücken haben, und der Zahlteller. Der Werbung am Verkaufsor­t wird zu viel Bedeutung beigemesse­n.“

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Mann oder Frau, alt oder jung? Philip Morris will in Trafiken zielgruppe­nspezifisc­h werben und führt dazu in zwei Wiener Tabak-Verkaufsst­ellen Tests durch. Datenschüt­zer haben deshalb Bedenken

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