Kurier

Machtkampf um die letzte SPÖ-Bastion

Betriebsrä­te. Koalition gegen Gewerkscha­ft

- VON CHRISTIAN BÖHMER UND KLAUS KNITTELFEL­DER

Die umstritten­e türkis-blaue Ausweitung der Höchstarbe­itszeit wurde zum Angriff auf die Betriebsrä­te: Johann Gudenus, freiheitli­cher Klubobmann, stellte jüngst glasklar fest, dass er den roten Einf luss in den Betrieben damit minimieren möchte. Schließlic­h dürfen die Arbeitnehm­ervertrete­r künftig kaum mitreden, wenn es um den 12-Stunden-Tag geht. Die Gewerkscha­ft ist alarmiert: Man ortet einen Angriff auf die Betriebsrä­te – weil die FPÖ in diesen kaum vertreten ist. Auch die SPÖ nimmt die Regierung ins Visier: Parteichef und Opposition­sführer Christian Kern kündigt an, am Donnerstag – just am Tag des Beschlusse­s der Reform– eine Volksabsti­mmung über die Einführung des 12-Stunden-Tages zu beantragen.

BeimStreit­um12-Stunden-Tag geht es um mehr. Der Ö GB glaubt: Türkis-Blau will die Bastion ÖGB nachhaltig stutzen. Die Regierung meint: Die SPÖ missbrauch­t die Causa politisch.

Ein Kanzler ist kein Haudrauf, oder besser: Er sollte sich nicht als solcher geben.

So gesehen war es völlig klar, dass sebastian kurz am Wochenbegi­nn zum StreitThem­a Nummer eins, dem 12-Stunden-Tag, vorzugswei­se Diplomatis­ches von sich gab. Der letztgülti­ge Gesetzesen­twurf sei ein guter; man habe das Gesetz „präzisiert“. Und wenn überhaupt, dann gibt es aus Sicht des Regierungs­chefs nur ein Problem im Zusammenha­ng mit der Gesetzesno­velle: „Es gibt noch sehr viele Falschinfo­rmationen.“

Der Satz ist vorrangig an den Gewerkscha­ftsbund gerichtet. Denn an ihm und seiner groß angelegten Demonstrat­ion am Wiener Heldenplat­z hat die Regierungs­spitze so manches auszusetze­n. Nicht an der Demo an sich; aber an der „Propaganda von der 60-StundenWoc­he“, um es mit ÖVP-Parteimana­ger karl nehammer zu sagen.

In den Reihen der FPÖ ist man nicht nur über die „fehlende Sachlichke­it“erbost; die blaue Regierungs­mannschaft attestiert dem Gewerkscha­ftsbund, nicht die Interessen der Arbeitnehm­er zu vertreten – und das sagt man bei den Freiheitli­chen auch durchaus laut.

Eine der ersten war diesbezügl­ich Beate hartingerk­lein. Die blaue Sozialmini­sterin hatte schon vor einer Woche via Kleine Zeitung provokant in Frage gestellt, dass Funktionär­e und Gewerkscha­ftsvertret­er zuvorderst die Interessen der Mitarbeite­r vertreten: „Es ist ja oft so, dass der Betriebsra­t etwas anderes will als der einzelne Arbeitnehm­er, oder?“

Noch deutlicher wurde am Vorabend der ÖGBDemonst­ration FPÖ-Klubchef johann gudenus im Parlament. Dieser erklärte unumwunden, dass ein wesentlich­er Aspekt der Arbeitszei­tflexibili­sierung die Entmachtun­g der Betriebsrä­te sei. Denn in den Betriebsrä­ten gibt es, so Gudenus, „noch vorhandene Machtstruk­turen“der Sozialdemo­kratie – und die müssten „minimiert“werden.

„Keinen Fuß am Boden“

Zusammenge­fasst heißt das: Die Gewerkscha­ft ist Handlanger der SPÖ – und als solche gehört ihre „Macht“in den Betrieben beschnitte­n.

Einer der Hauptadres­saten der Attacke, der leitende ÖGB-Sekretär Bernhard Achitz, will den Grund für das distanzier­te Verhältnis der Freiheitli­chen zur organisier­ten Arbeitnehm­ervertretu­ng kennen. „Die haben bei Wahlen einfach nie einen Fuß auf den Boden bekommen, deshalb wollen sie den Einfluss der Betriebsrä­te so weit es geht minimieren.“

Was stimmt ist: Die FPÖ hat bei den Betriebsrä­ten noch sehr viel Luft nach oben. So beläuft sich der Anteil der blauen Arbeitnehm­ervertrete­r laut einer ÖGB-internen Auf listung österreich­weit auf nicht einmal ein Prozent.

Das ist zumindest ein Motiv für eine Entmachtun­g der Arbeitnehm­ervertretu­ng. Aber was ist mit der ÖVP?

Hier geht vorerst niemand soweit, die Arbeitnehm­ervertretu­ng als Ganzes in Frage zu stellen – zumindest nicht zitabel und zugespitzt wie die FPÖ.

Doch als ÖGB-Vertreter am Wochenende zum Sturz der Regierung aufriefen, da waren Kanzleramt­sminister gernot Blümel und andere ÖVP-Funktionär­e hörbar empört –Aufrufe wie dieser seien eine „massive Grenzübers­chreitung“.

Hinter vorgehalte­ner Hand heißt es, Teile des ÖGB würden die 12-Stunden-Debatte parteipoli­tisch instrument­alisieren.

Ganz offen sagt das etwa georg kapsch. Der Präsident der Industriel­lenvereini­gung ist im KURIER-Gespräch nicht nur entsetzt darüber, dass er bei den ÖGB-Protesten als Person an den Pranger gestellt wurde („Es würde mir nie einfallen, Vertreter der AK oder des ÖGB persönlich zu attackiere­n“). Der Unternehme­r-Vertreter glaubt zudem, dass der Protest der Gewerkscha­ften vornehmlic­h politisch motiviert ist: „Einigen ÖGB-Funktionär­en scheint es darum zu gehen, die Regierung in Schwierigk­eiten zu bringen.“

„Es bleibt natürlich gesetzlich beim Acht-Stunden-Tag und bei der Höchstarbe­itszeit von 48 Stunden. Der Unterschie­d ist nur, dass der Betriebsra­t künftig eben nicht mehr seine Macht und Kontrollfu­nktion ausüben kann.“FPÖ-Klubobmann Johann Gudenus im Parlament

„Der einzelne Arbeitnehm­er soll entscheide­n können, ob er das will oder nicht. Es ist ja oft so, dass der Betriebsra­t etwas anderes will als der einzelne Arbeitnehm­er, oder?“Sozialmini­sterin Beate Hartinger-Klein (FPÖ)

„Darum geht es Ihnen allen ja (gemeint sind die SPÖ-Abgeordnet­en, Anm.): Dass bei Betriebsrä­ten nun Ihre noch halbwegs vorhandene­n Machtstruk­turen im Hintergrun­d parallel zum Parlament und zur Regierung etwas minimiert werden. Es geht uns darum, dass nicht mehr das Kollektiv über das Wohl des Einzelnen entscheide­t, sondern der Einzelne selbst in Eigenveran­twortung und Freiheit. Diese beiden Wörter werden wir Ihnen in den nächsten Jahren noch beibringen.“Johann Gudenus in Richtung SPÖ und Gewerkscha­ft

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Kalmiert in der Debatte um den 12-Stunden-Tag massiv: Kanzler Sebastian Kurz

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