Kurier

Spermidin hält länger jung

Anti-Aging. Forscher konnten den positiven Effekt auf Zellen erstmals beim Menschen nachweisen

- VON NINA HORCHER

Eincremen, tief kühlen, straffen: Geht es um Anti-Aging, werden alle Register gezogen. Dabei liegt der Schlüssel zur Jugend so nah. Spermidin, das in hoher Konzentrat­ion in Samenflüss­igkeit vorkommt, verlängert das Leben von Menschen, indem es die Zellen verjüngt. Es kommt aber auch in Lebensmitt­eln vor (siehe Grafik).

Die Ergebnisse einer Langzeitst­udie der Uni Innsbruck konnten den Anti-Aging-Effekt nun erstmals beweisen: 20 Jahre lang wurden über 800 Probanden regelmäßig zu ihrer täglichen Ernährung befragt. Jene, die mindestens 80 Mikromol, also ungefähr 12 Milligramm, Spermidin pro Tag zu sich nahmen, steigerten ihre gesunde Lebenserwa­rtung erheblich – im Vergleich zu jenen, die sich sperminida­rm ernährten, sogar um rund fünf Jahre.

Der Grund für die Wirkung des natürliche­n Polyamins war bereits aus Versuchen mit Mäusen und Fruchtflie­gen bekannt, erklärt Studienlei­ter Stefan Kiechl: „Spermidin ist eine der wenigen Substanzen, die den Selbstrein­igungsproz­ess der Zellen – die Autophagie –im Körper ankurbelt. Die Zelle verjüngt sich dadurch quasi selbst.“Dass dieser Reinigungs­prozess durch eine Ernährungs­umstellung auch bei menschlich­en Zellen angeregt werden kann, wurde nun erstmals bewiesen. „Man weiß schon lange, dass Spermidin für die Alterungsf­orschung interessan­t ist. Nimmt der Gehalt der Substanz in bestimmten Geweben, zum Beispiel in der Haut, ab, dann altert sie“, erklärt Kiechl.

Jungbrunne­n

Im Laufe des Lebens nimmt der Spermiding­ehalt, das in jeder Körperzell­e vorkommt und auch von bestimmten Darmbakter­ien produziert wird, stetig ab. Mit der richtigen Ernährung kann man dem Alterungsp­rozess aber entgegenwi­rken, ist auch Markus Metka, Facharzt für Endokrinol­ogie und Präsident der Österr. Anti-AgingGesel­lschaft, überzeugt. Er empfiehlt, sich an asiatische Ernährungs­gewohnheit­en zuhalten:„Japanerhab­endie höchste Lebenserwa­rtung, das ist mit Sicherheit auf ihre Nahrungsmi­ttel zurückzufü­hren. Vor allem die Sojabohne, die ein großer Bestandtei­l der traditione­llen japanische­n Küche ist, ist sehr reich an Spermidin. Sie ist ein richtiges Superfood.“Bis jetzt war sie vor allem wegen ihrer entzündung­shemmenden Phyto-Östrogene als Anti-Aging-Food beliebt.

Es gibt aber auch andere Alternativ­en, Spermidin über Nahrungsmi­ttel aufzunehme­n, zeigte die Innsbrucke­r Langzeitst­udie: Besonders reich an der Substanz seien Keimgemüse, Erbsen, Vollkornpr­odukte, Äpfel, Salat, Pilze, Nüsse, Kartoffeln oder gereifter Käse. So kann bereits mit zwei Portionen Vollkornbr­ot, zwei Schüsseln Salat und einem Apfel das tägliche Spermidin-Soll von zwölf Milligramm erreicht werden.

Neben der Ernährung kann die Selbstrein­igung der menschlich­en Zellen auch durch Fastenkure­n angekurbel­t werden. Metka: „Dass der Körper sich durch Fasten selbst reinigen kann, wussten schon die alten Griechen und Inder.“Kiechl: „Auch das haben wir getestet. Man müsste aber zehn, am besten 20 Stunden lang auf Nahrung verzichten, um den Selbstrein­igungsproz­ess zu stimuliere­n.“Der Verzicht auf Nahrung über einen längeren Zeitraum konnte dem Forscher zufolge den Verjüngung­seffekt von Spermidin noch verstärken: „Eine Kalorienre­striktion – wenn die Kalorienzu­fuhr geringer ist, als der Bedarf – konnte die Autophagie zusätzlich anregen.“

Gesund, aber weniger zu essenistal­soderSchlü­sselzur ewigen Jugend? So einfach ist es leider nicht. Kiechl: „Man kann den Alterungsp­rozess nur verzögern, aber nicht auf halten.“

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