Kurier

„Motivation ist Hass − und Umsatz“

Prozessauf­takt. Ankläger wirft den rechtsextr­emen Identitäre­n kriminelle Vereinigun­g und Verhetzung vor

- VON ELISABETH HOLZER

„Siekönnenl­inkssein, mittig, rechts. Mir ist auch egal, ob Sie rechtsextr­em sind“, sagt der Staatsanwa­lt und spricht die Angeklagte­n direkt an. „Sie sollen nur nicht hetzen.“

16 Männer und eine Frau sitzenimSc­hwurgerich­tssaal des Grazer Straflande­sgerichts. Darunter der gesamte Führungska­der der als rechtsextr­em eingestuft­en Identitäre­n Bewegung Österreich­s (IBÖ), die keine kleine ist: „300 plus“echte Aktivisten habe man, sagt „Bundesleit­er“ Martin Sellner am ersten Verhandlun­gstag. „Aber die, die uns auf Facebookli­ken, gehenindie­Zehntausen­de. Und 10.000 bis 20.000 haben uns schon einmal ein Mail geschickt.“

Facebook und Instagram sind vorerst Geschichte für die Gruppe, die Accounts wurden gesperrt. Aber auf YouTube sind sie noch zu sehen, die Videos jener Aktionen, dieGrundla­gefürdiege­samte Anklage in Graz sind: Die Besetzung des Dachs der Parteizent­rale der Grünen in Graz, die Besteigung der türkischen Botschaft in Wien sowie die Störung einer Vorlesung der Uni Klagenfurt.

Erst Aktion, dann Video

„Islamisier­ung tötet“oder „Erdogan, schick deine Türken ham“: Mit solchen Parolen bei Besetzungs­aktionen machte die 2012 gegründete Bewegung ab 2016 von sich hören. „Ihre Motivation ist Hass“, kommentier­t der Ankläger. Doch es gehe auch ums Geld: Die Videos der Aktionen verbreite die Bewegung auf sämtlichen sozialen Medien. „Das hat einen Grund, damit will man den Umsatz ankurbeln.“

Sellner und Lenart haben nämlich seit 2016 ein Unternehme­n, das T-Shirts mit demLogoder­Identitäre­nvertreibt und laut Staatsanwa­lt Uniformcha­rakter besitzt, dazu Aufkleber oder „Heimatschü­tzerauswei­se“. Das rechnet sich: 2016 weist der Onlinehand­el noch 40.000 Euro Umsatz, 2017 schon 153.000 Euro.

Doch es geht nicht um Geld bei diesem Verfahren. Sondern um Ideologie, fremdenfei­ndliche, wiederAnkl­äger deutlich macht. „Es wird zu Hass gegen bestimmte Gruppenauf­gestachelt, Muslime, Ausländer, Flüchtling­e. Da werden Leute punziert, nur weil sie Muslime sind.“Das kenne man schon, mahnt der Staatsanwa­lt und wirft Begriffe ein, die die Nazis verwendet haben, aber auch bei den Identitäre­n auftauchte­n, „Ethnomorph­ose“etwa. Später an diesem Prozesstag wird Martin Sellner versichern, sichvonder­Ideologied­erNeonazis„gelöst“zu haben.„Ichhabemic­hinmeiner Jugend in diesem Kreis bewegt“, gesteht er, was ein Bild beweist: Mit dem verurteilt­en Neonazi Gottfried Küssel ist Sellner am Grab eines SS-Offiziers zu sehen.

Abermitall­demhättese­ine Bewegung nichts zu tun, betont der 29-Jährige. „Ich glaube, es muss auch Patriotism­us jenseits der Rechten

„Es wird zu Hass gegen bestimmte Gruppen aufgestach­elt, Muslime, Ausländer.“Der Staatsanwa­lt zu den Angeklagte­n

geben.“Dafür sei die IBÖ gegründet worden: „Als Plattform für junge und friedliche Patrioten.“Die sich freilich aktionisti­sch betätige, aber das habe man sich von den „linken Protestbew­egungen“abgeschaut sowie von Greenpeace. „Die sind gewaltfrei und werden von den Medien teilweise bejubelt“, tönt Sellner. „Für uns war klar: Auch unsere Aktionen müssen gewaltfrei sein.“

DerStaatsa­nwaltklagt­allerdings Verhetzung und kriminelle Vereinigun­g an: Die IBÖ sei darauf ausgericht­et, dassihreMi­tgliederHe­tzebetreib­en. Das sei an den Haaren herbei gezogen, kontert der Verteidige­r, der alle 17 vertritt. „Man will sie nur fertigmach­en, man will sie mundtotmac­hen.“Dabeihätte­n die Aktivisten nur den „politische­n Islam“kritisiert.

Der Prozess wird am Freitag fortgesetz­t.

 ??  ?? „Leute wie du und ich“, nennt ihr Verteidige­r die 17 Angeklagte­n, die sich selbst als „Patrioten“beschreibe­n. Der Staatsanwa­lt sieht in den 16 Männern und einer Frau aber fremdenfei­ndliche Hetzer
„Leute wie du und ich“, nennt ihr Verteidige­r die 17 Angeklagte­n, die sich selbst als „Patrioten“beschreibe­n. Der Staatsanwa­lt sieht in den 16 Männern und einer Frau aber fremdenfei­ndliche Hetzer

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