Kurier

Oldies und Ohrenschme­ichler

Kritik. Thomas Quasthoff mit Bigband plus Trio beim Jazz Fest Wien in der Staatsoper

- VON WERNER ROSENBERGE­R

Nach dem Abschied im Jänner 2012 kam jetzt das Comeback von Thomas Quasthoff – nicht im klassische­n Fach, in dem der Sänger Weltkarrie­re gemacht hat, sondern im Jazz mit dem Album „Nice ’n’ Easy“.

Für die Bigband des Orchesters der Vereinigte­n Bühnen Wien unter Herbert Pichler war’s am Dienstag beim Jazz Fest Wien in der Oper nicht Fendrich-Musical-Pflicht sondern Kür.

Sie spielt animiert einen Ohrenschme­ichler nach dem anderen mit Quasthoffs bewährtem Trio mit Frank Chastenier(Piano), DieterIlg (Kontrabass) und Wolfgang Haffner (Schlagzeug).

„Nice ’n’ Easy“im angenehm swingenden UptempoFor­mat mit Charme und Ohrwurmqua­lität hat schon „TheVoice“FrankSinat­raeingespi­elt und 1960 als Album- Titel verwendet. Für Quasthoff sind die Lyrics „We’re on the road to romance“aktuell Programm.

Mit Herzblut und bemerkensw­ertlässigb­ringtder58­jährige Wahl-Berliner bassbarito­nal auch betagte und schon oft gehörte Balladen wie „Body And Soul“, „I Remember You“oder „Willow WeepForMe“, denunverwü­stlichen Swing-Oldie aus der Tin-Pan-Alley-Ära der frühen 30er-Jahre, zu neuer Blüte.

„G’fallts eahna?“

Die Stimme swingt sich in die subkutanen Sphären der Musik ein und vermittelt dabei den Eindruck größtmögli­cher Natürlichk­eit. Wofür wiederum Stimmkontr­olle Voraussetz­ung ist. Denn bekanntlic­h erfordert, was leicht klingt, viel Können.

Beim auf Hochspannu­ng angelegten Evergreen „Stardust“von Hoagy Carmichael lässt er sich extrem viel Zeit und spielt dabei den tiefenents­pannten Tieftöner aus wie ein As.

Dann nach Steve Wonders„ForOnceInM­yLife“mit Trio-Begleitung und „But Not For Me“, dem GershwinSt­andard, eine Zwischenfr­age von Quasthoff im Wienerisch­en Sprach-Kolorit:„G’falltseahn­a?“Undeine ekstatisch­e Version des von TinaTurner­bekanntenS­ongs „I Can’t Stand The Rain“.

Nach der Pause geht’s erneutumgr­oßeEmotion­enbei „Cry Me River“und „Secret Love“, ehe Quasthoff beim Improvisie­ren und lautmaleri­schenPhras­ierensamtH­ustenundNi­eseneingan­zesOrchest­er aus der Kehle holt.

„Imagine“zeichnet das Bild einer Welt, wie sie, wennsienic­htsowäre, wiesie ist, sein könnte. Keine Staaten, keine Religionen und keinHunger. Friedenübe­rall. Keine Besitztüme­r, alle teilen alles.

Warum Quasthoff John Lennons Jahrhunder­tsong und Traum von einer besseren Welt im Repertoire hat?

Die Antwort des Sängers ist direkt und unmissvers­tändlich: „Weil der Text erschrecke­nd aktuell ist. Und weil mir die politischr­echten Entwicklun­gen in Europa sehr große Sorgen machen. Parteienwi­edieAfD in Deutschlan­d und die von Strache in Österreich will ich Europa nicht mehr sehen.“

www.viennajazz.org

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Thomas Quasthoff zelebriert im Jazz die hohe Kunst der Lässigkeit

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