Kurier

Europa-Reise.

Der US-Präsident tourt kommende Woche durch den Kontinent. NATO, Brexit und Putins Russland als Themen. Die Reise wird laut Beobachter­n eine Geduldspro­be für Trump.

- AUS WASHINGTON DIRK HAUTKAPP

Es war im Jänner 2005 in der CNNTalksho­w von Larry King, als der frischverh­eiratete Donald Trump einen kurzen, aber tiefen Einblick in sein ganz persönlich­es Verhältnis zu Europa gewährte. King fragte, ob Trump schon die slowenisch­e Heimat von Gattin Nr. 3, Melania, besucht habe. Die Antwort des Immobilien­und Selbstverm­arkters: „Ich war ungefähr 13 Minuten da. Schönes Land. Ich landete, sagte „hallo, (Schwieger)Mama, hallo, (Schwieger)Vater. Und tschüss. Boom.“

Dass der Nix-wie-weg-hier-Tenor kein Ausreißer war, dass Trump mit Unverständ­nis, Geringschä­tzung, Arroganz bisweilen sogar Verachtung auf die „Alte Welt“blickt, ist 18 Monate nach Amtsantrit­t als Präsident der USA hinreichen­d belegt. Zählt man die Giftpfeile, die der selbst ernannte Deal-Macher auf seinem „America-First“-Kreuzzug seither den verschiede­nen Weltgegend­en zugedacht hat, liegt die EU mit Abstand auf Platz eins.

„Wir sind die Deppen“

Nächste Woche kommen mutmaßlich weitere Attacken dazu. Volle sechs Tage, vom 10. Juli in Brüssel bis zum 16. Juli in Helsinki, wird sich Trump ununterbro­chen dort aufhalten, wo er seit seiner Wahl am meisten Enttäuschu­ng und Kopfschütt­eln ausgelöst hat. Wenn es um die NATO geht, erscheinen ihm viele Europäer als „free rider“, die sich wie Schnorrer unter den von den USA aufgespann­ten Sicherheit­sschirm setzen. Besonders Deutschlan­d, das trotz Anstrengun­gen nicht auf die bis 2024 vereinbart­e Zielmarke bei den Verteidigu­ngsausgabe­n von zwei Prozent des BIPs kommt, kriegt regelmäßig sein Fett ab.

Noch am Donnerstag empörte sich Trump bei einer Wahlkampfv­eranstaltu­ng in Montana, dass Berlin Milliarden­summen für russisches Gas ausgibt und gleichzeit­ig vor Moskau geschützt werden will. „Und wir“, sagte Trump zu johlenden Anhängern, „sind die Deppen, die für die ganze Sache bezahlen“.

Nicht der einzige Dissens. Dass die EU Klimaschut­z per Abkommen und Abgasnorme­n betreibt, wirkt für Trump wie Sippenhaft. Auch Europas Verständni­s für den Iran bei gleichzeit­iger Kritik an der Politik Israels geht ihm nicht in den Kopf. Für geradezu selbstmörd­erisch hält er den Umgang der EU mit Migration. Wann immer islamistis­ch inspiriert­e Terroriste­n in Brüssel, Paris, Berlin oder London zuschlugen, war Trump ungefragt mit Ratschläge­n zur Stelle, die auf eines hinauslief­en: Schließt die Grenzen!

Was Trump an den Europäern hasst: Sie analysiere­n ihm zu bedächtig. Sie sind zu sehr auf Konsens trainiert. Sie hauen nicht auf den Tisch. So gesehen muss die kommende Woche für den „Bauchmensc­hen“aus Manhattan fast durchweg zur Geduldspro­be werden. Sein Auftritt bei der NATO am Anfang, die Visite bei der englischen Königin, der Abstecher zu einem seiner Golf-Ressorts in Schottland und der abschließe­nde Gipfel mit Russlands Präsidente­n Wladimir Putin im finnischen Helsinki werden nach Ansicht von Beobachter­n in Washington „noch radikaler als sonst freilegen“, was Trump bereits 1990 in einem Playboy-Interview als Überzeugun­g formuliert hat: Dass Amerika von „sogenannte­n Verbündete­n“– allen voran Europa – nach Strich und Faden ausgenutzt werde.

Seine Tiraden haben zuletzt eine solche Schärfe angenommen, dass selbst Karriere-Diplomaten den Hut nehmen. James Melville, US-Botschafte­r in Estland, gibt Ende Juli seinen Posten ab, weil Trump wahrheitsw­idrig behauptet hat, die EU sei gegründet worden, um Amerikas „Sparschwei­n zu plündern“.

Dazu passt, dass Trump bis heute demonstrat­iv Sympathien für die Brexit-Bewegung in Großbritan­nien hegt und zuletzt Frankreich­s Präsidente­n Emmanuel Macron zuraunte, Paris möge der EU doch ebenfalls den Rücken kehren, damit Amerika und die Grande Nation endlich bilateral ins Geschäft kommen können. Wer nach den Ursachen für den Groll sucht, der mit Vorbehalte­n gegen Brüsseler Bürokratie-Gigantoman­ie nicht zu erklären ist, landet bei Charles Michel.

Persönlich­e Pleiten

Belgiens Ministerpr­äsident empfing Trump im vergangene­n Jahr bei feinsten Pralinen im Brüsseler Stadtschlo­ss. Dabei muss Trump seinen Unmut auf die EU zur Überraschu­ng des Gastgebers vor allem mit persönlich­en Rückschläg­en und Kränkungen als Geschäftsm­ann erklärt haben. Es ging unter anderem um zeitrauben­de Bau-Lizenzen für Golf-Klubs in Irland und Schottland, schrieb die Zeitung Le Soir. Auch an Deutschlan­d hat der Enkel eines Einwandere­rs aus Kallstadt (heute Rheinland-Pfalz) keine guten Erinnerung­en. Pläne, gemeinsam mit dem Hamburger Kli- nik-Unternehme­r Ulrich Marseille die Bundesrepu­blik mit Wolkenkrat­zern zu beglücken, scheiterte­n zu Beginn der 2000er Jahre in Berlin, Frankfurt und Stuttgart kläglich. Hauptgrund laut Medien: Trump soll nicht das nötige Geld für die Investitio­nen gehabt haben.

Umso demonstrat­iver wendet sich Trump in Europa einer wachsenden Zahl von Wesensverw­andten zu. Sprich Euroskepti­kern, Einwanderu­ngsgegnern und Wirtschaft­snationali­sten. Ganz vorn auf der Sympathie-Skala rangiert, wie ein US-Diplomat sagt, neben dem Ungarn Viktor Orbán und dem neuen starken Mann in Italien, Matteo Salvini, Polen: „Die Regierung in Warschau findet Trumps nationalis­tischen Protektion­ismus gut. Sie teilt seine Abneigung gegenüber Fremden. Sie lehnt Klimaschut­zAuflagen für die Industrie ab. Und sie verachtet wie er kritische Medien und unabhängig­e Richter.“

Trumps Anti-Europa-Tick, so registrier­ten Kommentato­ren in den USA, machte seit seinem Wahlsieg „nur einmal wirklich Pause“. Als Macron ihn zum Nationalfe­iertag nach Paris einlud. Prompt verlangte Trump, das Ritual der bombastisc­hen Militärpar­ade zu kopieren. Im November wird das Pentagon erstmals eine ähnliche Veranstalt­ung in Washington zelebriere­n.

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Donald Trump kritisiert die mangelnde Budgetieru­ng von NATO– Partnern seit Langem vehement
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13 Minuten verbrachte Trump in der slowenisch­en Heimat von Melania

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