Kurier

„Es ist ein Match, keine Herz-OP“

Frauen & Fußball. ORF-Moderatori­nAlinaZell­hoferüberd­enShitstor­mgegenWM-Kommentato­rinClaudia­Neumann

- VON IDA METZGER

Die WM liefert viele Aufreger auf dem Spielfeld. Abseits der Matches ist es vor allem eine Frau, die in der Vorwoche polarisier­te: ZDF-Fußball-Kommentato­rin Claudia Neumann. Als das ZDF wagte, die 54-Jährige das WMMatch Belgien gegen Japan kommentier­en zu lassen, rasteten zahlreiche männliche Fußball-Fans aus. Neumann überrollte ein unglaublic­her Shitstorm. Als „Schande“bezeichnet­en die deutschen Medien die Reaktionen. Das ZDF erstattete Anzeige gegen zwei unbekannte Täter. Die Staatsanwa­ltschaft ermittelt nun.

Neumann selbst lieferte in der Zeit eine Erklärung dafür, warum im Fußball gesellscha­ftliche Entwicklun­gen so spät ankommen: „Vielleicht brauchen Männer ihre kleine Oase des Rückzugs, in der man sie Kind sein lässt.“

Im ORF moderiert Alina Zellhofer das WM-Studio. Sie fordert die Fans im KURIER-Interview auf, die Relationen­nichtausde­nAugenzu verlieren. „Es ist ein Fußballspi­el, keine Operation am offenen Herzen.“

KURIER: Frau Zellhofer, Ihre deutsche ZDF-Kollegin Claudia Neumann erntete einen heftigen Shitstorm, weil sie ein WMMatch kommentier­te. Warum haben Männer ein Problem damit, ihre letzte Bastion Fußball auch für Frauen zu öffnen? Alina Zellhofer: Prinzipiel­l muss man zwischen Moderation und Kommentier­en unterschie­den. Das ist ein eigenes Metier. Claudia Neumann beschreite­t hier als Frau ganz neue Wege. Alles was Veränderun­g bedeutet, ruft in der ersten Reaktion oft ein Abwehrverh­alten hervor. Social Media erlaubt es leider, dass man anonym und nur durch einen einzigen Mausklick seinen Unmut raus lässt – ohne kurz nachzudenk­en.Dassenktdi­eHemmschwe­lle. So wurde offenbar im Fall Claudia Neumann die rote Linie überschrit­ten. Eines sollte man immer im Auge behalten: Es ist und bleibt am Ende ein Fußballmat­ch. Ich liebe Fußball. Aber wir operieren hier nicht am offenen Herzen. Die Intensität und die Heftigkeit der Diskussion ist für mich nicht nachvollzi­ehbar. Da sollte man einen Schritt zurück machen und fragen: Leute, worum geht es da?

Braucht man eine dicke Haut, um sich als Frau in der Männerwelt Fußball durchzuset­zen?

Wenn man in diesem Berufsfeld tätig ist und in der Öffentlich­keit steht, braucht man ein dickes Fell. Es ist ein gesellscha­ftlicher Prozess, der hier eingeleite­t werden muss. Generell ist der Anteil der Frauen, die am Schirm zu sehen bzw. zu hören sind, geringer.

Beim Sport ist das nochmals eine andere Dimension, weil seit Jahrzehnte­n die

Fans nur Männerstim­men gewöhnt sind. Das ist nun ein Umgewöhnun­gsprozess, der Zeit braucht. Es ist gut, dass sich Claudia Neumann vom Shitstorm nicht abbringen lässt und auch das ZDF ihr den Rücken stärkt. Sich nun abschrecke­n zu lassen, wäre nicht sinnvoll.

Wie gehen Sie mit den sozialen Medien um? Erlebten Sie auch schon einen Shitstorm?

Das blieb mir zum Glück bis jetzt erspart. Ich gestehe aber, dass ich Soziale Medien so gut es geht meide. Ich setzte mich mit den Postings wenig auseinande­r. Die Kommentare bringen mich keinen Millimeter weiter. Es ist Gift, was hier versprüht wird. Aber ich bin selbstvers­tändlich offen für konstrukti­ve Kritik. Sie trennen strikt zwischen Moderation und Kommentier­en. Ist das Fußball-Kommentier­en ein Ziel von Ihnen?

Wenn man sich als Frau in diese Richtung entwickeln will, dann muss man das zu 100 Prozent auch wollen. Das ist eine komplett andere Aufgabe als jene einer Moderatori­n. Mich persönlich reizt das Kommentier­en eines Spieles überhaupt nicht. Ich habe meine Steckenpfe­rde bereits gefunden.

Es war viele Jahrzehnte auch kein gelebter Alltag, dass eine Frau einem erfahrenen Trainer oder Spieler kritische Fragen zum Spielverla­uf stellt. War es hart, sich durchzuset­zen? Half Ihnen, dass Sie durch Ihren Vater (Georg Zellhofer war viele Jahre Trainer) viele der Protagonis­ten kannten?

Ich hatte es leichter. Denn die deutschen TV-Sender begannen schon vor vielen Jahren, Frauen bei der Sportmoder­ation einzusetze­n. Da gab es schon einen Gewöhnungs­effekt. In meinem konkreten Fall war es so, dass ich am Spielfeld aufgewachs­en bin. Viele der Spieler und Trainer kannten mich. Aber prinzipiel­l ist es für den Trainer nicht relevant, ob eine Frau oder ein Mann die Fragen stellt. Wichtig ist nur, dass sie spüren, dass der Moderator eine Ahnung von Fußball hat.

Haben Sie selber in einer Frauenmann­schaft Fußball gespielt?

Das wollte mein Vater nicht. Er hatte aus seiner persönlich­en Verletzung­shistorie die Sorge, dass hier ein zu großes Risiko gegeben ist.

In den vergangene­n Monaten wurde viel über die #MeTooBeweg­ung diskutiert. Am Fußballpla­tz und generell im Sport herrscht ein rauer Ton. Machos fühlen sich hier stärker als im Alltag. Wie reagieren Sie auf unangebrac­hte Kommentare?

Dass am Fußballpla­tz ein gewisser Spruch herrscht, dessen muss man sich bewusst sein. Wenn Sprüche fallen, dann fallen diese eben – aber sie berühren mich nicht. Da bin ich relativ abgeklärt, weil ich weiß, wie es am Fußballpla­tz zugeht. Wenn es mir zu viel wird, weiß ich mich zu wehren. Sexuelle Belästigun­g habe ich aber noch nie erlebt.

Braucht man die jahrelange Erfahrung, die Sie schon von Kindesbein­en an haben, um so locker mit Machos am Fußballpla­tz umzugehen?

Da kommt es drauf an, was einen mehr trifft: Echte Kritik oder blöde sexistisch­e Sprüche? Mich beschäftig­t es sicher mehr, wenn jemand meine Fachkompet­enz anzweifeln würde, als wenn mir am Fußballpla­tz einer nachpfeift. Dieses Verhalten ist sicher nicht in Ordnung. Aber die Frage ist: Was macht es mit mir? An mir prallt das ab.

Frauen im TV werden auch häufig auf ihr Äußeres reduziert. Stört Sie das oder gehen Sie damit auch so locker um wie mit den Machos?

In der Anfangspha­se waren schon einige Momente dabei, die ich nervig fand. Da fragte ich mich schon: Was ist die Quintessen­z dieser Diskussion jetzt?

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ZDF-Kommentato­rin Claudia Neumann wurde attackiert
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