Kurier

Wohnungen werden zu Kurzzeit-Hotels

Immer mehr Wiener vermieten ihr Eigenheim während ihres Urlaubs an andere Reisende

- VON ANNA-MARIA BAUER

„Es muss authentisc­h sein.“Markus Müllegger (37) möchte sich bei Auslandsau­fenthalten wie Zuhause fühlen. Bewusst wurde ihm das 2010, als er beruflich für ein Jahr nach Taipei ging und in einem Appartemen­t-Komplex unterkam. Es gab Pool, Sauna, Dampfbad. „Also alles, was das Herz begehrt. Aber erfüllt hat mich das nicht – weil ich das echte Leben nicht mitbekomme­n hab’.“

Seit seiner Rückkehr nach Wien ermöglicht er anderen Personen, was er selbst nicht erleben konnte: In seinen mittlerwei­le 100 „Vienna Residences“bietet er Wohnungen in normalen Wohnhäuser­n zur Kurzzeitmi­ete an. Zum einen monatsweis­e für berufliche Auslandsau­fenthalte, seit Kurzem auch tageweise für private Urlauber.

Denn im Urlaub in fremder Leute Wohnungen leben – auch das möchten immer mehr Menschen. Das USUnterneh­men Airbnb hat das 2008imrech­tenZeitpun­kterkannt und ist mit mehr 200 Millionen Nächtigung­en seit der Gründung der größte Player in der Privatzimm­ervermittl­ung.

Nun springen andere Unternehme­r auf diesen Zug auf.

Neueinstei­ger

Weniger Arbeit. Mehr Reisen: Vermieten Sie Ihr Zuhause. Plakate mit diesem Slogan waren in den jüngsten Wochen in ganz Wien zu sehen. Auftraggeb­er ist allerdings nicht, wie man vermuten könnte, Airbnb, sondern: Booking.com, Reiseporta­l mit Sitz in Amsterdam.

Von 28 Millionen Nächtigung­smöglichke­iten, die weltweit über die Seite gebucht werden können, sind 5,5 Millionen bereits sogenannte „Homes oder Appartemen­ts“. In Wien sind es aktuell 1400. Darunter fallen auch 19 „Vienna Residences“von Markus Müllegger.

Jedenfalls aber Luft nach oben in dem Segment sieht Olivier Grémillon, Vize-Präsident von Booking.com. Das zeige auch eine aktuelle Umfrage des Unternehme­ns: Da- bei gibt ein Drittel von 57.000 Befragten an, 2018 in einem privaten Appartemen­t nächtigen zu wollen. Eine Studie unter 19.000 Reisenden hatte 2017ergebe­n,dassjederF­ünfte mit dem Gedanken spielt, seine eigene Wohnung als Residenz anzubieten, wenn er selbst auf Urlaub ist.

Und, ergänzt Olivier Grémillon: „Viele Urlauber sind nicht exklusiv Hotel- oder Privatzimm­ergäste. Es kommt immer auch auf den Preis oder die Lage an.“Wie praktisch also, dass man bei beides miteinande­r vergleiche­n könne, meint er.

Faire Bedingunge­n

Während Unternehme­r wie Müllegger und Plattform-Betreiber wie Grémillon das Interesse an Privatunte­rkünften mit Neugier aufnehmen, stehen Hoteliers der Entwicklun­g skeptische­r gegenüber.

Fairer Wettbewerb sei unter den momentanen Rahmenbedi­ngungen nämlich nicht gegeben. Privatverm­ieter würden die Vorteile des Gewerbes genießen, hätten aber keine der vielen Auflagen. Michaela Reitterer, Präsidenti­n der Österreich­ischen Hotelierve­reinigung, fordert von der neuen Stadtregie­rung deshalb „konsequent­es Vorgehen gegen die Para-Hotellerie“.

Es habe zwar vergangene­s Jahr eine Verschärfu­ng der Stadt Wien in puncto Ortstaxe gegeben. Reitterer bezweifelt aber, dass Personen, die rechtswidr­ig untervermi­eten, Steuern und Ortstaxe abführen und somit unter dem Radar laufen.

Und: Mit dem größten Player, Airbnb, hat die Stadt bis dato keine Einigung erzielen können. Man sei in guten Verhandlun­gen, heißt es aus dem Büro des Wirtschaft­sstadtrats Peter Hanke (SPÖ).

Hoffnungsv­oll blickt Reitterer auf die für Herbst angekündig­te Novelle der Bauordnung.Dabeisolle­ndannreine Wohnzonen geschaffen werden.

Dem blickt Markus Müllegger sorgvoll entgegen: Er warnt die Stadt davor, sich in ganzen Grätzeln die Chance auf Kurzzeitap­partements zu verbauen. Schließlic­h gebe es eine große Nachfrage.

Die Österreich­ische Hotelierve­reinigung fordert indes die Einführung einer Registrier­ungspflich­t, wie es etwa in Japan oder Barcelona der Fall ist. Dort dürfen nur jene Personen ihre Wohnungen und Häuser anbieten, wenn sie sich eine offizielle Registrier­ungsnummer holen.

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Urlaube sollen „authentisc­h“sein. Deshalb zieht es viele Reisende in Privatunte­rkünfte
 ??  ?? Michaela Reitterer: „Erwarte mir Vorgehen gegen Parahotell­erie“
Michaela Reitterer: „Erwarte mir Vorgehen gegen Parahotell­erie“
 ??  ?? Oliver Gremillon: „Wir sehen viel Potenzial in Appartemen­ts“
Oliver Gremillon: „Wir sehen viel Potenzial in Appartemen­ts“

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