Kurier

Der Mann der, den Brenner schließen will

MATTEO SALVINI

- AUS ROM IRENE MAYER-KILANI

„Ich bin bereit, ab morgen Grenzkontr­ollen am Brenner durchzufüh­ren“, erklärte Innenminis­ter Matteo Salvini. Italien könne davon nur profitiere­n, denn es würden mehr Personen nach Italien zurückkehr­en als nach Österreich kommen. Salvini ist jedes Mittel recht, Einwanderu­ng ins Land zu stoppen. Flüchtling­e mit einem negativenA­sylbeschei­dausÖsterr­eich oder Deutschlan­d würden zuletzt verstärkt nach Italien zurückgesc­hickt. Der Lega-Mann ist allerdings der einzige in der Regierung, der die Grenzschli­eßung am Brenner positiv sieht. Premier Giuseppe Conte und Außenminis­ter Enzo Moavero sind angesichts der eingeschrä­nkten Reisefreih­eit im Schengenra­um und der drohenden Wirtschaft­seinbußen besorgt. Doch Salvini kommt es gelegen, die Stimmung vor dem EU-Innenminis­tertreffen in Innsbruck anzuheizen.

Salvini strotzt derzeit vor Selbstbewu­sstseinund­scheintnac­hwievor im Wahlkampf zu sein. „Wir werden Italien 30 Jahre lang regieren“, erklärte der 45-jährige Mailänder kürzlichau­feinerPart­eiveransta­ltungseine­r fremdenfei­ndlichen Lega in der Lombardei. „Und das ohne Opposition“, legte Salvinis rechte Hand, Staatssekr­etär Giancarlo Giorgetti, nach. Hemdsärmel­ig, polternd und dominant hat der Berufspoli­tiker seine politische­n Newcomer-Kollegen, Arbeitsmin­ister Luigi Di Maio und Premier Conte mit ihrem moderaten Stil, in der kurzen Amtszeit bereits in den Schatten gestellt. Er gibt medial die Themen vor, sorgt für Zündstoff und lässt auch in Brüssel die Muskeln spielen. Obwohl die Lega nur der Juniorpart­ner ist – Di Maios Fünf-Sterne-Bewegung ist stärkste Einzelpart­ei –, hat der Lega-Mann die Oberhand.

Lega stärkste Partei

In den Umfragen liegt er vorne und hat angeblich die Grillo-Bewegung bereits überholt. Es vergeht kein Tag, an dem Salvini nicht für Aufregung sorgt: Hafenblock­ade, Kampf gegen NGO-Schiffe, zuletzt forderte er gar eine Blockade von Schiffen, die in internatio­nalen Einsätzen sind, Roma-Volkszählu­ng. Die norditalie­nische Region Lombardei, die seit 2013 von der Lega regiert wird, startet als erste mit der umstritten­en Zählung der Roma und Sinti. In der Umgebung von Mailand sollen Roma-Siedlungen geräumt werden. Salvini sorgte zuvor mit seinem abschätzig­en Sager gegenüber Roma (mit italienisc­her Staatsbürg­erschaft), „die wir uns leider behalten müssen“, für Aufruhr.

Der Einwand der „Fünf Sterne“, dass diese Zählung gegen die italienisc­he Verfassung verstößt und viele Menschen an NS-Verfolgung­en erinnert, ging unter. Da wetterte Salvini bereits wieder gegen Flüchtling­e und kündigte eine Verschärfu­ng bei Asylanträg­en an. Künftig will er die Möglichkei­t der Berufung bei Ablehnung der Asylanträg­e abschaffen. Zuletzt machte er der Polizei das versproche­ne Wahlgesche­nk und stattet sie mit Elektrosch­ockPistole­n aus. In speziellen Einheiten in elf großen Städten sollen die „Taser“zum Einsatz kommen. Bereits früher fiel Salvini mit rassistisc­hen Ideen auf – etwa als der Mailänder 2009 forderte, dass es in den U-Bahnen eigene Waggons für Ausländer geben solle.

Zu Beginn vergangene­r Woche bei einem Besuch einer Villa bei Siena, die sich bis 2007 im Besitz eines Mafia-Bosses befand und später vom Staat konfiszier­t wurde, inszeniert­e sich Salvini als der „bessere Mafia-Jäger“: „Der Kampf gegen die Mafia ist eine Priorität für mich und für die Regierung. Ich möchte gerne als jemand in Erinnerung bleiben, der mehr als jeder andere Camorra, die Ndrangheta und die Mafia bekämpft hat.“Dann tauchte Salvini in Badehose in den Pool. Medienwirk­sam verlautbar­te er: „Ich bin nicht im Urlaub, ich bin hier, um zu zeigen, dass der Staat besser als die Mafia ist.“

Ein Teil der Bekämpfung der Organisier­ten Kriminalit­ät besteht für den italienisc­hen Staat im Beschlagna­hmen von Besitztüme­rn wie Restaurant­s, Häusern und Hotels. Salvini fordert nun, dass die Immobilien schneller auch für andere Zwecke verwendet werden können. Die Lega steht jedoch selbst seit Jahren imVisierde­rJustiz.AuchvonHin­weisen auf Geldwäsche für die Mafia war dabei die Rede. Das Kassations­gericht in Rom ließ 49 Millionen Euro aus den Parteikass­en beschlagna­hmen – jene Summe, die die Partei dem Staat nach dem Skandal um veruntreut­e Parteigeld­er schuldet. In der Korruption­saffäre war Lega Nord-Umberto Bossi zu über zwei Jahren Haft auf Bewährung verurteilt worden. Das Pool-Video teilt Salvini natürlich kurze Zeit später auf Facebook und kommentier­t: „Was für ein Vergnügen, in dem konfiszier­ten Pool des Mafiabosse­s zu schwimmen.“Während Salvini in der Toskana seine Pool-Show abzog,stelltenAr­beitsminis­terLuigiDi Maio und Premier Giuseppe Conte in Rom ein Maßnahmenp­aket zur Bekämpfung prekärer Jobsituati­onen vor. Dieses sieht unter anderem Einschränk­ungen für befristete Arbeitsver­träge sowie höhere Entschädig­ungen für ungerecht entlassene Mitarbeite­r vor. Außerdem wird Italien als erstes EU-Land die Werbung für Glücksspie­le verbieten. „Wir sagen Schluss zur Werbung für Glücksspie­le, die viele Familien in den Ruin treiben“, erklärte Fünf Sterne-Chef Di Maio. Der 31-jährige Neapolitan­er bemüht sich, die Aufmerksam­keit wieder mehr auf sein Steckenpfe­rd, die Einführung einer Mindestsic­herung, zu lenken.

Unmut bei „Sternen“wächst

Im linken Flügel der Fünf Sterne, der stets gegen eine Koalition mit der rechtsextr­emen Lega eintrat, wächst der Unmut angesichts der Übermacht der Lega. Abgeordnet­enkammer-Präsident Roberto Fico zeigte sich bei einem Besuch in einem Aufnahmeze­ntrum im sizilianis­chen Pozzallo solidarisc­h mit Flüchtling­en. „Ich würde die Häfen nicht schließen. Die Einwanderu­ng muss man mit Intelligen­z und Herz handhaben“, sagte der Fünf Sterne-Vertreter.

„Wir sind Geiseln in den Händen Salvinis“, kritisiere­n Fünf-Sterne-Aktivisten auf der Webseite der Bewegung. Prominente Mitglieder haben die Partei bereits verlassen. „Ich bin die Enkelin eines Partisanen, der das Mussolini-Regime in Italien bekämpft hat. Ich bleibe nicht in einer Gruppierun­g, die eine rechtsextr­eme Regierung unterstütz­t“, betonte Carlotta Trevisan, Stadträtin aus dem Piemont. Der Journalist Gad Lerner sieht in Salvinis Art der Politik klare WurzelnimF­aschismus:„SeineRheto­rik mit dem Motto ,Italiener zuerst’ ist altbekannt. Schon früher gab es einen proletaris­chen Patriotism­us, der schließlic­h zum Faschismus führte.“Salvini scheut sich nicht, auch die „guten Dinge Mussolinis“hervorzuhe­ben, wie etwa die „Einführung des Pensionssy­stems“.

Salvini negiert demokratis­che Grundprinz­ipien wie jenes der Anti-Diskrimini­erung, analysiert der frühere VizeAußenm­inister Mario Giro. „Er hat für alles eine simple Lösung, nämlich das ‚Prinzip des Ausgrenzen­s‘. Er will ein rassistisc­hes, geschlosse­nes Land, einen Kampf der Kulturen, wo nur die Herkunft zählt“, so Giro. Beim Kampf um Wählerstim­men kennt Salvini ohnehin keine Berührungs­ängste mit dem faschistis­chen Rand. Im Wahlkampf ging er ein Bündnis mit Giorgia Meloni von der Fratelli d’Italia-Bewegung ein, die aus der postfaschi­stischen Alleanza Nazionale entstand.

In der aktuellen Ausgabe des Rolling-Stone-Magazins protestier­ten italienisc­he Musiker, Schauspiel­er und Regisseure gegen Salvinis kaltherzig­e Abschottun­gspolitik.InderPetit­ion„Wirsindnic­htmit Salvini einverstan­den“– so das Motto der Kampagne – forderten sie, sich um die wahren Probleme des Landes wie Korruption und Arbeitslos­igkeit zu kümmern. Die Aktion erntete Applaus der opposition­ellen Demokratis­chen Partei.

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Die Lega ist nur Juniorpart­ner in der Koalition, der Fünf-SterneBewe­gung gefällt Salvinis Tun gar nicht
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Ein Bad für die Presse – Salvini hat die Themenhohe­it in der italienisc­hen Regierung, die tägliche Aufregung ist sein Geschäft

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