Warum Menschen den Roboter spielen
Fake. Hinter vielen Dienstleistungsplattformen mit angeblich künstlicher Intelligenz stecken eigentlich menschliche Mitarbeiter
Dank digitaler Assistenten wie Amazons Alexa und Apples Siri sind Gespräche mit Robotern mittlerweile keine Besonderheit mehr. Doch man sollte aufpassen, was man gegenüber den vermeintlich virtuellen Gesprächspartnern sagt – oft steckt eigentlich ein Mensch dahinter. Obwohl für viele Tech-Konzerne kein Problem unlösbar scheint, ist die Entwicklung von künstlicher Intelligenz (KI) ein zeitaufwendiges und kostspieliges Unterfangen. Als Zwischenlösung greifen immer mehr Unternehmen, von Google und Facebook bis hin zu kleinen Start-ups, auf Menschen zurück, die den Roboter spielen.
Das Vorgehen wird als die „Zauberer von Oz“-Methode bezeichnet. Benannt nach dem gleichnamigen Kinderbuch, in dem ein alter Mann vorgibt, Zauberkräfte zu besitzen, nehmen hier Menschen die Rolle von Ro- botern ein. Die Methode wird vor allem von Start-ups eingesetzt, die so überprüfen können, ob sich eine Geschäftsidee lohnt. Doch zuletzt haben auch große Konzerne den „Zauberer von Oz“für sich entdeckt.
KI-Experimente
Facebooks „M“versprach beispielsweise, ein echter persönlicher Assistent zu sein. Seien es nun Blumen, die zum Geburtstag an die Mutter geschickt werden sollten, oder eine spontane Flugbuchung: Der vermeintliche KI-Dienst übernahm auch komplexe Aufgaben. Tatsächlich standen dahinter aber mehrere dutzend Mitarbeiter, die die Anfragen kategorisieren sollten. Anfang 2018 stellte Facebook den Dienst ein, der nur von wenigen hundert Personen in San Francisco genutzt werden konnte. Die Vorzüge der Methode sind klar: Man erspart sich die kostspielige Entwicklung einer Technologie und kann diese sofort im Alltag erproben. Doch zugleich wirft der „Zauberer von Oz“vor allem ethische Fragen auf. Wie Studien zeigen, verhalten sich Menschen gegenüber Computerprogrammen ehrlicher und offener – auch weil sie keine Angst haben, von ihrem Gegenüber verurteilt zu werden. Problematisch wird es, wenn persönliche Daten nicht wie angegeben verarbeitet werden. Erst vergangene Woche sorgte ein Bericht des Wall Street Journal für Aufsehen, wonach Unternehmen eMails von seinen Mitarbeitern lesen ließen, die Nutzer mit Googles Dienst Gmail empfangen hatten.
Lösungen gesucht
Viele Unternehmen überschätzen zudem ihre Fähigkeiten und müssen verstärkt auf Menschen zurückgreifen, um ihre Versprechen einhalten zu können. Das beste Beispiel dafür lieferte das deutsche Start-up GoButler, das wie Facebooks „M“ein „digitaler Concierge“sein sollte. Weil die KI-Technologie fehl- te, mussten rund um die Uhr Menschen Anfragen beantworten. Der Aufwand war dermaßen groß, dass die Mitarbeiter nicht einmal für die Mittagspause den Schreibtisch verlassen durften. Zu Spitzenzeiten mussten Mitarbeiter bis zu zehn Anfragen gleichzeitig beantworten. Der Dienst wurde 2016 endgültig eingestellt. Auch Facebook und Google, die seit Jahren das Potenzial von künstlicher Intelligenz betonen, mussten zuletzt verstärkt in menschliche Mitarbeiter investieren. Viele komplexe Aufgaben, wie das Erkennen von rechtlich und moralisch fragwürdigen Inhalten, werden nach wie vor an Menschen ausgelagert. Insbesondere Facebook, das immer wieder auf das Potenzial künstlicher Intelligenz verweist, investiert verstärkt in menschliche Moderatoren. Allein dieses Jahr soll die Zahl der für Gemeinschaft und Sicherheit zuständigen Mitarbeiter von 10.000 auf 20.000 verdoppelt werden.