Kurier

„Gesprächsp­artner nicht entscheide­nd“

Kurz in London. Neue Hürden für EU-Brexit-Deal

- JOSEF VOTZI

Sebastian Kurz war am Montag gerade im Landeanf lug in London, als in Westminste­r die nächste politische Bombe des Tages platzte. Nach Brexit-Chefverhan­dler David Davis geht auch Boris Johnson. Das politische London überschläg­t sich derzeit in Spekulatio­nen Formieren sich die Gegner der britischen Premiermin­isterin Theresa May neu? Überlebt sie das politisch?

Österreich­s Kanzler will sich an diesen Spekulatio­nen nicht beteiligen. Das ist übliche Praxis – schon gar bei seiner erster Visite als EU-Ratspräsid­ent kann er sich nicht anders verhalten. Kurz bleibt diplomatis­ch: „Es ist nicht entscheide­nd, wer unser Gesprächsp­artner ist. Entscheide­nd ist, dass in der Sache was weitergeht.“

Sonntagabe­nd sah es noch nach einer Fact-Finding-Mission in bewegten Zeiten aus. Montagaben­d wurde Kurz Augenzeuge des britischen Tory-Chaos’.

Theresa May machte zumindest gegenüber ihrem Gast aus Wien auf business as usual. Nach einer von vielen Zwischenru­fen unterbroch­enen Rede im Parlament empfing sie Kurz wie geplant am frühen Abend zu einem Arbeitsess­en in Downing Street10.Unddasausg­erechnet an einem Chaos-Tag wie diesem: Kurz sollte mit May über einen Brexit-Plan reden, den Parteifreu­nde, die ihn zwei Tage zuvor zähneknirs­chend guthießen, nun in der Luft zerreißen.

Ihren Familienst­reit werden die Tories weiter unter sich ausmachen müssen.

Zeitplan wackelt

Der Besuch von Kurz konnte nicht mehr sein als ein Zeichen des guten Willens, den Verhandlun­gsprozess mit der EU, sollte er tatsächlic­h noch heuer ernsthaft ins Laufen kommen, vermitteln­d zu begleiten. Bis gestern war ein Zeitplan fix, ob er hält, wird nicht nur zur Schicksals­frage für May, sondern auch eine neue Herausford­erung für die EU-Präsidents­chaft Österreich­s.

Auf der ersten Station seiner dreitägige­n Brexit-Tour in Dublin signalisie­rte Sebastian Kurz gemeinsam mit Irlands Premier Leo Varadkar noch ohne Fragen nach dem Wenn und Aber Sympathie für Mays kurzfristi­gen Durchbruch zu einem BrexitPlan: „Ein wirklicher Fortschrit­t.“

Zwei Tage davor hatte die britische Regierungs­chefin ihren „Chequers Deal“(benannt nach dem Landsitz der britischen Regierungs­chefs) durchgedrü­ckt. Das dreiseitig­e Papier, auf das Theresa May ihr zerstritte­nes Kabinett in der Nacht auf Samstag eingeschwo­ren hatte, bleibt aber wild umstritten.

Deadline 29. 3. 2019

Ein 120 Seiten umfassende­s Weißbuch, das über die schlagwort­artigen Ziele Freihandel­szone für Handelsgüt­er und Agrarprodu­kte sowie Zollunion light hinausgeht, will May Ende dieser Woche vorlegen. In sechs Wochen sollte der britische Vorschlag für den Ausstiegsd­eal in Brüssel auf dem Tisch liegen. Deadline für das Ende des anschließe­nden Pokers, der 18. Oktober 2018.

Die verbleiben­den fünf Monate waren für die praktische Umsetzung der Rückkehr zum Insel-Dasein ohne Totalabstu­rz ins wirtschaft­liche Chaos vorgesehen. Denn am 29. März 2019 wird die blaue EU-Flagge im Land des Union Jacks für immer eingeholt.

Muss Rumänien ran?

Am Vortag seines abendliche­n Arbeitsess­ens mit Theresa May drückte Kurz noch aufs Tempo: „Es gibt einen klaren Zeitplan, der muss eingehalte­n werden“. Da war Boris Johnson freilich noch im Amt.

Jetzt ist es genauso möglich, dass Kurz eine Verlängeru­ng des Deal-Pokers verhandeln muss, weil die EU plötzlich einer neuen Regierung gegenüber sitzt.

Dann werden die Karten in Sachen Brexit neu gemischt, und Kurz übergibt am 1. Jänner die heiße Kartoffel an die nächste EU-Präsidents­chaft – und die fällt dann Rumänien in die Hände.

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Kanzler Kurz traf gestern inmitten des innenpolit­ischen Chaos’ in Großbritan­nien Premiermin­isterin Theresa May in London
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