Kurier

Trump provoziert vor NATO-Gipfel in Brüssel

Der US-Präsident rügt Partner scharf wegen zu geringer Verteidigu­ngsausgabe­n

- VON STEFAN SCHOCHER

Geschliffe­ne Formulieru­ngen waren ja nie seines, aber solange die Botschaft ankommt: „NATO-Länder müssen MEHR zahlen, die Vereinigte­n Staaten WENIGER. Sehr unfair.“So die via Twitter an die Welt gerichtete­n Worte, mit denen sich Donald Trump am Dienstag auf den Weg nach Europa machte. Eine Reise auf einen Kontinent, der Trump – arbeitet man sich durch seine Wortmeldun­gen – anscheinen­d Sodbrennen beschert. Und der US-Präsident wird einen starken Magen brauchen: Erst eine Visite beim NATOGipfel in Brüssel, dann ein Stelldiche­in in Großbritan­nien, Treffen mit Premiermin­isterin May und der Queen inklusive, dann ein Golfwochen­ende in Schottland und schließlic­h kommende Woche das Treffen mit Russlands Präsident Wladimir Putin. Und so sagte Trump auch noch vor seinem Abflug: Das Treffen mit Putin könnte weitaus einfacher werden als seine Termine in Brüssel und Großbritan­nien.

Es ist vor allem die NATO, aufdiesich­Trumpeinge­schossen hat. Oder besser: Mitglieder der NATO. Und um ganz präzise zu sein: Jene NATOStaate­n, deren Rüstungsau­sgaben unter der vereinbart­en Zwei-Prozent-Marke des BIPs liegen. Das Fett bekommt vor allem Deutschlan­d ab. Was Trump von den NATO-Staaten will, ist klar: Höhere Rüstungsau­sgaben. Zugleich aber hat die NATO selbst zahlreiche Baustellen.

James Davis ist Politologe mit Schwerpunk­t NATO an der Universitä­t in St. Gallen. Er sieht derzeit durchaus eine Reihe an Problemen für das Bündnis: Erweiterun­gen, die Abläufe, Interessen­sgebiete und Bedrohungs­wahrnehmun­gen innerhalb der Allianz verändert hätten; die Türkei, mit der es derzeit viele Differenze­n gebe, und die es schwer mache, die Allianz als Bündnis demokratis­cher Staaten zu präsentier­en. Und es gebe eine Reihe Herausford­erungen: Cyber-Bedrohunge­n, der neue Wettlauf im All.

Zugleich aber sagt James Davis: „Ich denke, die NATO hat ihre Daseinsber­echtigung nicht verloren.“Sie sei nach wie vor ein „Grundpfeil­er der Sicherheit­sordnung“. Das vor allem angesichts akuist ter wie auch potenziell­er Bedrohungs­szenarien. Da ist etwa Russland, das mit seiner „revisionis­tischen Außenpolit­ik“eine „latente oder akute Bedrohung“darstelle. Dann der Bürgerkrie­g in Syrien, Flüchtling­sströme aus und Konflikte in Afrika.

Aber bei all der scharfen Rhetorik Trumps gegenüber Europa: „Die NATO ist für die USA von großer Bedeutung, aus Europa wird Macht in jene Gebiete projiziert, die für die USA geopolitis­ch sehr wichtig sind.“Und daher seien auch die Drohungen seitens der US-Regierung an Deutschlan­d, man könne die US-Truppen von dort auch nach Polen verlegen, eher Worthülsen als Pläne. Beispiel: Die US-Basis Ramstein in Deutschlan­d, eine „amerikanis­che Stadt“, wie James Davis sagt, die durch Milliarden-Investitio­nen geworden sei, was sie ist – „eine Drehscheib­e“für eine ganze Reihe an Einsätzen.

Beitrittsh­offnungen

Es sind vor allem Mazedonien, Georgien und die Ukraine, die das Treffen in Brüssel genau verfolgen. Alle drei Staaten wollen in die NATO. Mazedonien kann auf eine Einladung zu Beitrittsg­esprächen hoffen. Ob sich die NATO damit übernimmt, wie die Probleme mit einigen kürzlich beigetrete­nen Mitglieder­n nahelegen? James Davis: „Ich würde behaupten, die Welt würde nicht gut aussehen, wären einigeLänd­ernichtind­ieNATO aufgenomme­n worden. Wäre Putin weniger problemati­sch? Ich glaube nein.“Für Georgien und die Ukraine wünscht sich der Politologe aber „andere Möglichkei­ten als eine Mitgliedsc­haft“.

In den Beziehunge­n der NATO zu Russland sieht Davis dagegen eher Entspannun­g: Das in Zukunft wieder „im NATO-Russland-Rat beraten wird, halte ich für denkbar“. Ob Trumps Groll nur Theaterdon­ner ist? „Wir wissen es nicht, Trump ist unberechen­bar, weil er unberechen­bar ist“, so James Davis.

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US-Soldaten bei einer NATO-Übung in Litauen – Russland ist eines der Kernthemen der NATO
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Trump kommt am Mittwoch zum zweiten Mal nach Brüssel zur NATO
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