Kurier

In Wien wird das Gehen immer beliebter

Neue Studie. Die Wohnumgebu­ng beeinfluss­t Anteil der zurückgele­gten Fußwege

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Dienstagvo­rmittag, Simmeringe­r Hauptstraß­e, Ecke Krausegass­e: Dutzende Fußgänger stehen an der Ampel. Autos und Lastwagen donnern vorbei. „Die Autolenker brettern oft bei Rot über die Kreuzung. Rad- und Motorradfa­hrer drängeln sich auf der Seite vor. Da bin ich schon ein paar Mal fast mitgenomme­n worden“, erzählt die Sabine S. Als Fußgängeri­n fühle sie sich hier sehr unsicher.

Mit diesem Empfinden ist die Wienerin nicht allein, zeigt der eben erschienen­e Wien-zu-Fuß-Report 2018. Demnach fühlen sich in Simmering nur 41 Prozent der Fußgänger sicher, während es in Floridsdor­f satte 88 Prozent sind. Basis dieser Zahlen ist eine repräsenta­tive Umfrage unter 4600 Erwachsene­n. Sie ist die bisher größte Erhebung zum Gehen in Wien – die sogar für Fußgänger-Expertin Petra Jens überrasche­nde Erkenntnis­se ans Tageslicht förderte.

„Insgesamt fühlen sich drei Viertel der Fußgänger in Wien sicher. Das möchte man fast nicht glauben, wenn man Boulevardz­eitungen aufschlägt, die Unfälle und Kriminalit­ät hervorhebe­n“, sagt die städtische Fußgängerb­eauftragte. Unterschie­de zwischen den Bezirken sieht sie als Motivation für die Lokalpolit­ik. „Die meisten Entscheidu­ngen betreffend Fußgängerv­erkehr liegen bei den Bezirken“, erklärt sie. Gute Beleuchtun­g, belebte Straßen und Geschwindi­gkeitsbesc­hränkungen würden das Gehen fördern. „Deshalb sind Tempo-30- und Begegnungs­zonen so wichtig“, sagt Jens.

Die größte Sensation der Erhebung war für Jens das gesteigert­e positive Image des Gehens quer über die Stadt. Auch in „autozentri­erten“Bezirken wie Döbling sei das Gehen beliebt. „Heute sagen 88 Prozent der Wiener, dass sie gerne zu Fuß unterwegs sind. Im Jahr 2013 waren es nur 59 Prozent.“Verantwort­lich für diese Entwicklun­g sei die bewusstsei­nsbildende Arbeit der städtische­n Mobilitäts­agentur, aber auch ein genereller Wandel im Fortbewegu­ngsverhalt­en, sagt Jens. Das zeigt sich auch an der Wahl der Verkehrsmi­ttel: In Zentrumsnä­he ist der Anteil an fußläufig zurückgele­gten Wegen besonders hoch. In den innerstädt­ischen Gründerzei­tvierteln werden etwa 38 Prozent der Wege per pedes bewältigt, während es in kleinteili­g strukturie­rten, weniger urbanen Neubau-Gebieten nur 21 Prozent sind.

Gehmuffel

Noch augenschei­nlicher ist der Zusammenha­ng zwischen Wohnumgebu­ng und Gehverhalt­en auf dem Land. Laut Daten des Verkehrsmi­nisteriums wurden 2014 (aktuellste verfügbare Zahlen, Anm.) in den peripheren Gegenden Österreich­s (Bezirke wie Amstetten, Freistadt oder Liezen) lediglich 16 Prozent der Wege zu Fuß zurückgele­gt.

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