In den Fängen der Scharlatane
Betrugsmasche. Dreifache Mutter lockte Bankerin (59) fast eineinhalb Millionen Euro heraus
Handlesen, Wahrsagerei und das Versprechen vom großen Gewinn. Dass es Scharlatane mit perfiden Methoden immer wieder schaffen, unbedarften Menschen sprichwörtlich ihren letzten Cent aus der Tasche zu ziehen, ist ein weit verbreitetes Phänomen. Was einer 32-jährigen dreifachen Mutter jedoch im niederösterreichischen Bezirk Amstetten gelungen sein soll, stellt vermutlich alles bisher Dagewesene in den Schatten. Die Verdächtige hat es geschafft, der Filialleiterin einer großen Bank im Mostviertel fast 1,5 Millionen Euro herauszulocken – 200.000 Euro Erspartes der 59-Jährigen Bankerin sowie sageundschreibe1,28Millionen Euro an Spareinlagen der Bankkunden. Vergangene Woche klickten für beide Damen wegen des Verdachts der Untreue beziehungsweise schweren Betrugs die Handschellen. Sie sitzen in Untersuchungshaft, bestätigt ein Sprecher der Staatsanwaltschaft St. Pölten.
Der Beginn der verhängnisvollen Bekanntschaft zwischen der Bankerin und der Mutter eines ein-, acht- und zwölfjährigen Kindes entstand 2013, als die Frau in der Bankfiliale Kundin war. „Sie erzählte ihr immer wieder von finanziellen Engpässen und dem Unfall eines Kindes. Damit dürfte sie so viel Mitleid erhascht haben, dass die Bankangestellte ihr wöchentlich Geld gab. Anfangs von ihrem eigenen Privatvermögen“, erklärt ein Ermittler.
Später sollen die Vorwände immer dreister geworden sein. Die 32-jährige Frühpensionistin soll sich als eine Art Wahrsagerin ausgegeben haben, die in einer Glaskugel einen „großen Gewinn“für die Bankerin kommen gesehen hat. Sie soll ihr das Geld samt einem großen Bonus versprochen haben, wenn sie ihr noch einmal mit Barem aushelfen würde.
Als die eigenen Geldreserven der Familie aufgebracht waren, soll sich die Filialleiterin an den Spareinlagen der Bankkunden bedient haben. „Es wurde hauptsächlich Geld von lange unbewegten Sparbüchern abgezweigt“, erklärt der Direktor der großen Regionalbank im Gespräch mit dem KURIER. „Wir verstehen einfach nicht, welche seltsame Verbindung es zwischen den beiden Frauen gegeben hat. Sie waren sogar per Sie mit einander. Für so jemanden setze ich doch nichtmeinegesamteExistenz aufs Spiel“, sagt der Direktor. Die Mitarbeiterin war fast 35 Jahre im Unternehmen undstandnurwenigeMonate vor ihrer Pensionierung.
Für die renommierte Gerichtspsychiaterin Sigrun Roßmanith ist das Phänomen ganz leicht erklärbar. „Man kennt das aus der Literatur von Sekten oder Gurus, denen die Leute ihr gesamtes Vermögen vermachen. Meistens sind es Menschen denen es gelingt, manipulativ eine gewisse Abhängigkeit zu schaffen“, sagt Roßmanith. „Nur wenn die Harmonie stimmt, schafft man es eine vertrauensvolle Stimmung aufzubauen. Ob man dabei per Du oder per Sie ist, spielt gar keine Rolle wenn die Chemie stimmt“, erklärt die Psychiaterin. Von so einem Talent der Manipulation könnten sich Psychotherapeuten für ihre Arbeit etwas abschauen, scherzt Roßmanith.
Kriminelle Zwecke
Gerade ältere Menschen, solche mit einem geringen Selbstwertgefühl oder einer Art Helfersyndrom, sind laut der Expertin besonders anfällig, für fremde oder kriminelle Zwecke missbraucht zu werden.
Aufgeflogen ist der Fall, als im Zuge von Restrukturierungsmaßnahmen der Bank die Innenrevision auf Unregelmäßigkeiten gestoßen ist. Außerdem sind Inhaber von Sparbüchern auf die fremden Geldbehebungen aufmerksam geworden. Die Bank ist jedenfalls für den Schaden an ihren Kunden aufgekommen. Laut Ermittlern des nö. Landeskriminalamtes soll die 32-jährige Verdächtige einen Großteil des Vermögens beim Glücksspiel verjubelt haben.
„Von so einem Talent der Manipulation könnten sich Psychotherapeuten etwas abschauen.“Sigrun Roßmanith
Psychiaterin und Neurologin