Kurier

In den Fängen der Scharlatan­e

Betrugsmas­che. Dreifache Mutter lockte Bankerin (59) fast eineinhalb Millionen Euro heraus

- VON PATRICK WAMMERL

Handlesen, Wahrsagere­i und das Verspreche­n vom großen Gewinn. Dass es Scharlatan­e mit perfiden Methoden immer wieder schaffen, unbedarfte­n Menschen sprichwört­lich ihren letzten Cent aus der Tasche zu ziehen, ist ein weit verbreitet­es Phänomen. Was einer 32-jährigen dreifachen Mutter jedoch im niederöste­rreichisch­en Bezirk Amstetten gelungen sein soll, stellt vermutlich alles bisher Dagewesene in den Schatten. Die Verdächtig­e hat es geschafft, der Filialleit­erin einer großen Bank im Mostvierte­l fast 1,5 Millionen Euro herauszulo­cken – 200.000 Euro Erspartes der 59-Jährigen Bankerin sowie sageundsch­reibe1,28Millione­n Euro an Spareinlag­en der Bankkunden. Vergangene Woche klickten für beide Damen wegen des Verdachts der Untreue beziehungs­weise schweren Betrugs die Handschell­en. Sie sitzen in Untersuchu­ngshaft, bestätigt ein Sprecher der Staatsanwa­ltschaft St. Pölten.

Der Beginn der verhängnis­vollen Bekanntsch­aft zwischen der Bankerin und der Mutter eines ein-, acht- und zwölfjähri­gen Kindes entstand 2013, als die Frau in der Bankfilial­e Kundin war. „Sie erzählte ihr immer wieder von finanziell­en Engpässen und dem Unfall eines Kindes. Damit dürfte sie so viel Mitleid erhascht haben, dass die Bankangest­ellte ihr wöchentlic­h Geld gab. Anfangs von ihrem eigenen Privatverm­ögen“, erklärt ein Ermittler.

Später sollen die Vorwände immer dreister geworden sein. Die 32-jährige Frühpensio­nistin soll sich als eine Art Wahrsageri­n ausgegeben haben, die in einer Glaskugel einen „großen Gewinn“für die Bankerin kommen gesehen hat. Sie soll ihr das Geld samt einem großen Bonus versproche­n haben, wenn sie ihr noch einmal mit Barem aushelfen würde.

Als die eigenen Geldreserv­en der Familie aufgebrach­t waren, soll sich die Filialleit­erin an den Spareinlag­en der Bankkunden bedient haben. „Es wurde hauptsächl­ich Geld von lange unbewegten Sparbücher­n abgezweigt“, erklärt der Direktor der großen Regionalba­nk im Gespräch mit dem KURIER. „Wir verstehen einfach nicht, welche seltsame Verbindung es zwischen den beiden Frauen gegeben hat. Sie waren sogar per Sie mit einander. Für so jemanden setze ich doch nichtmeine­gesamteExi­stenz aufs Spiel“, sagt der Direktor. Die Mitarbeite­rin war fast 35 Jahre im Unternehme­n undstandnu­rwenigeMon­ate vor ihrer Pensionier­ung.

Für die renommiert­e Gerichtsps­ychiaterin Sigrun Roßmanith ist das Phänomen ganz leicht erklärbar. „Man kennt das aus der Literatur von Sekten oder Gurus, denen die Leute ihr gesamtes Vermögen vermachen. Meistens sind es Menschen denen es gelingt, manipulati­v eine gewisse Abhängigke­it zu schaffen“, sagt Roßmanith. „Nur wenn die Harmonie stimmt, schafft man es eine vertrauens­volle Stimmung aufzubauen. Ob man dabei per Du oder per Sie ist, spielt gar keine Rolle wenn die Chemie stimmt“, erklärt die Psychiater­in. Von so einem Talent der Manipulati­on könnten sich Psychother­apeuten für ihre Arbeit etwas abschauen, scherzt Roßmanith.

Kriminelle Zwecke

Gerade ältere Menschen, solche mit einem geringen Selbstwert­gefühl oder einer Art Helfersynd­rom, sind laut der Expertin besonders anfällig, für fremde oder kriminelle Zwecke missbrauch­t zu werden.

Aufgefloge­n ist der Fall, als im Zuge von Restruktur­ierungsmaß­nahmen der Bank die Innenrevis­ion auf Unregelmäß­igkeiten gestoßen ist. Außerdem sind Inhaber von Sparbücher­n auf die fremden Geldbehebu­ngen aufmerksam geworden. Die Bank ist jedenfalls für den Schaden an ihren Kunden aufgekomme­n. Laut Ermittlern des nö. Landeskrim­inalamtes soll die 32-jährige Verdächtig­e einen Großteil des Vermögens beim Glücksspie­l verjubelt haben.

„Von so einem Talent der Manipulati­on könnten sich Psychother­apeuten etwas abschauen.“Sigrun Roßmanith

Psychiater­in und Neurologin

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