Achse der Eigenwilligen
Verschärfungen. Beim Innenminister-Gipfel in Innsbruck prallen Interessen vermeintlich Verbündeter aufeinander
Passanten und Touristen standen am Mittwochvormittag neugierig an den Zäunen, mit deneneinekleineStraßeinder Innsbrucker Innenstadt gesperrt wurde. Die Zufahrt zu einem Vier-Sterne-Hotel neben dem Rathaus sollte für die Anreise der EU-Innenminister freigehalten werden.
Rund 1000 Polizisten und über 1100 Soldaten sind für die Sicherheit beim Treffen der EU-Innen- und Justizminister am Donnerstag und Freitag abgestellt. Um gewaltbereite Demonstranten abzufangen, kontrolliert die Polizei schon seit Montag an den Grenzen am Brenner und bei Kufstein.
„Achse der Willigen“
Unruhe dürfte es intern geben: Im Fokus stehen Verschärfungen in der EU-Asylpolitik. Österreichs Innenminister Herbert Kickl hat als Gastgeber die Aufgabe, die nationalen Einzelinteressen unter einen Hut zu bekommen. Die in der Frage vermeintlich verbündeten Länder Österreich, Italien und Deutschland (die so genannte „Achse der Willigen“) hatten sich bereits im Vorfeld ein GezerreundGeschiebedarum geliefert, wer warum für welche Flüchtlinge nicht zuständig sein möchte.
Wenig Aussicht auf Erfolg hatte am gestern ein Treffen zwischen Deutschlands Innenminister Horst Seehofer (CSU) und seinem italienischen Amtskollegen Matteo Salvini (Lega): Seehofer will ja bilaterale Abkommen aushandeln, damit die Polizei Asylwerber direkt an der Grenze zurückweisen kann. Ein klares Nein kassierte er schon von Österreich. SalviniließSeehoferdasSelbewissen: „Er (Seehofer) will weniger Migration in Deutschland, ich in Italien.“Beide betonten aber die Notwendigkeit des EU-Außenschutzes. Noch im Juli solle die Frage der Binnenmigration gelöst werden.
Erschwerend kommt hin- zu, dass Hardliner wie Seehofer nicht einmal in ihrer eigenen Regierung die nötige Rückendeckung haben. Seehofer, der seit Wochen für seinen Asylkurs kritisiert wird, leistete sich erst kürzlich einen Fauxpas (siehe Artikel), der erneut Rücktrittsaufforderungen laut werden lässt.
Auch in Italien, wo LegaChef Salvini auf „Null Einwanderung“pocht, regt sich innerhalb der Koalition mit der Fünf-Sterne-Bewegung Widerstand. Zuletzt sorgte Salvini mit seinem Anlegeverbot für die 67 Personen, die von dem italienischen Schiff „Vos Thalassa“im Mittelmeer gerettet wurden, für Empörung. Selbst Vize-PremierLuigiDiMaiobezeichnete das als „unvorstellbar“. Gegenüber 2017 sind bisher um 21.000 Flüchtlinge weniger in Italien angekommen.
Die illegale Migration müsse eingedämmt und der Außengrenzschutz verstärkt werden. Darin sind sich die drei „Hardliner“Salvini, Seehofer und Kickl einig.
Am Vorabend des Gipfels bekräftigte Kickl den viel kritisierten Plan, dass „mittel- bis langfristig“gar keine Asylanträge mehr auf EU-Boden behandelt werden sollten. Dem Gastgeber schweben „fliegende Kommissionen“in Krisengebieten vor. Man solle aber nicht „den zehnten Schritt vor dem ersten machen“. Beim Ministertreffen orientiere man sich an den Schlussfolgerungen des europäischen Rates – da ging es etwa um „Ausschiffungsplattformen“für Flüchtlinge, die im Mittelmeer gerettet wurden. Kickl hält es für „das falsche Signal“dort Anträge zuzulassen.
KURIER-Story hat Folgen
Der KURIER berichtete gestern, dass sich in jenem Innsbrucker Lokal, in dem das Innenministerium ein Treffen mit Medienvertretern organisieren wollte, bis vor Kurzem ein Hitlerbild befand. Der Artikel führte nun dazu, dass die Örtlichkeit kurzfristig gewechselt wurde – aus „mehreren Gründen“, wie es hieß.