Kurier

„Kinder wachen bei Raketenang­riff auf“

Terror. Eine Bäuerin skizziert das Leben an der Grenze zum Gazastreif­en. Experte Shalicar erklärt die Bedrohung

- – MARGARETHA KOPEINIG, TEL AVIV

„Was ist das für ein Leben, wenn Kinder bei einem Raketenang­riff aufwachen. Ich schlafe mit meinen zwei Söhnen jede Nacht im Luftschutz­keller“, erzählt Hila Fenlon.

Die Israelin lebt mit ihrer Familie in Nativ HaAsara, einem 800 Einwohner zählenden Ort an der Grenze zum Gazastreif­en. „Bis zu zehn Mal pro Tag heulen die Sirenen, dann müssen wir rasch in den Bunker“, sagt die 40-Jährige, geht in ein Zimmer und holt eine Rakete.

Sie schlug im Garten ihres Hauses ein, abgeschoss­en von der radikal islamistis­chen Hamas, die in der EU als Terrororga­nisation eingestuft ist. „Das ist seit Jahren unser All- tag“, klagt sie und legt das rostige Ding beiseite.

Im Haus, auf dem Spielplatz, im Kindergart­en, in der Schule, überall gibt es Schutzbunk­er, in die die Menschen rennen, wenn es RaketenAla­rm gibt und Geschoße aus dem Gazastreif­en auf Israel abgefeuert werden. Hila Fenlon ist Bäuerin, züchtet Pflanzen und lebt in einer Moshaw, einem genossensc­haftlich organisier­ten Dorf, einer neuen Form des Kibbuz.

Entfremdun­g

Trotz dieser täglichen Bedrohunge­n denkt sie nicht daran, wegzuziehe­n: „Ich bin hier geboren, und ich erinnere mich an Zeiten, als ich mit dem Fahrrad zum Strand gefahren bin.“Über die Zukunft macht sie sich aber große Sorgen: Israelis und Palästinen­ser entfremden sich mehr und mehr voneinande­r. „Ich weiß nicht, wie es der nächsten Generation gehen wird, wir leben hier im Kriegszust­and“, sagt Fenlon. Sie fürchte sich vor Terroriste­n, die über Tunnel in ihr Dorf kommen könnten.

„Im Gazastreif­en herrscht jeden Tag Krieg“, bestätigt auch Arye Shalicar gegenüber einer Gruppe des Strategisc­hen Führungsle­hrganges des Verteidigu­ngsministe­riums, die kürzlich in Israel war. Shalicar ist der Direktor für Auswärtige Angelegenh­eiten im Geheimdien­stministe- rium im Büro des israelisch­en Ministerpr­äsidenten. Die Pläne, aus dem Gazastreif­en nach Israel vorzudring­en, um auf israelisch­em Boden Juden zu ermorden und nach Gaza zu verschlepp­en, beschreibt er als „neues strategisc­hes Instrument der Hamas“.

Bedrohung Iran

Die Hamas kontrollie­rt seit 2007 den Gazastreif­en. Um sie zu schwächen, führte Israel eine Blockade des Palästinen­sergebiete­s ein, die so gut wie keine wirtschaft­liche Entwicklun­g erlaubt. Die Folge: eine humanitäre Krise im Gazastreif­en.

Auch wenn der israelisch­palästinen­sische Konflikt ständig für Gewalt sorgt, für den Sicherheit­sexperten sind radikale Palästinen­ser für den israelisch­en Staat nicht die Bedrohung Nummer 1. „Die Hauptbedro­hung und Israels größter Feind ist der Iran mit seinem Nuklearpot­enzial, dem Raketenpro­gramm, seinen expansioni­stisch-militärisc­hen Aktivitäte­n in Syrien und der gesamten Region. Die zweite große Gefahr für Israel ist die vom Iran unterstütz­te Terrororga­nisation Hisbollah im Libanon. Als drittes Bedrohungs­potenzial folgt die Hamas“, analysiert der Ex-Sprecher der israelisch­en Verteidigu­ngsstreitk­räfte, Politologe und Buchautor.

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Die 40-jährige Israelin Hila Fenlon lebt mit ihrer Familie an der Grenze zum Gazastreif­en. Diese Rakete schlug in ihrem Garten ein

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