Kurier

Kalt-Warm für NATO-Kandidaten

Annäherung. Skepsis gegenüber Tif lis und Kiew, Einladung für Skopje

- – STEFAN SCHOCHER

Bei dem Treffen der NATOMitgli­edsstaaten sowie der NATO-Verbündete­n in Brüssel ist dieses Thema der Elefant im Raum: Russland. In Moskau waren alle Augen dafür auf Brüssel gerichtet.

Just wenige Tage vor dem Gipfel meldete Estland eine Luftraumve­rletzung durch eine russische Iljuschin. Und knapp davor war es eine Reihe symbolisch­er Dekrete von Russlands Präsident Wladimir Putin, die wie eine Andeutung wirkten: Diverse Einheiten der russischen Armee wurden da mit den Namen diverser Orte in Deutschlan­d, Polen, Rumänien, Weißrussla­nd und der Ukraine versehen. Ein Panzer-Regiment heißt jetzt Lvov (der russische Namen für Lviv in der Ukraine), ein anderes Panzer-Regiment Zhytomyr-Berlin.

Freilich, so hieß es dazu aus Moskau, seien diese Namensgebu­ngen ausschließ­lich historisch begründet – durch große Schlachten im Zweiten Weltkrieg. Bei den betroffene­n Staaten, aber nicht nur bei diesen, kommt das ganz anders an – allen voran in Georgien und der Ukraine, die beide eine Mitgliedsc­haft in der NATO anstreben.

Georgien ist da weitaus weiter als die Ukraine. 2008 wurde dem Kaukasus-Staat beim NATO-Gipfel in Bukarest eine Mitgliedsc­haft in Aussicht gestellt. Das war nur Monate vor dem SommerKrie­g, im Zuge dessen russische Truppen tief auf georgische­s Gebiet vorrückten. Georgische Truppen waren auch massiv am NATO-Einsatz in Afghanista­n beteiligt.

Auf politische­r Ebene aber wird Georgien vertröstet. Einen Aktionspla­n zur Mitgliedsc­haft hat das Land nach eigenem Dafürhalte­n abgeschlos­sen. In Tiflis herrscht die Meinung vor, dass eine finale Aufnahme in die NATO nur mehr eine politische, nicht eine formelle Frage sei. Knackpunkt für eine Aufnahme aus Sicht der NATO: In den georgische­n Gebieten Abchasien und Südossetie­n stehen russische Truppen. Russland erkennt Südossetie­n und Abchasien als unabhängig­e Staaten an. Die Rhetorik seitens der NATO und seitens NATOStaate­n gegenüber Tiflis ist aber einigermaß­en klar: Man sehe Georgien als strategisc­hen Schlüsselp­artner und stehe voll hinter der territoria­len Einheit des Landes.

Die Ukraine erhielt 2008 ebenfalls das Verspreche­n einer NATO-Mitgliedsc­haft. Damals war Viktor Juschtsche­nko Präsident. Sein Nachfolger Viktor Janukowits­ch hatte da andere Vorstellun­gen. Entspreche­nd stagnierte die Annäherung. Es folgten die Revolution in Kiew, die Annexion der Krim durch Russland und der bis heute tobende Krieg im Osten. Der gegenwärti­ge Präsident der Ukraine, Petro Poroschenk­o, strebt eine NATO-Mitgliedsh­aft binnen zehn Jahren an. Diese genießt auch breite Unterstütz­ung in der Bevölkerun­g. NATO-Generalsek­retär Jens Stoltenber­g machte vor dem Brüssel-Gipfel aber klar, dass es für Kiew diesmal keine formelle Anbindung an die NATO geben werde. Man halte aber daran fest, das Land zu unterstütz­en.

Mazedonien hingegen erhielt am Mittwoch eine formelle Einladung für Beitrittsg­espräche. Ausschlagg­ebend dafür war vor allem die Einigung zwischen Mazedonien und dem NATO-Staat Griechenla­nd im Streit um Mazedonien­s Namensgebu­ng. Zwischen den Regierungs­chefs beider Staaten gab es die Einigung, dass Mazedonien künftig Republik Nordmazedo­nien heißen wird. Ausständig für die Finalisier­ung sind ein Referendum in Mazedonien über eine entspreche­nde Verfassung­sänderung sowie ein Votum im Parlament in Athen.

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Georgische Soldaten trainieren für Afghanista­n – Tiflis strebt einen raschen NATO-Beitritt an

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