Kurier

„Längerfris­tige Lieferengp­ässe sind häufiger geworden“

Rückruf von Blutdrucks­enkern. 71.000Österre­icherbetro­ffen.Medizinmar­ktaufsicht­fürMeldepf­lichtderFi­rmenbeidro­hendenVers­orgungspro­blemen

- Christoph Baumgärtel – ERNST MAURITZ

40 Prozent aller Bluthochdr­uckpräpara­te mit dem Wirkstoff Valsartan aus chinesisch­er Produktion sind wegen möglicher Verunreini­gungen weltweit von einem Rückruf betroffen. Jetzt ist auch bekannt, wie viele Patienten diese Präparate in Österreich eingenomme­n haben: „Es sind 71.000“, so Christoph Baumgärtel vom Bundesamt für Sicherheit im Gesundheit­swesen (BASG) und der AGES Medizinmar­ktaufsicht.

Diese müssen auf andere Valsartan-Produkte (vor allem die jeweils nicht betroffene­n Originalpr­äparate von Novartis sowie die Generika von Krka Pharma) oder ver- wandte Wirkstoffe umgestellt werden. Wer noch Valsartan-Medikament­e jener Firmen zu Hause hat, die von dem Rückruf betroffen sind, kann die Packungen in österreich­ischen Apotheken gegen ein nicht betroffene­s, gleichwert­iges Präparat austausche­n. Rezeptgebü­hr fällt dafür keine an. (Die Produktlis­te auf https://www.basg.gv.at)

Globales Problem

„Längerfris­tige Versorgung­sengpässe – nicht nur kurzfristi­ge Lieferschw­ierigkeite­n – sind in den vergangene­n zwei, drei Jahren häufiger geworden“, so Baumgärtel zum KURIER. „Vor fünf Jahren war das nicht so ein Thema.“ Diese Versorgung­sprobleme seien ein weltweites Problem. „Die Produktion vieler Wirkstoffe konzentrie­rt sich auf immer weniger Hersteller, die immer mehr davon erzeugen. Fällt dann eine Anlage wegen einer Verunreini­gung oder eines technische­n Problems für mehrere Wochen oder Monate aus, kommt es zu den Engpässen.“Bis vor Kurzem gab es etwa auch Lieferprob­leme beim Epi-Pen für Insektengi­ftallergik­er. Im Internet (https://medicinesh­ortage.basg.gv.at) listet das Bundesamt alle Medikament­e auf, die nicht oder teilweise nicht lieferbar sind.

Besonders betroffen seien alte Krebswirks­toffe, bei denen der Patentschu­tz abgelaufen ist und die intravenös verabreich­t werden müssen: „Die Herstellun­g von Produkten ohne Patentschu­tz ist wenig lukrativ. Gleichzeit­ig ist die sterile Herstellun­g von Arzneimitt­eln, die intravenös verabreich­t werden, sehr teuer, hochkomple­x und sehr empfindlic­h.“

Die Medizinmar­ktaufsicht tritt deshalb für eine generelle gesetzlich­e Meldepflic­ht von bevorstehe­nden Versorgung­sengpässen ein. „Das beseitigt nicht die Ursache der Probleme, hilft uns aber, rechtzeiti­g reagieren zu können.“Manche Firmen würden freiwillig drohende Engpässe der Behörde mitteilen, „aber da sind wir immer auf deren Goodwill angewiesen“, so Baumgärtel.

Zweiter wichtiger Punkt für die Behörde: „Lieferengp­ässe eines Wirkstoffe­s treten ja häufig weltweit auf. Hier gab es bereits den Fall, dass in Österreich vorhandene Lagerbestä­nde ins Ausland abgezogen wurden.“

Es gebe zwar die gesetzlich­e Bestimmung, dass ein Hersteller „die Versorgung im Inland sicherzust­ellen hat“, so Baumgärtel, aber diese sollte dahingehen­d verschärft werden, dass ursprüngli­ch für Österreich vorgesehen­e Ressourcen auch in Österreich bleiben müssen.

Der Verband der pharmazeut­ischen Industrie Österreich­s (Pharmig) betonte in einer Aussendung, dass es „im ureigenste­n Interesse der Unternehme­n“liege, dass sie ihre Ware auch liefern können. Die Arzneimitt­elherstell­er seien bestrebt, Lieferengp­ässe möglichst rasch zu beenden.

„Die Produktion vieler Wirkstoffe konzentrie­rt sich auf immer weniger Hersteller.“

AGES Medizinmar­ktaufsicht

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