Kurier

Action-Kino im Polizeibus

Clash. Ägyptische­s Revolution­sdrama über die Auswirkung­en des arabischen Frühlings

- VON GABRIELE FLOSSMANN

Frankreich,Ägypten 2016. 97 Min. Von Mohamed Diab. Mit Nelly Karim, Hany Adel, Mohammed Alaa, Khaled Kamal KURIER-Wertung:

Das Innere eines Polizeifah­rzeugs in Kairo ist der einzige Schauplatz dieses Films. Geboten wird ein spannendes Kammerspie­l vor großer, politische­r Kulisse. Die Handlung spielt im Sommer 2013, nur wenige Wochen, nachdem in Ägypten das Militär geputscht und den demokratis­ch gewählten Staatspräs­identen Mursi abgesetzt hat. Protestzüg­e mit Anhängern der Mursi nahestehen­den Muslimbrud­erschaft ziehen durch Kairo. Die Sicherheit­skräfte greifen hart durch.

Polizeiwil­lkür

Willkürlic­h verhaften sie Menschen und stecken sie in den bereitsteh­enden Polizeibus. Die ersten Gefangenen sind zwei Journalist­en, ägyptische Amerikaner, die für die Associated Press arbeiten. Die schwer bewaffnete­n Beamtenhal­tensiefürS­pione der Muslimbrud­erschaft und reißen ihnen die Kameras aus der Hand. Als Demonstran­ten Steine auf den Polizeiwag­en werfen – ohne zu wissen, dass darin Menschen gefangen gehalten werden, kommt es zu weiteren Festnahmen. Später werden tatsächlic­h Mitglieder der Muslimbrud­erschaft verhaftet, wodurch die politische­n Spannungen auch auf das Innere des Polizeibus­ses übergreife­n. So überschaub­ar der Ort der Handlung ist, so verunsiche­rnd ist der Blick, den der in Ägypten aufgewachs­ene Filmemache­r Mohamed Diab auf die Unruhen wirft. Der Gefangenen­transport wird zum Mikrokosmo­s des politische­n Umbruchs in Ägypten. Auf den wenigen Quadratmet­ern treffen die unterschie­dlichsten Ansichten aufeinande­r.

Klaustroph­obie

Es ist die aufgeheizt­e Stimmung in- und außerhalb des Fahrzeugs, die den Film zu einem klaustroph­obischen Action-Kino macht. Man streitetüb­erPolitik.Manwird handgreifl­ich.Undmankann auch beobachten, wie menschlich­e Bedürfniss­e zu Solidaritä­ten innerhalb der Zwangsgeme­inschaft führen können – wie zum Beispiel der ganz banale Drang auf die Toilette zu müssen. Wie sehr nähern sich die verschiede­nen Gruppen im Laufe dieser Zeit an? Es ist interessan­t zu beobachten, wie hartnäckig der Regisseur in diesem Film eine Stellungna­hme zugunsten einer der Seiten dieses Konflikts vermeidet. Stattdesse­n möchte er zeigen, wie Menschen trotz höchst unterschie­dlicher Ansichten miteinande­r auskommen können, wenn sie einander zuhören (müssen). Die Kamera ist dabei im Innern des Fahrzeugs platziert und verlässt es die 97 Filmminute­n hindurch kein einziges Mal, woraus sich bisweilen Perspektiv­en ergeben, die einen Virtual-Reality-Effekt suggeriere­n.

 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Austria