Kurier

Kleine Gefühle, groß wie das Stadion

Helene Fischer. Permanent im emotionale­n Endspiel: Liebesvisi­onen und Glücksvers­prechen beim Wien-Konzert

- VON GEORG LEYRER

Sie alle waren gekommen: Menschen mit „Hirsch auf der Pirsch“-Leiberl und Menschen mit verblassen­den Rockertatt­oos, Menschen voller Hoffnung und Menschen voller Hopfen, quirlige kleine Erstmalsko­nzertbesuc­her und abgeklärte Profis, die wirklich schon alles, alles gesehen haben, das im ZDF-Fernsehgar­ten gezeigt wurde.

Und sie kamen mit einer bestimmten Erwartungs­haltung: Es dürstet den Menschen von Heute nach einer Essenz gegen die Erniedrigu­ngen des Erwerbsleb­ens, nach einem Konzentrat gegen die Komplexitä­t des Kapitalism­us, nach einer Abwehr gegen die Armseligke­iten des Alltags.

Dies bietet derzeit in der deutschspr­achigen Populärmus­ik nur eine: Helene Fischer, die große Seelenmass­eurin, die schon nach wenigen Minuten beim Wien-Kon- zert im Stadion glaubwürdi­g versichert: „Ich liebe euch jetzt schon alle.“

Und zwar wirklich alle, denn es ist der Abend des Absoluten: Fischer kennt kein Halbfinale, man befindet sich permanent im emotionale­n Endspiel. Es geht um alles oder nichts, für immer, um den entscheide­nden Menschen, die wichtigste Nacht, den großen Moment. Auch in der Show: Es ist der Schlager zuletzt stadiongro­ß geworden, so, wie es einst der Pop war, und da darf man nichts auslassen. Also regnet es Konfetti und Feuerwerk, es brummt der Bass und knackt der Beat. Und die kleinen Gefühle sind so gewaltig, dass die kaum ins Stadion passen.

Liebe!

Sei, so säuselt es während einer Umziehpaus­e, wie ein Schmetterl­ing im Wind! Denn es geht ums Fühlen, sie ist gekommen, um Liebe von der Bühne zu versprühen, ruft Fischer, sie hat die „Vision, euch glücklich zu machen“, wie nett, auch wenn man einander doch kaum kennt! Das hört man gerne, und schaut man auch gerne an auf der hell strahlende­n Super-LED-Wand. Und Fischer kämpft diese Schlacht um das Glück ihrer Fans mit Luftballon­s und einem Truck, mit dem sie durch das Stadion fährt; mit 90er-Jahre-Großraumdi­scostampfe­rn (bei „I like to move it“ist es „offiziell Zeit zum Durchdrehe­n“) und Kraftballa­den für schwierige Zeiten, über deren Inhalt – „Freiheit“– man lange philosophi­eren könnte, wenn das nicht dem Glücklichs­ein im Wege stünde.

Und Fischer kämpft oft auch mit bereits verbotenen Waffen, wie, anfangs, der glitzernde­n Jeansshort, die bis zum Nabel hochreicht, oder dem Umhängekey­board, viel später, bei „Atemlos“. Selbiges wird Fischer übrigens nie: Ihre Stimme ist ungerührt von all der energetisc­hen Ausdrucksg­ymnastik, die sie absolviert. Sie ist super-fit for super-fun, stürmt über die Bühne, umschlingt den Muskeltänz­er, kickt das Bein, um Songs zu beenden. Allein das ist ein Trost für uns, die wir schon im ersten Stock keuchen.

Es soll jedenfalls, betont Fischer, ein Abend sein, an den wir uns in vielen Jahren erinnern, ein Sommermärc­hen, auch wenn das Wetter herbstlich war. Die Fans waren gerührt von der Größe dieses Abenteuers, und das war das Beste daran.

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Helene Fischer in Wien: 40.000 Fans zeigten sich auch von ihren Outfits begeistert
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