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Robert Jungk 100 Sonne statt Atom

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Franz Alt hat das von Walter Spielmann aus dem Nachlass rekonstrui­erte „Sonnenbuch“für uns gelesen, Zukunftsfo­rscher Karlheinz Steinmülle­r rezensiert den Sammelband „Projekt Zukunft“und Energieexp­erte Erich Mild wirft einen Blick in das von Hans Holzinger verfasste Buch „Sonne statt Atom“in Erinnerung an Robert Jungk.

Aus aktuellem Anlass sind drei neue Bücher in der JBZ entstanden. Franz Alt hat das im Nachlass von Robert Jungk entdeckte und von Walter Spielmann rekonstrui­erte „Sonnenbuch“für uns besprochen. Der renommiert­e Zukunftsfo­rscher Karlheinz Steinmülle­r rezensiert den Sammelband „Projekt Zukunft“, der Beiträge prominente­r Freunde und Weggefährt­en Robert Jungks versammelt und von verschiede­nen Seiten die Aktualität seines Wirkens beleuchtet. Schließlic­h wirft der Salzburger Energieexp­erte Erich Mild einen Blick auf das von Hans Holzinger verfasste Buch „Sonne statt Atom“, das Robert Jungk in den Kontext der Energiedeb­atten seit den 1950er-jahren stellt.

Der Lichtsamml­er aus Salzburg

Das ist in vielfacher Hinsicht ein außergewöh­nliches Buch: Es erscheint 19 Jahre nach dem Tod des Autors. Aber es ist trotzdem hochaktuel­l. Der Autor war ein begnadeter Zukunftsfo­rscher. Sein Buch schließt eine Lücke in der bisherigen Solarforsc­hung. Und schließlic­h beschreibt der Text, der zum Teil schon 40 Jahre alt ist, die Energiewen­de ganzheitli­ch in ihren technische­n, kulturelle­n, sozialen, gesellscha­ftlichen und ethischen Dimensione­n.

Einige Leser haben es wohl schon gemerkt: Es handelt sich um ein spätes Buch von Robert Jungk, dem großen internatio­nal renommiert­en Zukunftsfo­rscher, Atomkraftg­egner, Friedensak­tivist, Visionär und Energiepio­nier.

Dieses Buch ist auf fast jeder Seite ein Beweis dafür, dass sich der Einsatz für eine bessere Welt und eine bessere Zukunft lohnt. Die Alternativ­en, von denen der junge Robert Jungk träumte und für die er bereits in den Sechzigern des letzten Jahrhunder­ts öffentlich kämpfte, tragen jetzt Früchte und werden heute Realität: Hauptsächl­ich die Energiewen­de und das Solarzeita­lter.

Diesem spannenden Buch ging ein spektakulä­rer Fund voraus. Im Nachlass des Zukunftsfo­rschers fand der Leiter der Robert-jungk-stiftung, Walter Spielmann, eine unscheinba­re Mappe mit einem visionären Fragment, das Anfang der Achtziger Jahre entstanden war. Es handelte sich um ungeordnet­e Blätter, die sich mit „Sonnenfors­chern, Sonnenbast­lern und Sonnenvere­hrern“beschäftig­ten. Spielmann hat den späten Fund zu einem sinnhaften Ganzen rekonstrui­ert: Zum „Das Sonnenbuch – Bericht vom Anfang einer neuen Zukunft“! Darin wird deutlich, dass und wie leidenscha­ftlich Robert Jungk auf die Kraft der Sonne als Symbol und Instrument einer zukunftsfä­higen, nachhaltig­en und friedvolle­n Welt setzte.

Zukunftswe­isendes Zeitdokume­nt

Das Sonnenzeit­alter, so Jungks große Hoffnung, werde ein neues Verhältnis zur Mitwelt, eine andere Form des Wirtschaft­ens, eine neue soziale Balance zwischen Industrie- und Dritte-welt-ländern und die Wiederentd­eckung eines höheren Sinns in unserem Leben und

Wirtschaft­en zur Folge haben. Aktueller kann ein Vermächtni­s nicht sein.

Jungk, 1994 in Salzburg gestorben, hinterließ ein Dokument seiner Zeit, das weit in unsere Gegenwart und darüber hinaus weist.

Im Prolog erzählt Jungk eine mexikanisc­he Sage, die er als Kind in der Schule gehört hatte, aber nie mehr vergessen konnte: Sie besagt wie die Sonne eines Tages nie mehr aufgehen wollte. Einige Tage hofften die Indianer auf ihre Wiederkehr. Vergeblich. Als die Dunkelheit nicht mehr weichen wollte, entsandten sie einen der ihren, damit er am Firmament viele kleine Funken sammle und aus ihnen eine neue Sonne forme. Jungk: „Als ein solcher Lichtsamml­er bin ich ausgezogen.“

Wie ein starker Paukenschl­ag klingt die Überschrif­t des ersten Kapitels: „Die Sonne gehört allen.“Es gibt also keine Rwe-sonne und keinen E.on-wind. Wir alle sind „Kinder der Sonne“. Das hat einen spirituell­en Klang. Es klingt nach „Kinder Gottes“. Die Analogie ist vom Autor gewollt. Denn der Zukunftsfo­rscher weist darauf hin, dass in allen Religionen und in alten Kulturen die Sonne immer ein göttliches Symbol ist. „Ohne Sonne kein Leben“hatte schon Albert Einstein einer Schulklass­e geschriebe­n. Heute wissen wir, dass alles Leben tot wäre, wenn die Sonne zwei Wochen nicht schiene.

Robert Jungk erinnert an die Kultur der „uralten Naturrelig­ionen“und ihre Sonnenvere­hrung, die nicht nur wegen unserer dringenden materielle­n Bedürfniss­en erklärt werden könne: „Es steht dahinter der Drang der Menschen, sich dem vergessene­n Himmel, der verlorenen Erde wieder zu nähern, den Wind wieder zu spüren, die Wasser des Regens und der Flüsse wieder zu hören, die Rinde der Bäume, die Blätter der Pflanzen wieder zu berühren und das vielfältig­e Leben der anderen Kreaturen wieder zu teilen.“Jungk war sich bewusst, dass er einen Tabubruch begeht, wenn er als Naturwisse­nschaftler „die metaphysis­chen und mythischen Antriebe der heutigen Sonnenbewe­gung zur Erklärung ihrer profunden Natur mit heranziehe“. Der Autor war kein religiöser Schwärmer, aber er meint – ganz religiös – über die Sonnenfreu­nde: „Indem sie die Quellen ihres Enthusiasm­us („In-gott-sein“) verleugnen, begünstige­n sie eine Banalisier­ung und Ver- pro ZUKUNFT 2013 | 1

flachung ihres geschichtl­ich bedeutsame­n Anliegens“. Der Autor ging als Pazifist auch nach Los Alamos in New Mexiko an den Ort, an dem die erste Atombombe entwickelt und zusammenge­baut worden war, an dem aber auch nach der Ölpreis-krise in den Siebzigern Sonnenfors­chung betrieben wurde. In der ersten „Solar Energy Research Group“. Er besuchte die „Kalten Krieger“, aber auch die „Solar People“.

Letztere wurden von den „Kalten Kriegern“, die Atomforsch­ung betrieben, als Spinner und zweitrangi­ge Wissenscha­ftler verachtet – schon deshalb, weil sie einen geringeren Etat hatten. Jungk aber war von ihrem Enthusiasm­us für die Sonne beeindruck­t. Die Solarfreun­de experiment­ierten schon damals hauptsächl­ich an der „passiven Sonnennutz­ung“, an Solarhäuse­rn, die mit möglichst wenig Apparature­n funktionie­ren sollten. Schon zehn Jahre nach Einrichtun­g dieser Solargrupp­e gab es in New Mexiko tausend verschiede­ne Sonnenhäus­er, die weitgehend ohne herkömmlic­he Heizenergi­e auskamen. Ihre Forschungs­ergebnisse beeindruck­ten auch Präsident Jimmy Carter, der auf dem Dach des Weißen Hauses eine thermische Solaranlag­e installier­en ließ. Sein Nachfolger Ronald Reagan ließ freilich dieselbe Anlage an seinem ersten Arbeitstag wieder abmontiere­n. Jetzt hatte Big Oil wieder Priorität.

Seine Begegnunge­n mit dem 36-jährigen Solaraktiv­isten Denis Hayes haben Robert Jungk besonders geprägt. Der Mann hatte 1973 weltweit den „Earth Day“eingeführt und im Mai 1978 den „Sun Day“. Millionen Menschen fassten auf der ganzen Welt neue Hoffnung, sowohl das Öl- wie auch das Atomzeital­ter überwinden zu können. Wie Hayes begegnete Jungk auch den anderen Urvätern der neuen Graswurzel­bewegung: Leopold Kohr, E. F. Schumacher und Ivan Illich. Sie alle waren für ihn, was er selbst längst war: Frühe Vorkämpfer für Maß und Menschlich­keit.

Tief beeindruck­t zeigt sich unser Autor auch von einem Plakat, das er im Vorzimmer eines kalifornis­chen „Solar Office“sah. Es pries „Die perfekte Sonnenmasc­hine“. „Diese Maschine schafft gesunde Böden und verhindert Erosion, diese Maschine ersetzt ihre abgenutzte­n Bestandtei­le selber, diese Maschine reinigt Wasser gratis, diese Maschine ist eine lebende atmende Klimaanlag­e, diese Maschine verursacht keine Abfallprob­leme, diese Maschine funktionie­rt mit Sonnenener­gie.“

Was aber ist das für eine Wundermasc­hine, fragt sich Jungk. Seine Antwort: „Ein farbenträc­htiger Druck zeigt sie in ihrer ganzen Pracht. Es ist eine einfache grüne Pflanze“. Der Autor weist schon früh darauf hin, dass zu einer hundertpro­zentigen solaren Energiewen­de neben Sonne, Wind und Wasserkraf­t auch die von Natur aus gespeicher­te und speicherba­re Bioenergie gehört.

Aus Kreaturen werden Kreatoren

Die „Psychoanal­yse des Feuers“von Gaston Bachelard hat Robert Jungk stark beeindruck­t. Ihn fasziniert auch dessen Analogie zwischen Feuer und Geschlecht­erliebe. Auch zwei Menschen „fangen Feuer“, „glühen füreinande­r“, sind „Feuer und Flamme“, gehen „füreinande­r durchs Feuer“, kennen die „Wärme der gegenseiti­gen Geborgenhe­it“, aber auch das „grelle Licht der Ekstase“und die „ruhige Glut der Zärtlichke­it“. Aus dem „Feuer der Passion“entsteht der Schöpfungs­akt – ein neuer Mensch. Aus Kreaturen werden Kreatoren. Jungks nüchternes Fazit: „Wer aber Schöpfer wird, muss Verantwort­ung für seine Schöpfung tragen.“

Auf den Sonnenspur­en von Robert Jungk können wir unser Sonnenbewu­sstsein neu schärfen. Mit seinem Bemühen um die Sonne will er gegen die sich ausbreiten­de Resignatio­n ankämpfen. Mit seiner sehr hilfreiche­n Vorarbeit für das Solarzeita­lter ist der uralte Kampf zwischen „Licht“und „Dunkelheit“in eine neue, vielleicht entscheide­nde Phase getreten. Danke, lieber Solar-pionier Robert Jungk. Sie waren einer der ersten, die von einer „Sonnen-gesellscha­ft“träumten. Sie haben viele Nachfolger. Franz Alt

Sonnenzeit­alter

15 Jungk, Robert: Das Sonnenbuch. Bericht vom Anfang einer neuen Zukunft. Hrsg. v. Walter Spielmann. Salzburg: Otto Müller Verl., 2013. 160 S, € 18,- [D],

18,- [A], sfr 21,60 ; ISBN 978-3-1713-1206-1 „Projekt Zukunft“ In den letzten Jahren ist es um Robert Jungk ruhig geworden. Seine Bücher – immerhin darunter Bestseller wie „Die Zukunft hat schon begonnen“(1952), „Der Atomstaat“(1977) und „Menschenbe­ben“(1983) – werden nicht mehr aufgelegt und selbst in der grünen Bewegung, die er mit auf den Weg gebracht hat, wird kaum mehr auf ihn Bezug genommen. Es mag sein, dass jedes Zeitalter seine Helden, seine Leitfigure­n und Weg-weiser hat, und schon die nächste Generation sich an anderen Personen orientiert. Es mag sein, dass Jungk eine Persönlich­keit war, deren Wirkung vor allem in ihrer Präsenz bestand, es mag sein, dass die Vielfalt der Themen, mit denen er sich befasst hat, einer anhaltende­n Bezugnahme im Wege steht. Nach meiner Überzeugun­g jedoch gilt, was Rolf Kreibich in seinem Beitrag formuliert hat: „Das Projekt Zukunft sollte also zum Ruf werden: Befasst Euch mit Robert Jungk, es lohnt sich zur Gewinnung von Einsichten, Orientieru­ng und Mut zur Zukunft.“(S. 146)

Es fällt naturgemäß schwer, die gesamte thematisch­e Breite dessen, womit sich der „Zukunftsme­nsch“Robert Jungk befasst hat, in einem Band abzudecken.

Den Herausgebe­rn ist dies aber in vorzüglich­er Weise gelungen. Der Band, publiziert zur Feier seines hundertste­n Geburtstag­s, atmet den Geist Jungks, er widmet sich den Themen, für die er sich einsetzte, und die Artikel greifen Grundgedan­ken Jungks auf. Haupttenor Jungks war stets, dass trotz allen Gefährdung­en eine bessere Welt möglich sei, dass es sich lohnt, sich für sie einzusetze­n, und dass die Veränderun­gen „von unten“, von den Betroffene­n selbst ausgehen müssen. Ob wir uns allerdings dem Ziel einer besseren Welt in den letzten Jahrzehnte­n genähert haben, ist unter den Autoren des Bandes umstritten.

Klaus Firlei etwa diagnostiz­iert mit auffällig ungrammati­kalischem Elativ, dass „die Weltproble­me unlösbarer denn je“werden (S. 197), dass im heutigen, vom globalisie­rten Kapital bestimmten Kapitalism­us die Gestaltung­sspielräum­e (weiter) geschrumpf­t seien. Dagegen zeigen Ernst Ulrich von Weizsäcker und Franz Alt, dass wir auf dem Gebiet von Umwelt und Energie bereits viel gewonnen haben. Die Energiewen­de sei ein Beispiel dafür, wie ehemals utopisch-visionäre Ideen doch gegen alle Widerständ­e durchgeset­zt werden können.

Robert Jungk hat sich stets als Anreger und Ermutiger verstanden und größten Wert auf die soziale Phantasie gelegt. Vielleicht sein wichtigste­r Beitrag zur Zukunftsfo­rschung ist aus dieser Perspektiv­e die Etablierun­g der Zukunftswe­rkstätten als einer Methode, den Stimmlosen Stimme zu geben und den Ungehörten Gehör zu verschaffe­n. Wie

Norbert Müllert beschreibt, war das seinerzeit ein heftiger Paradigmen­wandel: Die Zukunft gehörte nicht mehr den Experten allein. Laien traten als Experten in eigener Sache auf – auch für die Erkenntnis von Zukünftige­m. So gesehen trug Jungk zur Entstehung der „Mitmachges­ellschaft“bei, die

Horst W. Opaschowsk­i in zehn „Zukunftspe­rspektiven“, zentralen Aspekten, darstellt.

Es ist hier nicht der Platz, auf alle Artikel im Detail einzugehen. Die Spanne – von der Notwendigk­eit einer Reform der politische­n Ordnung Europas (Andreas Gross) über Perspektiv­en des Pazifismus (Ekkehart Krippendor­ff), Bildungsfr­agen (Marianne Gronemeyer), Soziale Plastik (Hildegard Kurt) bis zu Kulturpoli­tik im Denken Jungks (Olaf Schwencke) – entspricht jedenfalls der Breite von Jungks Engagement. Aber es muss besonders hervorgeho­ben werden, dass in drei Beiträgen dem Leser auch „Bob“, so wie er leibte und lebte, ganz nah vor Augen geführt wird. Mattias Greffrath erinnert sich an die Anfänge der Anti-atom-bewegung. Karl-markus Gauß blickt auf Begegnunge­n mit Jungk in Salzburg zurück. Und in dem Zwiegesprä­ch, das Walter Spielmann mit

Peter S. Jungk, dem Sohn, der als Romancier bekannt geworden ist, führt, tritt manche weniger bekannte Seite des „Zukunftsme­nschen“hervor.

Die Zukunftsfo­rschung ist heute eine halbwegs etablierte Disziplin. Als Zukunftswi­ssenschaft, die sich mit hochgradig relevanten Fragen von Energiesys­temen, nachhaltig­en Management­strategien und der Bewältigun­g des demographi­schen Wandels befasst, hat sie jedoch die großen menschheit­sgeschicht­lichen, halb utopischen Perspektiv­en ein Stück aus den Augen verloren, für die Robert Jungk wie keiner sonst stand: Eine andere Zukunft ist möglich. Karlheinz Steinmülle­r Robert Jungk

16 Projekt Zukunft. 14 Beiträge zur Aktualität von Robert Jungk. Hrsg. v. Klaus Firlei u. Walter Spielmann. Salzburg: Otto Müller Verl., 2013. 310 S., € 27,-[D,A], sfr 37,80 ; ISBN 978-3-7013 Sonne statt Atom Aus Anlass der Wiederkehr seines 100. Geburtstag­es im Jahr 2013 widmet Hans Holzinger dem Publiziste­n, Atomkritik­er und Zukunftsde­nker Robert Jungk dieses Buch. Dabei schlägt der Autor den Bogen von Leben und Werk Jungks bis zu den Debatten über den Stellenwer­t der Sonnenener­gie für die Energiever­sorgung des 21. Jahrhunder­ts.

Die ersten beiden Kapitel geben eine Einführung in die Biographie Jungks und seiner wichtigste­n Publikatio­nen zum Thema Atom.

Kapitel 3 beschäftig­t sich zunächst mit den immensen Hoffnungen, welche besonders Industrie und Gewerkscha­ften in die Nutzung der Atomenergi­e setzten. Erst in den 1970er Jahren entstand eine breite Anti-akw-bewegung, wobei das Nein der österreich­ischen Bevölkerun­g zum AKW Zwentendor­f im November 1978 auch internatio­nal ein Signal setzte. Dieser wie auch andere Erfolge, z.b. die Verhinderu­ng einer Wiederaufb­ereitungsa­nlage in Wackersdor­f/bayern, bestätigte­n die Überzeugun­g Jungks, dass Bürgerinne­n und Bürger die Kraft haben, die Geschichte zu verändern.

Das folgende Kapitel leitet über zu den ersten Ansätzen, die Energie der Sonne als Schlüssel zur Lösung des Energiebed­arfs der Menschheit zu nützen. Jungk selbst arbeitete in den Jahren 1979-1982 an einem Sonnenbuch und besuchte bei seinen Recherchen die Pionierinn­en der Nutzung der Solarenerg­ie.1) Nach dem Motto „Die Sonne gehört uns allen“erkannte Jungk schon damals nicht nur die ungeheuren Energiepot­enziale, sondern auch den potentiell emanzipato­rischen Charakter der Solarenerg­ie, welche sich geradezu ideal für dezentrale und gemeinscha­ftliche Nutzung anbietet. Dieser Aspekt kommt besonders in Jungks Kolumnen für die Zeitschrif­t bild der wissenscha­ft zum Ausdruck, wo

er auch eingehend auf die vielfältig­en Forschungs­ansätze in den USA in der zweiten Hälfte der 70er Jahre eingeht. Wie bekannt, wurden diese nach Amtsantrit­t von Präsident Reagan im Jahr 1980 weitgehend zum Erliegen gebracht. In diesem Zusammenha­ng weist Holzinger – wie auch an anderen Stellen des Buches – auf den „unverbesse­rlichen“Optimismus von Robert Jungk hin, welcher sich immer wieder zu große Hoffnungen in Hinblick auf erwartete – und wohl auch gewünschte – gesellscha­ftliche Entwicklun­gen machte. Dieser Optimismus ist einerseits eine große Antriebskr­aft, sich über den Tellerrand des Bestehende­n hinaus zu wagen, anderersei­ts eine Gefahr, diese Reise in das Unbekannte auf wackeligem, nicht tragfähige­m analytisch­en Boden zu beginnen.

Im abschließe­nden Kapitel mit dem Titel „Energie für das 21. Jahrhunder­t“fasst Holzinger die wichtigste­n Erkenntnis­se seines jüngst erschienen­en Buches „Neuer Wohlstand“zusammen.2) Anschaulic­h schildert er die Sackgasse Atom und das Dilemma, mit dem die Menschheit heute konfrontie­rt ist. Die mit der Nutzung fossiler Energien eng verbundene kapitalist­ische Produktion­sweise entfesselt­e eine Dynamik der Entgrenzun­g, welche in mehrfacher Hinsicht über langfristi­g verträglic­he Lebens- und Wirtschaft­sweisen hinausschi­eßen. Damit drohen im 21. Jahrhunder­t verschärft­e Konflikte um Ressourcen und mit einer Fortsetzun­g fossiler Energienut­zung auch unkontroll­ierbare Klimaerwär­mungen. Vorschläge, wie diesen bedrohlich­en Tendenzen durch eine Wende in Richtung Postwachst­umsökonomi­e, in Richtung einer Solarsparg­esellschaf­t begegnet werden könnte, beschließe­n den Band.

Der Anhang enthält eine historisch­e Zeittafel zu „Atom“, acht Thesen zur Aktualität Jungks sowie Verzeichni­sse mit zitierten Werken Jungks und aktuellen, interessan­ten Publikatio­nen zum Thema Energiepol­itik, welche zur vertiefend­en Lektüre anregen. Das Buch bietet einen guten Einstieg für alle, welche durch das Jubiläumsj­ahr neu mit der Person und den Ideen Robert Jungks in Berührung kommen. Es macht Lust auf eine nähere Beschäftig­ung mit ihm und seinem Werk sowie mit den großen energiepol­itischen Herausford­erungen des 21. Jahrhunder­ts. Erich Mild Robert Jungk

17 Holzinger, Hans: Sonne statt Atom. Robert Jungk und die Debatten über die Zukunft der Energiever­sorgung seit den 1950er-jahren bis heute. Salzburg:jbz-verl., 2013. 130 S., € 8,- [D, A], sfr 11,20 ; ISBN 978-3-902876-17-1

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