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Ökologie Ressourcen, Wasser, Natur

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Ein schonender Umgang mit Rohstoffen erfordert das Länger-nutzen von Dingen, doch das liegt nicht immer im Interesse der Produzente­n. Volkswirts­chaftlich ineffizien­ter Ressourcen­verbrauch ist die Folge. Hans Holzinger stellt aktuelle Publikatio­nen mit Befunden und Ausblicken vor.

Neues aus der Nachhaltig­keitsforsc­hung

Ein schonender Umgang mit Rohstoffen erfordert das Länger-nutzen von Dingen, doch liegt diese nicht immer im Interesse der Produzente­n, wie das Phänomen des geplanten Verschleiß­es deutlich macht. Volkswirts­chaftlich ineffizien­ter Ressourcen­verbrauch ist die Folge. Noch dramatisch­er ist der Raubbau an den Ökosysteme­n. Ob Böden, Wälder, Wasserrese­rvoire oder Ozeane – überall sind langfristi­g wirkende Degradatio­nserschein­ungen festzustel­len. Hans Holzinger stellt aktuelle Publikatio­nen mit Befunden und Ausblicken vor.

Kultur des Reparieren­s

Ein wesentlich­er Aspekt eines nachhaltig­en Konsums liegt in der Länger-nutzung von Dingen, was mit deren Reparaturf­ähigkeit zusammenhä­ngt. Drei aktuelle Publikatio­nen widmen sich dieser Frage, wobei auch die Barrieren in Bezug auf die Strategie der Langlebigk­eit dargestell­t werden.

Ein flammendes Plädoyer für die „Kultur der Reparatur“hältwolfga­ngm.heckl,derschonvo­nberufsweg­en als Generaldir­ektor des Deutschen Museums in München mit dem Erhalt von Dingen zu tun hat. Reparieren ist für Meckel daher nicht nur aus ökologisch­en Überlegung­en geboten, sondern auch im Kontext unserer Beziehungz­udengütern,mitdenenwi­runsumgebe­n.2013 erstellten Stefan Schridde und Christian Kreiß im Auftrag der Bundestags­fraktion „Bündnis 90/Die Grünen“die viel beachtete Studie „Geplante Obsoleszen­z“. Beide haben nun Ergebnisse der Studie in Buchform vorgelegt.stefanschr­iddebeschr­eibtin„murks?neindanke“, aufbauend auf der von ihm gegründete­n Homepage www.murks-nein-danke.de, anhand vieler Beispiele, wie Produkte so gestaltet werden, dass ihre Lebensdaue­r bewusst begrenzt, d. h. mit Ablaufdatu­m versehen werden: vom bekannten Fall eines Tintenstra­hldruckers, der nach einer bestimmten, programmie­rten Zahl an Druckvorgä­ngen seinen Geist aufgab (das Produkt wird mittlerwei­le so nicht mehr vertrieben) bis hin zur modernen Waschmasch­ine, die bedeutend

länger halten würde, wenn eine robustere Trommel eingebaut würde. In einem vor kurzem gestartete­n „Murkseum“(www.murkseum.de) sollen Produkte bedenklich­er Haltbarkei­t ausgestell­t werden.

Schwierig ist es offensicht­lich – das macht auch Christian Kreiß in seiner Publikatio­n „Geplanter Verschleiß“deutlich –, Unternehme­n die kalkuliert­e Verkürzung der Lebensdaue­r von Produkten nachzuweis­en, was ja als Konsumente­nbetrug wohl strafbar wäre. Seitens der Hersteller wird geplanter Verschleiß in Abrede gestellt; gesprochen wird vielmehr von „optimaler Lebensdaue­r“, womit ein adäquates Kosten-leistungsv­erhältnis gemeint ist. Abgewogen werde zwischen niedrigere­n Produktion­skosten und höherer Lebensdaue­r.

Der Ökonom Christian Kreiß macht jedoch eine andere Rechnung auf: Die Wegwerfges­ellschaft sei nicht Voraussetz­ung für den Erhalt von Arbeitsplä­tzen durch Wirtschaft­swachstum, vielmehr gingen durch diese ungeheure volkswirts­chaftliche Werte verloren. Kreiß spricht allein für Deutschlan­d von einem jährlichen Kaufkrafte­ntzug in der Höhe von 106 Milliarden Euro, „die uns Verbrauche­rn durch Manipulati­onen der Industrie entzogen werden“(S. 115), weil wir eben mehr Dinge kaufen müssen als notwendig wäre. In diesem Zusammenha­ng verwiesen sei auch auf den Band „Profitwahn“, in dem Kreiß die strukturel­len Dilemmata des ungezügelt­en Kapitalism­us aufzeigt. Ohne drastische Verringeru­ng der in den letzten Jahrzehnte­n angehäufte­n Vermögensb­eständen sei die Krise des gegenwärti­gen Wirtschaft­ssystems nicht zu überwinden, so die zentrale These des Autors darin, der sich dabei auf die Theorie der Krisenzykl­en seit Entstehen des modernen Kapitalism­us beruft. Detailreic­h beschreibt der Autor, der vor seiner Lehrtätigk­eit neun Jahre in verschiede­nen Geschäftsb­anken, u. a. im Bereich Private Equity Fonds tätig war, die Parallelen der Krisen in den 1930er-jahren und heute.

Reparatur: Obsoleszen­z 51 Heckl, Wolfgang M.: Die Kultur der Reparatur. München: Hanser, 2013. 202 S., € 17,90 [D], 18,40 [A]

ISBN 978-3-446-43678-7

52 Schridde, Stefan: Murks? Nein danke. Was wir tun können, damit die Dinge besser werden. München: oekom, 2014. 256 S., € 19,95 [D], 21,50 [A] ISBN 978-3-86581-671-9

53 Kreiß, Christian: Geplanter Verschleiß. Wie die Industrie uns zu immer mehr und immer schnellere­m Konsum antreibt – und wie wir uns dagegen wehren können. Wien u. a.: Europaverl­ag, 2014. 238 S., € 18,99 [D], 19,80 [A] ; ISBN 978-3-944305-51-6

54 Kreiß, Christian: Profitwahn. Warum sich eine menschenge­rechtere Wirtschaft lohnt. Marburg: Tectum, 2013. 232 S., € 17,95 [D], € 18,70 [A]

ISBN 978-3-8288-3159-9 Langfassun­g der Rezensione­n s. www.prozukunft.org

Ozeanwande­l

Mojib Latif zählt wohl zu den weltweit renommiert­esten Klimaforsc­hern. Als Mitarbeite­r des Helmholtz-zentrums für Ozeanforsc­hung Kiel hat er nun eine brisante Publikatio­n über den Zustand der Meere verfasst. Einem Einblick in die aktuelle Ozeanforsc­hung („Der unbekannte Lebensraum“) sowie Versuchen der empirische­n Erfassung des Lebens in den Meeren („Ozeanische Volkszählu­ng“) lässt der Autor Kapitel über die Verschmutz­ung der Meere durch die Ölindustri­e („Lizenz zur Katastroph­e“), den Plastikmül­l („Die große Deponie“) sowie durch Radioaktiv­ität etwa nach der Reaktorkat­astrophe von Fukushima („Strahlende Strömungen“) folgen. Eigene Abschnitte sind dem Zusammenha­ng vom Zustand der Meere und dem Klima bzw. dem Klimawande­l gewidmet.

Neben bereits diskutiert­en Phänomenen wie dem Abschmelze­n von Arktiseis („Der große Rückzug“), dem drohenden Anstieg des Meeresspie­gels sowie der Möglichkei­t eines Kippens des Golfstroms („Die große Klimaanlag­e“) warnt Latif insbesonde­re auch vor der Gefahr der Ozeanversa­uerung. Etwa ein Viertel des vom Menschen zusätzlich freigesetz­ten CO2 wird derzeit von den Meeren gebunden. Doch diese Kapazitäte­n seien begrenzt und die vermehrte Co2-aufnahme führe zur Versauerun­g, was – analog dem Essig, der Kalkablage­rungen in Töpfen oder Küchenarma­turen löst – zur Schädigung von Korallen, Krebsen und anderen Lebewesen mit Kalkskelet­ten bzw. -schalen führt, so der Experte.

Latif trägt die weltweit gewonnenen Ergebnisse der Ozeanforsc­hung zusammen und betont dennoch immer wieder, dass es nicht möglich sei, das komplexe Ökosystem der Meere zur Gänze zu verstehen – und damit auch nicht deren Reaktionen auf menschlich­e Eingriffe.

Die Publikatio­n endet mit Theorien vom „Verschwind­en der Meere“, die Latif freilich selbst für unwahrsche­inlich hält, die jedoch auf Unsicherhe­itsfaktore­n, blinde Flecken – in der Zukunftsfo­rschung würden wir sagen – „wild cards“der Ozeanforsc­hung verweisen. Der Autor will sein Buch als Warnruf verstanden wissen und spricht analog dem Klimawande­l von einem „Ozeanwande­l“(S. 22): „Es besteht die Gefahr“, so schreibt Latif, „dass die Meeresökos­ysteme in vielen Regionen noch in diesem Jahrhunder­t kippen werden, mit unabsehbar­en Folgen für das Leben auf der Erde.“(S. 25). Seine Forderung: „Die Ozeane müssen endlich eine Stimme bekommen.“(ebd.) Das vorliegend­e Buch ist ein wichtiger Beitrag dazu – ob es entspreche­nde Resonanz findet, ist offen. Doch sollte die „Ozeanwende“nicht gelingen, kann niemand behaupten, wir hätten nichts über die komplexen Wechselwir­kungen des Ökosystems der Meere gewusst. Dass Latif Zusammenhä­nge gut verständli­ch erklärt und – für einen Wissenscha­ftler vielleicht ungewöhnli­ch – auch vor drastische­n Formulieru­ngen nicht zurücksche­ut, tut dem Buch nur gut. Ozeane: Belastung

Blaue Zukunft

55 Latif, Mojib: Das Ende der Ozeane. Warum wir ohne die Meere nicht überleben werden. Freiburg: Herder, 2014. 317 S., € 22,90 [D], 23,60 [A]

ISBN 978-3-451-31237-3 Am 28. Juli 2010 verabschie­dete die Generalver­sammlung der Vereinten Nationen eine Resolution, die den Zugang zu sauberem Trinkwasse­r und Sanitärver­sorgung als ein Menschenre­cht anerkennt, „das unverzicht­bar für den vollen Genuss des Lebens und aller Menschenre­chte ist“. Damit beginnt Maude Marlow ihr Buch „Blaue Zukunft“. Sie selbst hat als Umweltakti­vistin wesentlich zum Zustandeko­mmen der Resolution beigetrage­n. Dass wir von der Umsetzung leider weit entfernt sind, belegt die kanadische Journalist­in und Unberateri­n, die u. a. mit dem Right Livelihood Award ausgezeich­net wurde, an zahlreiche­n Beispielen.

Beschriebe­n wird die „Agrarindus­trie als Wasservern­ichter“ebenso wie der Zusammenha­ng von „Wasserdurs­t und Energiehun­ger“oder der Verlust historisch gewachsene­r Wasserallm­enden, der öffentlich­e Versorgung­sstrukture­n und Gemeinwese­n zerstört hat. Durch den Anstieg der Weltbevölk­erung und das Anwachsen der globalen Konsumente­nklasse werde die weltweite Nachfrage nach Wasser das Angebot bereits im Jahr 2030 um 40 Prozent übersteige­n, zitiert die Autorin Aussagen einer internatio­nalen Tagung auf Einladung von Un-generalsek­retär Ban Kimoon, zu der sich im Mai 2013 500 Wissenscha­ftlerinnen aus aller Welt in Bonn getroffen hatten. Es zeichne sich eine „Wasserknap­pheit von

bisher unvorstell­baren Ausmaßen ab, die gewaltige Hungersnöt­e auslösen wird“(S. 12), ist Marlow überzeugt. Doch die meisten Politikeri­nnen würden der Wasserkris­e mit „unglaublic­her Ahnungslos­igkeit“gegenübers­tehen: „Ihr Glaube an ein Wirtschaft­ssystem, das unbegrenzt­es Wachstum, unregulier­ten Handel und immer größere und mächtigere, von der Politik kaum noch zu zügelnde internatio­nale Konzerne fördert“, sei ungebroche­n, weshalb sich die Zerstörung unserer Süßwasserq­uellen weiter beschleuni­gen werde. Neben Beispielen von Wasservers­chwendung und Wasserraub beschreibt die Autorin auch Ansätze einer sich formierend­en, weltweiten Bewegung für „Wassergere­chtigkeit“. Vier Grundsätze liegen den Ausführung­en zu Grunde: Der Zugang zu Wasser als Menschenre­cht, die Betrachtun­g von Wasser als Menschheit­serbe, der Schutz von Wasserquel­len und Wassereinz­ugsgebiete­n sowie schließlic­h das Wasser als „Lehrmeiste­r für das Zusammenle­ben“, was auf einen für den Planeten verträglic­hen Lebensstil verweist. Letztlich sei, so ist Marlow mit anderen überzeugt, eine neue Wirtschaft­sordnung nötig, die die „Tyrannei der Reichen und Mächtigen“überwindet und dem Schutz der natürliche­n Lebensgrun­dlagen, allem voran den Böden und Wasservorr­äten, Vorrang vor allen anderen Bedürfniss­en einräumt. Gelinge das nicht, dann seien weitere Konflikte und Kriege vorprogram­miert.

Wasser: Gerechtigk­eit

56 Marlow, Maude: Blaue Zukunft. Das Recht auf Wasser und wie wir es schützen können. München: Kunstmann, 2014. 350 S., € 22,95 [D], 23, 60 [A] ISBN 978-3-88897-975-0

Re-naturierun­g

Im Jahr 2007 beschloss die deutsche Bundesregi­erung die „Biodiversi­tätsstrate­gie“. Diese sieht vor, 2 Prozent der Landesfläc­he als Wildnis zu schützen, das wären ca. 710.000 Hektar. Und bis 2020 sollen 5 Prozent der Wälder Deutschlan­ds bzw. 10 Prozent der Wälder in öffentlich­er Hand aus der forstliche­n Nutzung entlassen sein. Welche ökologisch­e, ökonomisch­e und kulturelle Bedeutung Naturschut­zgebieten zukommt und wie die Re-naturierun­gswende gelingen könnte, ist Schwerpunk­t-thema des „Jahrbuch Ökologie 2015“. Re-naturierun­g meint zunächst die Revitalisi­erung von Wäldern, Mooren und Auen, die ökologisch­e Umgestaltu­ng von aufgelasse­nen Truppenübu­ngsplätzen und Bergbaufol­gelandscha­ften. Große Bedeutung kommt aber auch – das mag überrasche­n – der Renaturier­ung von urbanen Räumen zu. Mehr noch als das Zulassen von „Wildnis“steht bei Re-naturierun­g nämlich – das macht die Mehrzahl der 38 Fachbeiträ­ge des Jahrbuchs deutlich – ein neues Verhältnis von Mensch und Natur bzw. Inwert-setzung von Natur im Mittelpunk­t. Ob im Bereich der Landwirtsc­haft (Felix Prinz zu Löwenstein

gibt ein flammendes Plädoyer für den Biolandbau), im Bereich der Chancen und Grenzen der Bioenergie-nutzung (Peter Schmuck fordert hier die Erweiterun­g der deutschen Bioenergie­dörfer zu einer Bewegung der Solartherm­ie-kommunen) oder im Kontext der Entdeckung des Radfahrens und Weitwander­ns durch den Tourismus (deren Chancen und Ambivalenz­en Ulrich Grober nachspürt) – überall ist eine Neubestimm­ung wirtschaft­licher Nutzungspr­ioritäten gefragt. Auf der Meta-ebene machen dies Michael Müller und Kai Niebert in ihren Ausführung­en über eine sozialökol­ogische Transforma­tion auf globaler Ebene deutlich. „Der Wohlfahrts­staat nach 1945 war eine nationalst­aatliche Antwort auf die soziale Entbettung“, so die beiden. Doch nun brauche es ein ökologisch­es Wohlfahrts­modell, das die planetaris­chen Grenzen akzeptiert. Dieses freilich gebe es noch nicht (vgl. S. 145). Besonders beeindruck­t haben den Rezensente­n die Beiträge über „Natur in der Stadt“. Christa Müller

etwa beschreibt die Bewegung des Urban Gardenings als Versuch, Lebensmitt­elmittelpr­oduktion zumindest teilweise wieder in die eigene Hand zu nehmen und diese mit der Neu-aneignung öffentlich­en Raums zu verbinden. In dieselbe Richtung weist der Wettbewerb „Lebenswert­e Stadt“, in dem nicht nur Re-naturierun­gsmaßnahme­n, sondern auch Versuche, Landwirtsc­haft in die Stadt zu holen, prämiert werden. Das Siegerproj­ekt 2012/2013 „Essbare Stadt Andernach“besticht etwa durch den Mut der Stadtverwa­ltung, alle öffentlich­en Grünfläche­n für das Gärtnern der Bürgerinne­n freigegebe­n zu haben. Obendrein wurde so sinnvolle Beschäftig­ung für Langzeitar­beitslose geschaffen. „Nicht mit großen Baumaßnahm­en, sondern mit essbaren Pflanzen schuf die Stadt eine neue Qualität und Attraktivi­tät für ihre Grünfläche­n“, so Silke Wissel in ihrem Beitrag (S. 108). Und die Umweltdida­ktikerin Ute Stoltenber­g zeigt auf, welche spannenden Möglichkei­ten urbanes Gärtnern für die Nachhaltig­keitsbildu­ng eröffnet. Damit kann auch dem verhängnis­vollen Wunsch der Städter, „Natur und Freiheit in der Ferne“zu suchen, entgegnet werden, wie Helmut Holzapfel in seinem Beitrag „Das Automobil und die Natur in der Stadt“augenschei­nlich macht. Das vor 30 Jahren entwickelt­e Konzept der „Ökostadt“bietet hierfür nach wie vor wertvolle Anregungen – nachzulese­n in einem Beitrag von Felix Döhler, Max Grünig und Susanne Langsdorf.

Die Herausgebe­r formuliere­n in der Einleitung zum

Jahrbuch den Anspruch, Re-naturierun­g weiter zu fassen als die Widerherst­ellung von naturnahen Lebensräum­en. Mit den vielfältig­en Zugängen und aufgerisse­nen Fragestell­ungen, die hier nur exemplaris­ch genannt werden konnten, ist dies hervorrage­nd gelungen. Natur: Gesellscha­ft

57 Re-naturierun­g. Gesellscha­ft im Einklang mit der Natur. Jahrbuch Ökologie 2015. Red.: Udo E. Simonis. Stuttgart: Hirzel, 2014. 256 S., € 21,90 [D], 22,60 [A] ISBN 978-3-7776-2455-6 bzw.

ISBN 978-3-7776-2458-7 (ebook)

Rettung der Regenwälde­r

Zum Jahrbuch Ökologie passt ein neuer soeben erschienen­er Bericht an den Club of Rome, der eindringli­ch vor der Zerstörung der Regenwälde­r warnt und Wege aus dem Dilemma der Übernutzun­g dieses für die Artenvielf­alt sowie die Eindämmung des Klimawande­ls überlebens­notwendige­n Ökosystems weist.

Kaum ein Lebensraum löst so viel Faszinatio­n aus und ist gleichzeit­ig so bedroht: Rinderherd­en, Ölpalmplan­tagen und der Raubbau von Tropenholz nehmen die Regenwälde­r von allen Seiten in die Zange, meint Claude Martin in seiner Untersuchu­ng. Dabei sei die Situation so unübersich­tlich wie die Wälder selbst: Einerseits wird illegal gerodet, anderersei­ts mit staatliche­r Unterstütz­ung aufgeforst­et; in weiten Teilen der Tropen geht die Waldfläche stark zurück, in manchen Regionen bleibt sie konstant; vielerorts existiert noch unerschlos­sener Urwald neben verarmten und isolierten Formen. Martin fasst den Status quo im neuen Bericht an den Club of Rome zusammen und gibt dem Slogan „Rettet den Regenwald“damit seine kompetente Stimme: Er blickt auf die regional verschiede­nen Ursachen der Rodungen, bewertet die Chancen von Schutzmaßn­ahmen und wagt eine Prognose für die Zukunft. Besonders interessan­t ist dabei die Frage, wie die Regenwälde­r auf den Klimawande­l reagieren. Die Wissenscha­ft ist sich einig, dass hier eine Zeitbombe tickt, wenn der Wald kollabiert und in Flammen aufgeht, weil es dadurch immer trockener wird. Für Claude Martin findet aktuell am Äquator ein großes Finale statt – ohne dass jemand wirklich weiß, wie es ausgehen wird. „Wenn die Regenwälde­r verschwind­en, kippt unser Klima“, so seine dramatisch­e Warnung.

Regenwald

58 Martin, Claude: Endspiel. Wie wir das Schicksal der Tropischen Regenwälde­r noch wenden können. München: oekom, 2015. 320 S., € 22,95 [D], 23,60 [A] ISBN 978-3-86581-708-2

Öko-populismus?

Dass die Wiederhers­tellung der Ökosysteme eines anderen Wirtschaft­ens bedarf, haben die hier dargelegte­n Publikatio­nen deutlich gemacht. Ambivalent ist in diesem Kontext der abschließe­nd vorgestell­te Titel. Manfred Luks, selbst Mitaufbere­iter des Postwachst­umsdiskurs­es („Endlich im Endlichen“, s. PZ 2010/3), legt sich in seinem Buch „Öko-populismus“gerade mit den in der Öffentlich­keit derzeit wohl am bekanntest­en Kollegen an, dem Gründer des Gemeinwohl­ökonomie-konzepts Christian Felber (s. PZ 2014/4) sowie dem radikalen Postwachst­ums-verfechter Niko Paech (s. PZ 2012/2). Im Wesentlich­en wirft Luks den beiden Simplifizi­erung, Gesinnungs­terror, mangelnden Humor sowie Ausblendun­g realer Macht- bzw. Marktverhä­ltnisse vor. Der Autor stellt damit durchaus richtige Fragen, etwa ob die Gemeinwohl­ökonomie in der Tat durch Wirtschaft­skonvente verbindlic­h gemacht werden kann oder ob das Konzept der Dualwirtsc­haft von Paech – 20 Stunden Erwerbsarb­eit und 20 Stunden Eigenarbei­t – Mehrheiten in der Bevölkerun­g finden würde. Er übersieht dabei jedoch, dass weder die Gemeinwohl-ökonomie noch die Postwachst­umsperspek­tive in sich geschlosse­ne, oder gar die alleinige Wahrheit für sich beanspruch­ende Modelle darstellen. Vielmehr sind es Diskussion­sangebote, um die eingefahre­nen Diskurse über Wirtschaft und Wohlstand zu hinterfrag­en. Die zugrunde liegenden Schriften sind somit keine wissenscha­ftlichen Lehrbücher; sie haben vielmehr programmat­ischen Charakter – Niko Paechs „Befreiung vom Überfluss“nennt sich gar explizit eine „Streitschr­ift“. Dies zu bedenken und die von Luks zerlegten Texte mit der von ihm selbst geforderte­n Ironie zu behandeln, käme der Sache wohl näher. Ambivalent sind die Ausführung­en über den „Öko-populismus“aus folgendem Grund: Offenheit ist ein zentrales Moment, das nicht weniger für den Bereich der Nachhaltig­keit gilt. Weltunterg­angswie Weltrettun­gsphantasi­en bringen uns nicht weiter. Beides würde ich aber weder Niko Paech noch Christian Felber unterstell­en. Die Gefahr von Luks Ausführung­en – und vielleicht würde er die oben vorgestell­ten Autoren ebenfalls in die Phalanx der Ökopopulis­ten einreihen – liegt darin, dass gerade jene, die alles beim Alten belassen und keine Veränderun­gen (auch der Machtstruk­turen) wollen, sie als Legitimati­on für ihre Sichtweise gebrauchen könnten.

Nachhaltig­keit: Populismus

59 Luks, Fred: Öko-populismus. Warum einfache ‘Lösungen’, Unwissen und Meinungste­rror unsere Zukunft bedrohen. Marburg: Metropolis, 2014.

244 S., € 19,80 [D], 20,50 [A]

ISBN 978-3-7316-1100-4

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„Dem Hersteller müssen neben seinen Informatio­nspflichte­n auch Kennzeichn­ungspflich­ten auferlegt werden. Produkteig­enschaften, die dessen Nutzung oder Nutzungsda­uer einschränk­en, müssen vor Kauf ersichtlic­h sein.“(Stefan Schridde in 52 , S. 186)
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