Ernährung Gesund essen, bewusst leben oder „Anything goes“?
Immer mehr Menschen wollen sich nicht nur gesund ernähren, sondern legen auch Wert auf günstige Nahrungsmittel. Wenn wir darüber hinaus in Betracht ziehen, dass Ernährungssicherheit über
Krieg und Frieden wesentlich mit entscheiden, wird deutlich, dass damit eine der zentralen Zukunftsfragen benannt ist. Walter Spielmann hat sich dazu einige aktuelle Publikationen angesehen.
Immer mehr Menschen, so das Ergebnis einer jüngst in Österreich publizierten Studie, wollen sich gesund ernähren, legen aber auch Wert darauf, dass Nahrungsmittel günstig zu erwerben sind. Kommt das nicht der sprichwörtlichen Quadratur des Kreises gleich, die allen Beteiligten – der Landwirtschaft, dem Handel, den Konsumenten – gleichermaßen zu schaffen macht und letztlich dazu führt, dass wir in einem immer vielfältigeren globalen Angebot Gewohnheiten entwickeln, die den angeblichen Trends oft nicht entsprechen? Wenn wir darüber hinaus in Betracht ziehen, dass, global betrachtet, Ernährungssicherheit über Krieg und Frieden wesentlich mit entscheidet, wird deutlich, dass mit dem Thema eine der zentralen Zukunftsfragen benannt ist. Einige aktuelle Publikationen dazu hat sich Walter Spielmann näher angesehen.
Bio – alles Schwindel, oder was?
Über Machenschaften rund ums Essen lassen sich nicht nur Krimis, sondern auch Sachbücher schreiben. Viele Regalmeter füllten wohl Bücher, deren Autorinnen sich auf investigative Weise daran machen, die Qualität von Nahrungsmitteln zu untersuchen. Zu ihnen zählt auch der Us-amerikanische Journalist Peter Laufer, dessen Erkundungen ihren Anfang nehmen, als eines Tages eine Tüte mit „Bio“-walnüssen aus Kasachstan, und wenig später eine Dose mit verdorbenen bolivianischen Biobohnen auf den Küchentischen landen.
Skepsis, Neugier und Durchhaltevermögen treiben Laufer an, motivieren ihn zu ergründen, was sich mit dem Attribut „Bio“alles darstellen, verdecken und vertuschen lässt. Dabei stößt er bei dem lokalen Nahversorger und der Konzernleitung von „Trader’s Joe“– ganz ist diese im Besitz des Aldi-imperiums, Ttip-interessen liegen auf der Hand – auf taube Ohren bzw. unüberwindbare Hürden. Laufers Recherchen sind aber dennoch informativ, denn man erfährt u. a., dass nach Kriterien des Us-landwirtschaftsministeriums und auch der EU die Bezeichnung „Bio“verwendet werden darf, wenn „mindestens 95 Prozent
aller Zutaten die Anforderungen der Regierung für Bioprodukte erfüllen. (…) Bio bedeutet auf beiden Seiten des Atlantiks, dass die Zutaten frei von chemischen Unkrautvernichtern und Pestiziden und frei von gentechnisch veränderten Organismen und nicht bestrahlt oder voller chemischer Konservierungsmittel sind. Bis auf die verbleibenden 5 Prozent. Und welche Geheimnisse bergen diese 5 Prozent?“, fragt Laufer (S. 26f.), ohne freilich diese Frage im Weiteren zu beantworten.
Ausführlich hingegen schildert der Autor, den seine Recherche durch die USA, aber u. a. auch nach Österreich, Ungarn, Italien und Spanien, nach Afrika und Südamerika führen, systemisch zumindest fragwürdige Praktiken: Fast überall – dieser Aspekt zieht sich gleichsam wie ein roter Faden durch das Buch – werden die Behörden, die Zertifizierungen vornehmen, von den Produzenten bezahlt, woraus sich naturgemäß Abhängigkeiten und Interessenkonflikte ergeben [können]. „Wenn das, was wir Biobauern tun, gut sein soll und was die anderen tun schlecht, warum müssen die nicht zertifiziert werden?“(S. 92), fragt etwa Ernie Carman, Kaffee-produzent und Exporteur in Costa Rica.
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Gemeinsame Interessen und unterschiedliche Kulturen
Eine Antwort darauf ist wohl die Tatsache, dass sich mit der Marke „Bio“viel Geld verdienen lässt und dass viele davon profitieren. Wurden mit Bioprodukten in den USA Anfang der 1990er-jahre noch 1 Milliarde $ umgesetzt, so stieg der Gewinn in den darauf folgenden 20 Jahren auf 27 Milliarden $. Für die Qualitätskontrolle durch die staatlich zuständige Behörde USDA stehen aktuell nicht mehr als 27 Personen (!) zur Verfügung (S. 72f.). Und diese gibt trotz aller Hartnäckigkeit des Autors keine substantiellen Auskünfte über angefragte Zusammenhänge. Kein Wunder, dass Laufer mit Blick auf die NSA und Obamas Administration bitter, zynisch und pointiert formuliert: „Wenn es um das geht, was in unseren Mägen landet, ist Transparenz ein Muss, vor allem wenn Washington sich wiederholt als Nest von Geheimniskrämern erweist.“(S. 103)
Wie leutselig, offen und gesprächig nehmen sich dagegen Behörden und Interessenvertreter von NGOS und einschlägigen Unternehmen in Österreich, Ungarn und Italien aus! Laufer ist nicht nur begeistert vom Charme der Wiener Cafés, sondern würdigt die Entwicklung der Biogesetzgebung in Österreich, zeigt sich (mit Einschränkungen) angetan von Werner Lampert und dessen Konzept „Zurück zum Ursprung“, das Hofer-kunden ermöglicht, die Herkunft der erworbenen Bioprodukte zu recherchieren. Mit Blick auf Italien konstatiert Laufer hingegen ein deutlich geringeres Interesse der Bevölkerung am Thema „Bio“, zeigt sich aber beeindruckt von der Vielfalt der auch in diesem Kontext sich manifestieren kriminellen Energie sowie der Entschlossenheit der Justiz, dagegen vorzugehen. Dass es dem Autor am Ende seiner etappenreichen Reise, über die er ganz in amerikanischer Tradition locker, zuweilen aber auch etwas langatmig und sprunghaft berichtet, noch gelingt, in Charagua (im Norden Boliviens gelegen) den mutmaßlichen Produzenten von mit Sicherheit biologisch produzierten schwarzen Bohnen ausfindig zu machen, kann zumindest als Teilerfolg auf der Suche nach echten (biologischen) Werten verbucht werden.
Ein Buch, das mit Einschränkungen vor allem jenen zu empfehlen ist, die an einem internationalen Vergleich im Umgang mit Bioprodukten interessiert sind. Bioprodukte
107 Laufer, Peter: Bio? Die Wahrheit über unser Essen. St. Pölten (u. a.): Residenz Verlag, 2015. 286 S. € 19,90 [D], 20,70 8A]
ISBN 978-3-7017-3359-0
Ackergifte - nein danke
In Anlehnung an Rachel Carsons Ökoklassiker „Der stumme Frühling“(1962 erschienen), beginnt das journalistisch-engagiert gestimmte Buch der in Berlin unter anderem für die taz tätige Autorin. „Chemieproduzenten“, so eine erste, massive Ansage von Ute Scheub, „haben den Vorteil, dass Kranke fast nie beweisen können, von ihnen vergiftet worden zu sein. Laut Krebsregister von 2013 starben im Bundesgebiet im Jahr 2008 rund 25.000 Menschen an [Krebs, W. Sp.] (…) Gebiete mit intensiver agrarindustrieller Bewirtschaftung wie Niedersachsen und Schleswig-holstein weisen noch höhere Raten auf.“(S. 7f.). Ja, es wurde 2001 ein „dreckiges Dutzend von Supergiften“durch die Stockholmer Konvention weltweit verboten, aber mindestens „24 verschiedene Superunkräuter, die gegen Monsantos Pestizid ‚Roundup Ready‘ immun sind, breiten sich weltweit in 18 Ländern aus; gegen das Herbizid Atrazin sind 64 Unkräuter resistent“(S. 10). Verständlich also, dass die Autorin im weiteren Verlauf den Begriff „Pflanzenschutzmittel“nicht verwendet (vgl. S. 11). Ein kurzer, präziser Blick auf die Zusammensetzung fruchtbarer, lebendiger Böden – dem „Magen der Erde“– und ein Erfahrungsbericht einer Aktivistin über die Zerstörung der ehemals vielfältigen Uckermark machen deutlich, wie umfassend und in weiten Teilen wohl auch unumkehrbar die aktuelle Entwicklung ist. Ein weiteres Kapitel gibt Einblick in die Entwicklung der Agrarindustrie und beleuchtet exemplarisch auch das vergebliche Bemühen von Clara Immerwahr, ihren Gatten Hans Haber von der Herstellung von Ammoniak auf industrieller Basis abzubringen, das in der Produktion von Kunstdünger und tödlichen Nervengasen eine zentrale Rolle spielen sollte. Thematisiert wird aber auch die verheerende Wirkung des Unkrautbekämpfungsmittels „Agent Orange“, dessen Einsatz im Vietnamkrieg (1965 bis 1971) bei etwa 100.000 Kindern zu Fehlbildungen führte, aber auch 200.000 Us-soldaten nicht verschonte (vgl. S 28).
Allgegenwärtiges Gift
Einmal abgesehen von den dramatischen Folgen des Einsatzes chemischer Substanzen in militärischen Zusammenhängen zeigt sich, dass Ackergifte tatsächlich allgegenwärtig sind, auch auf Zierpflanzen aus Gartencentern. „Im Jahre 2014 ließ Greenpeace 86 Proben in zehn europäischen Ländern ziehen. Ergebnis: 98 Prozent der Blumen weisen Pestizidrückstände auf, 79 Prozent der gefundenen Pflanzengifte waren bienengefähr-
lich.“(S. 32) Doch damit nicht genug: „Das Pestizid Aktions-netzwerk PAN International geht von jährlich 100 tausenden Toten und vielen Millionen schweren Vergiftungsfällen aus – schätzungsweise 41 Millionen, davon bis zu 99 Prozent in den armen Ländern. Das entspricht etwa einem Drittel aller Farmarbeiter weltweit.“(S. 37). Die „chemische Aufrüstung“, so Scheub, bleibe dennoch ein hervorragendes Geschäftsmodell, um Millionen auf Dauer zu Abhängigen zu machen; ein Modell, der die Masse der Konsumenten mit ihrem Wunsch nach Billigprodukten gerne folgt. Dies umso mehr, als die Chemieindustrie keine Mittel scheut, um ihre Produkte als integer, sicher und verantwortungsvoll produziert anzupreisen und zudem ihren Produkten verführerisch, sanft und unschuldig klingende Namen gibt. Rasendünger, mit Pestiziden angereichert, sind etwa unter dem Namen „Euflor“, „Gabi“oder „Gartenperle“zu haben. Wenn darüber hinaus von „Koexistenz“und „Wahlfreiheit“, von „guter fachlicher Praxis“, „sicherer Anwendung“, „gesicherten wissenschaftlichen Erkenntnissen“oder von „Sicherheit für Verbraucher und Natur“oder „neutralen, unabhängigen Behörden“geschrieben und gesprochen werde, so handele sich dabei schlichtweg um Lügen, formuliert Scheub hier wohl etwas [zu] pointiert, aber im einzelnen gewiss belegbar und zutreffend. Richtig ist wohl auch, dass nicht selten angegebene „Grenzwerte grenzwertig“sind, und freilich trifft auch das Argument zu, dass der Einsatz von Pestiziden keineswegs dazu beiträgt, den Welthunger zu beseitigen. Vielmehr trägt die Politik der Agrarmonopole zu fortschreitender Abhängigkeit bei, befördert die Vergiftung von Flora und Fauna und führt – nicht selten begleitet von militärischen Aktionen – zur Zerstörung traditionellen, regionalen Saatguts.
Alternativen sind möglich
Das Beispiel der Südtiroler Gemeinde Mals zeigt exemplarisch, dass Alternativen nicht nur angedacht, sondern auch erfolgreich umgesetzt werden können: Bei einer Volksabstimmung [einschließlich Briefwahlmöglichkeit], die im Jahr 2012 stattfand, „stimmten bei einer Wahlbeteiligung von beinahe 70 Prozent mehr als drei Viertel der Wählerinnen und Wähler gegen den Einsatz von Ackergiften im Gemeindegebiet und für eine pestizidfreie Zukunft. Im Juli 2013 verfassten 20 Ärzte-und Zahnärztinnen, acht Tierärzte, sieben Apothekerinnen und 15 Biologen aus dem Einzugsgebiet Obervintschgau ein ‘Manifest zum Schutz der Gesundheit und für den nachhaltigen Umgang mit Boden, Wasser und Luft‘. Dieses Manifest hat unglaublich zur Sensibilisierung der örtlichen Bevölkerung und zur Aufrüttelung und die ganzen Südtiroler Gesellschaft beigetragen“, berichtet der Apotheker Johannes Fragner-unterpertinger (S. 81f.).
Im abschließenden „Lösungen“überschriebenen Kapitel, das freilich noch weit ausführlicher hätte ausfallen können, schlägt die Autorin zuletzt positive, ermutigende Töne an: geschildert werden das giftfreie Werken und Wirken auf einem brandenburgischen Demeterhof mit dem ebenfalls klingenden Namen „Apfeltraum“, die Verdienste des Schweizer Insektenforschers Hans-rudolf Herren oder die Arbeit des Biologen Claudio Niggli, der im Schweizer Wallis den Forschungsweinberg „Mythopia“aufgebaut hat, der rund 50 Schmetterlingsarten und über 150 verschiedene Wildpflanzen beheimatet. Skizziert wird darüber hinaus die Bedeutung von Permakultur und symbiotischer Landwirtschaft, die Kampagne des BUND für pestizidfreie Kommunen – beispielsweise haben sich Münster, Saarbrücken, Cuxhaven, Tübingen und Trier verpflichtet, auf öffentlichen Flächen und Parks immer weniger oder gar keine Gifte mehr einzusetzen. Angesprochen werden auch die Rahmenbedingungen für eine weltweit ökologische Ernährung sowie der Begriff „Ernährungssouveränität“, der von dem Kleinbauernnetzwerk „Via Campesina“anlässlich des alternativen Welternährungsgipfels von 1996 geprägt wurde. Im Anhang vorgestellt wird schließlich die Kampagne „Agrargifte? Nein danke!, die von der Bürgerinitiative Landwende in Klein Jasedow initiiert wurde, um insbesondere Informationen und Unterstützung im Fall von „Abdriften“, also der unkontrollierten Ausbringung von Pestiziden zu geben. (Weitere Informationen dazu gibt es auf www.ackergifte-nein-danke.de sowie über info@landwende.de).
Landwirtschaft: ökologische 108 Scheub, Ute: Ackergifte? Nein danke! Für eine enkeltaugliche Landwirtschaft. Klein Jasedow: Drachenverl., 2014. 124 S.,
€ 10,30 [D], 10,60 [A]
ISBN 978-3-927369-87-0
Ernährungs(un)sicherheit
Die seit dem Millenniumsbeginn 2000 alle zwei Jahre durchgeführten „St. Johanner Friedenstage“haben sich – von Beginn an von einem engagierten Team auf hohem Niveau gestaltet – zu einem weitum geschätzten und anerkannten Forum des internationalen Friedensdiskurses
entwickelt. Eindrucksvoll wird mit dieser Veranstaltungsreihe dokumentiert, wie das Zusammenwirken von Akteuren aus unterschiedlichen Bereichen (Volkskultur, Erwachsenenbildung, Entwicklungszusammenarbeit, Schulwesen und dem Anliegen gegenüber aufgeschlossenen politisch Verantwortlichen), vor allem aber mitgetragen von der Sympathie und dem berechtigten Stolz der Bürgerinnen und Bürger, etwas Besonderes wachsen und gedeihen kann.
Ganz zu Recht wurden, diesen Zusammenhang reflektierend und würdigend, die „Friedenstage 2014“mit der Ernennung von St. Johann – Bezirkshauptstadt der Salzburger Region Pongau – zu einer „Fair-trade-gemeinde“sowie mit der Vergabe des Preises „Ökostil“an den dort ansässigen „Weltladen – Fair Trade“, von welchem alles bisher Erwähnte vor 30 Jahren seinen Anfang nahm, eröffnet. Prominente Referenten, allen voran Franz Fischler, der ehemalige Eukommissar für Ernährungsangelegenheiten, aber auch Fachleute wie Hans Eder, Leiter der vor allem in Südamerika aktiven NGO „INTERSOL“stellen das ebenso breite wie hochkarätige Niveau dieser Veranstaltung unter Beweis.
Der Blick auf globale Zusammenhänge
Neben der breiten Mitwirkung der Bevölkerung, eindrucksvoll dokumentiert durch Schulprojekte zum „Ökologischen Fußabdruck“oder die Erarbeitung eines „Musicals der bunten Vögel“an der im Stadtzentrum gelegenen Volks[=grund]schule sowie Projekte der am Ort aktiven „Kultur-plattform“waren es vor allem die in vier Foren diskutierten Themen, die den Blick auf globale Zusammenhänge lenkten. „Neue Grüne Revolution mit Gentechnik versus Ökosoziale Alltagskultur“(Forum 1) gab etwa einem Biolandwirt aus Oberösterreich, einer Agrar-integrationsberaterin, die über Landgrabbing in Indien referierte, sowie einem Mitglied von „AGRARATTAC“Gelegenheit, über den sprichwörtlichen Tellerrand zu blicken. In Forum 2 wurde dagegen das Thema „Biolandbau: von fairen Produkten zum fairen Genuss“erörtert, während sich ein weiterer Arbeitskreis dem Thema „Friedensfördernde Bedeutung von Artenvielfalt, Ernährungssicherheit und -souveränität“widmete. Hier besonders aktuell erscheint mir der bislang viel zu wenig bedachte Hinweis von Franziskus Forster, dass die EU die Politik des „Landgrabbing“nicht etwa nur im gar nicht mehr „fernen Afrika“, sondern auch in Europa selbst massiv fördert und damit die Voraussetzungen regionaler Vielfältigkeit untergräbt. In Forum 4 schließlich wurde über „Anti-gentechnik-initiativen weltweit – und wie du dich beteiligen kannst“lebhaft diskutiert. Mit einem Resümee zu den Friedenstagen 2000-2014 und einem in Anbetracht der Qualität und Breitenwirkung hoffentlich nur rhetorisch gestellten „?“, wie es im Hinblick auf die Zukunft dieser Veranstaltung weiter geht, schließt ein vom Umfang her schmaler, von der Sache her aber höchst gewichtiger, auch fotografisch professionell gestalteter Band von größter Zukunftsrelevanz.
Ernährungssicherheit 109 Ernährungs(un)sicherheit und Welt(un)frieden. Veranstaltungsbericht zu den Friedenstagen in St. Johann im Pongau. Neukirchen a. Grv.: Verl. Tauriska, 2015. 79 S. € 12,ISBN 978-3-901257-51-3
Warum wir essen, was wir essen
Während man mit Jules Vernes noch in 80 Tagen um die Welt reisen musste, erzählt uns Marin Trenk, der an der Frankfurter Universität einen Fachbereich für „Kulinarische Ethnologie“leitet, wie die Globalisierung unsere Essgewohnheiten verändert und die Vielfalt fremder Kulturen vor unsere Wohnungstür gebracht hat. Zumindest in urbanen Zentren lässt es sich „vor Ort“gut und gerne mit 80 Gerichten um die Welt reisen. Davon erzählt dieses Buch. Drei Wellen der kulinarischen Globalisierung – die 1. infolge der Entdeckungen des Kolumbus, die 2. im Windschatten von Kolonialisierungen [z. B. Indiens], die 3. durch die „Übersiedlung“nationaler Küchen [z.b. durch Migranten aus, China, Thailand oder Mexico] – werden im ersten Abschnitt beschrieben und bereiten die schmackhafte Grundlage für den im zweiten Abschnitt gebotenen Blick auf die Vielfalt der in Deutschland gepflegten Kochund Esswerkstätten.
Von der deutschen Vorliebe für Pasta und Pizza, der mittlerweile starken Freiluft-konkurrenz durch Döner-buden und der unübersehbaren Präsenz der asiatischen Küchen-triade aus China, Japan und Thailand sowie schließlich „vom restlichen Treiben in unseren Fußgängerzonen“(den Fastfood-ketten mit diversen Burger-, Fisch- und Geflügel-angeboten) bis hin zu den „Gastarbeiterküchen“in traditioneller Aufmachung (Griechen) oder trendigem Ambiente (spanische Tapas-lokale) reicht im Wesentlichen das Spektrum.
„Anything goes“ist schließlich der abschließende, dritte Teil betitelt, in welchem der Autor ganz ohne Sentimentalität über das „Verschwinden der (häuslichen) Küche philosophiert oder sich darüber Ge-
danken macht, was denn aus der signifikant nur in südlichen Randzonen noch lebendigen Esskultur Deutschlands auf Dauer halten wird. Trenk spekuliert zudem wohl begründet über die nächsten Gewinner und Verlierer unter den „acht Essprovinzen der Welt“[Mexiko ist im Kommen, Ozeanien auch kulinarisch unter Druck, Brasilien ein Rätsel], um abschließend auf kulturelle und ethische Aspekte im Zusammenhang mit dem Verzehr von Fleisch, aber auch auf die neu erwachte, vielfältige Lust am Essen, Kochen und gemeinsamen Genießen zu sprechen zu kommen. Ein höchst informatives, vergnügliches und Appetit anregendes Buch.
Essen: Globalisierung 110 Trenk, Marin: Döner Hawaii. Unser globalisiertes Essen. Stuttgart: Klett-cotta, 2015.
297 S., € 17,95 [D], 18,50 [A] ;
ISBN 978-3-68-94889-9