Sicherheit in Zeiten des Terrors
Was ist bloß los in Europa? Das zunächst alles beherrschende Thema dieses Sommers war der „Brexit“, der per Volksentscheid gewünschte Ausstieg der Briten aus der EU. Das Brexit-lager hat freilich gleich nach der Abstimmung damit begonnen, sich selbst zu demontieren. Und überhaupt, ganz so eindeutig scheint die Sache nicht zu sein. Die Abstimmung war nach Ansicht des Vorsitzenden des Auswärtigen Ausschusses des Europäischen Parlaments, Elmar Brok, nur „ein beratendes Referendum“. Es sei für die britische Regierung nicht bindend, sagte der Europa-politiker der Online-ausgabe der „Passauer Neuen Presse“. Großbritannien müsse sich jetzt entscheiden, ob es austreten wolle oder nicht. Der Österreichische Finanzminister Schelling hält sogar einen „Teil-brexit“für möglich. „Das heißt, nur England tritt aus der EU aus und Schottland sowie Nordirland bleiben weiterhin Eumitglieder“, meinte der Minister. Inzwischen rüsten sich freilich Banken und Konzerne bereits für den Brexit und suchen Ausweichstandorte. Brexit ja, aber wann, wird bald zu klären sein.
Als der Applaus und die Tränen nach Sieg oder Niederlage auf dem grünen Rasen von Fußball-europa verflogen waren, ereilten uns tatsächliche Schockwellen. Bluttaten, Amokläufe, Attentate, Terroranschläge und ein Putschversuch versetzten uns in Angst und Schrecken. Im Unterschied zu früheren Anschlägen richtet sich das irrationale Morden dieses Sommers nicht mehr gegen bestimmte Ziele oder Personen. Ob dieser Beliebigkeit kann jeder Opfer werden. Ist damit das Ende vom Leben in der Komfortzone eingeläutet? Beschwichtigungen der Politik helfen genauso wenig weiter wie starke Worte und Kriegsrhetorik. Wir müssen uns offensichtlich damit abfinden, dass sich unser Alltag verändern wird. Tatsächlich haben uns die negativen Seiten der Globalisierung und Mediatisierung erreicht. Die Racheakte an den „Wohlstandsinseln“(Schmidl in dieser PZ) passieren vor unserer Haustür und nicht im fernen Kabul oder Bagdad. In dieser schwierigen Lage gilt es echte Antworten zu finden und nicht den simplifizierenden Erklärungen der Rechtspopulisten zu folgen. Dabei ist auch die Frage zu beantworten, wie ein konstruktiver, fairer politischer Diskurs zu finden ist, bei dem es um Inhalte, um Pro und Kontra, um das Abwägen von Argumenten geht.
Was kommt noch auf uns zu? Die nächsten Turbu-
lenzen sind bereits in Sichtweite. Ungarn wird ein Referendum darüber abhalten, ob sich das Land in der EU solidarisch verhalten muss. Marine Le Pen will ein Referendum über den Frexit, und in Italien ist die mit Hoffnungen für die Demokratie verbundene Verfassungsreform noch längst nicht durch. In den USA steht ein Präsidentschaftskandidat zur Wahl, der „waterboarding“salonfähig machen will und zudem beabsichtigt, eine große Mauer an der südlichen Grenze zu errichten.
Droht unsere Welt aus den Fugen zu geraten? Wollte man alarmistisch wie der Soziologe Harald Welzer in seinem neuen Buch „Die smarte Diktatur“1) den Weltuntergang herbeireden, könnte man in Zeiten wie diesen ebenfalls viele Argumente dafür aufzählen, aber es herrscht, wie Welzer auch betont, „in den Demokratien immer noch mehr Nichtkrise als Krise“(S. 287). Allerdings sind wir dabei, so der Autor weiter, unsere Freiheit Stück für Stück zu verlieren. Der „gläserne Mensch“sei ohnehin längst durch Telefonüberwachung, durch Überwachungs- und Videokameras an allen möglichen Orten Wirklichkeit geworden (siehe auch das Thema „Social Media“in diesem Heft). Zwar geht es Welzer um den Verlust der Freiheit im Zusammenhang mit der Digitalisierung und der Herrschaft der Internetkonzerne, doch stellt sich nach den Ereignissen des vergangenen Sommers für uns alle die Frage, wie viel Demokratie und Freiheit für etwas mehr Sicherheit wir bereit sind zu opfern. In Zeiten der Bedrohung haben wir uns daran gewöhnt, dass Sicherheitsmaßnahmen ausgebaut, Polizeipräsenz erhöht und sogar das Militär ins Spiel gebracht wird. Sicherheit und Freiheit als Gegensätze auszugeben wäre aber ebenso falsch wie der Glaube, dass es so etwas wie totale Sicherheit geben könne.
Nach der Jubiläumsausgabe anlässlich 30 Jahre JBZ und 30 Jahre pro Zukunft stehen diesmal wieder aktuelle Themen im Vordergrund. Neben der bereits erwähnten Digitalisierung des Lebens, analysiert von Alfred Auer, widmet sich Stefan Wally dem „ästhetischen” bzw. dem „Abstiegskapitalismus“und beleuchtet die Sehnsüchte und Naturbezüge einer neuen Romantik. Walter Spielmann trägt aktuelle Befunde und Empfehlungen zur Zukunft der Städte zusammen und Hans Holzinger geht der Frage nach, wie ein ökonomischer Ausgleich zwischen den Wohlstandsinseln und den Peripherien gelingen könnte, welche „Therapien“verunsicherte Gesellschaften erfordern und wie es um ein verantwortungsvolles Unternehmertum bestellt ist. Junge Gastrezensentinnen verstärken diesmal das Redaktionsteam.
Eine spannende Lektüre wünscht Ihnen a.auer@salzburg.at