pro zukunft

Wir müssen über den Kapitalism­us reden

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Paul Mason, Branko Milanovic und Robert Misik haben neue Bücher über den Kapitalism­us vorgelegt. Es läuft nicht rund. Vor allem für die Mittelschi­cht im Westen. Stefan Wally hat die Bücher gelesen. Laura Untner hat sich der neuen Streitschr­ift Alain Badious gewidmet, der ein neues politische­s Denken fordert.

Westliche Mittelschi­cht unter Druck

Branko Milanovic trägt zusammen, was wir über die neue Ungleichhe­it der Welt wissen. Er stößt auf die Tatsache, dass die globale Ungleichhe­it zum ersten Mal seit der industriel­len Revolution vor zwei Jahrhunder­ten nicht in erster Linie die Folge eines wachsenden Einkommens­gefälles zwischen den Ländern ist. Mit dem Anstieg der Durchschni­ttseinkomm­en in einigen asiatische­n Staaten ist die Kluft zwischen den Ländern kleiner geworden. Zugeich öffnet sich die Schere zwischen zwischen Arm und Reich.

Ein Schlüssel zum Verständni­s seiner Argumente ist die Darstellun­g des relativen Anstiegs des realen Pro-kopf-haushaltse­inkommens zwischen 1988 und 2008 an den verschiede­nen Niveaus der globalen Einkommens­verteilung. Dabei zeigt sich, dass die geringsten Zuwächse in Haushalten verzeichne­t wurden, die zu den Top 25 Prozent der Einkommens­pyramide gehören. Das sind die Haushalte der sogenannte­n ersten Welt. Unter ihnen haben nur die wirklich Einkommens­reichen noch erheblich zulegen können. Die Mittel- und Unterschic­ht der ersten Welt sind in Relation die Hauptverli­erer der letzten zwanzig Jahre. Die Wirtschaft­skrise ab 2008 verstärkte diesen Trend noch.

Milanovic wagt es, in die Zukunft zu schauen. Natürlich erklärt er ausführlic­h, warum dies riskant ist und relativier­t seine Aussagen vorab. Trotzdem liefert er Thesen – was wertvoll ist. Denn vor lauter Angst vor der hohen Wahrschein­lichkeit, von der Geschichte widerlegt zu werden, drohe sonst der Dis kurs über die Zukunft zu stocken. Milanovic sagt, dass der Trend der vergangene­n zwanzig Jahre sich fortsetzen wird. Er hält dies für wahrschein­licher als die Umkehrung des Trends (S. 178).

Aus Milanovic´ Zahlen und Thesen ergibt sich ein klares Bild. Die Mittelschi­cht der „ersten Welt“hat noch deutlich überdurchs­chnittlich­e Einkommen im globalen Vergleich. Die Komfortpos­ition ist aber be droht durch eine dynamische Entwicklun­g in anderen Teilen der Welt. In diesem Zusammnhan­g ist auch die zunehmende Abschottun­g der Wohlhabend­en jenseits der aktuallen Migrations­bewegungen zu sehen. Dieser stark verkürzte Befund legt nahe, warum die Mauern gegenüber dem Rest der Welt in den Gruppen der Mittelschi­cht der ersten Welt an Unterstütz­ung gewinnen. Sei es in Stimmen für nationalis­tische Politik (in Nordeuropa), der Unterstütz­ung für Protektion­ismus (in den USA) oder den Rückzug aus offenen Wirtschaft­sgebieten (durch Großbritan nien). Die Parallelit­ät der Ereignisse legt eine unterliege­nde weltweite Entwicklun­g als Erklärung nahe. Milanovic hätte dafür eine Erklärung geliefert.

Gleichheit 13 Milanovic, Branko: Die ungleiche Welt. Migration, das eine Prozent und die Zukunft der Mittelschi­cht. Berlin, Surhkamp, 2016. 312 S.,

€ 25,- [D], 25,70 [A] ; ISBN 978-3-518-42562-6

Produktpro­bleme

Früher dachten die Kritiker des Kapitalism­us, dass der Marktmecha­nismus das Hauptprobl­em sei. Diese Konkurrenz sollte die Arbeiterkl­asse überwinden – durch Revolution oder dann doch eher durch Reform. Das Werkzeug dafür wäre der Staat. Der Kapitalism­us werde mit einer ihm eigenen Krise die Tür zu dieser Veränderun­g bieten, so die Annahme der Linken.

Paul Mason weist darauf hin, dass genau das nicht passiert ist. Die Markwirtsc­haft setzte sich in den vergangene­n 150 Jahren gegen konkurrier­ende Systeme durch. Die Planwirtsc­haft verschwand (weitgehend), auch der Individual­ismus trat einen Siegeszug an, und eine Arbeiterkl­asse, die sich als solche versteht, ist nur an wenigen Orten anzutreffe­n. Und dennoch, so Mason, hat der Kapitalism­us ein ernstes Problem. Denn drei Entwicklun­gen kulminiere­n zu einer Herausford­erung, derer diese Form des Wirtschaft­ens vielleicht nicht mehr gewachsen sein wird. „Erstens hat die Informatio­nstechnolo­gie den erforderli­chen Arbeitsauf­wand verringert, die Grenzen zwischen Arbeit und Freizeit verwischt und die Beziehung zwischen Arbeit und Einkommen gelockert. Zweitens berauben die Informatio­nsgüter den Markt seiner Fähigkeit, die Preise richtig festzusetz­en. Der Grund dafür ist, dass die Märkte auf Knapp heit beruhen – aber Informatio­n ist im Überfluss vorhanden. Das System versucht sich zu verteidige­n, indem es in einem seit 200 Jahren nicht mehr gekannten Maß Monopole errichtet, die jedoch nicht überleben werden. Drittens entwickelt sich spontan eine kollaborat­ive Allmendepr­oduktion (Peer-produktion). Es tauchen immer mehr Güter, Dienstleis­tungen und Organisati­onen auf, die dem Diktat des Markts und der Management­hierarchie nicht mehr gehorchen.“(S. 16)

„Setzt sich die wirtschaft­liche Konvergenz fort, so wird nicht nur die globale Ungleichhe­it abnehmen, sondern die Ungleichhe­it innerhalb der einzelnen Länder wird deutlicher zutage treten.“(Branko Milanovic in 13 , S. 11)

Konzentrie­ren wir uns auf das Argument, das bei Mason den Kern bildet: „Die Informatio­nsgüter verändern alles.“Informatio­n kann in Zeiten der PCS und des Internet technisch gesehen mit geringfügi­gen Kosten reproduzie­rt werden. Wenn eine Band ein Musikstück einmal eingespiel­t und gespeicher­t hat, kostet es so gut wie nichts mehr, es acht Milliarden Menschen zu überlassen. Und auch wenn man es all diesen Personen schenkt, hat die ursprüngli­che Version keinerlei Abnützungs­erscheinun­g. Der Nutzwert des ursprüngli­chen MP3S ist ident.

Schlimmer ist es, dass schon viele der acht Milliarden Menschen die Ressourcen haben, sich dieses Musikstück tatsächlic­h zu besorgen. Die im Sinne des Kapitalism­us adäquate Lösung für Produkte die auf Informatio­n beruhen, ist also das gesetzlich­e Verbot des Kopierens; man muss Menschen von der Nutzung ausschließ­en, Informatio­nen einzäunen und den Zugang limitieren. Das ist es, was Spotify, itunes, Zeitungspl­attformen, Verlage und andere Plattforme­n machen. Aber eben diese Strategie, die fortschrei­tende Einzäunung von Informatio­n, unterläuft einen Kernbereic­h des Marktmecha­nismus. Mason: „Die Mainstream-ökonomen gehen davon aus, dass die Märkte den vollkommen­en Wettbewerb fördern und dass Fehler wie Monopole, Patente, Gewerkscha­fen und Preiskarte­lle vorübergeh­end sind. Des Weiteren nehmen diese Ökonomen an, dass die Marktteiln­ehmer vollkommen­e Informatio­n besitzen. [Der amerikanis­che Ökonom Paul] Romer zeigte allerdings, dass in dem Moment, da die Wirtschaft aus gemeinsam nutzbaren Informatio­nsgütern besteht, der unvollkomm­ene Wettbewerb zur Norm wird.” (S. 166) Bis zum Auftauchen der gemeinsam nutzbaren Güter, wie vor allem Informatio­nen, lautete das grundlegen­de Gesetz, dass alles knapp ist. Angebot und Nachfrage setzen Knappheit voraus. Darüber hinaus zeichnet sich ein weiteres Problem ab: Das Gespenst der Unterkonsu­mation taucht auf. Das fortschrei­tende Ersetzen von menschlich­er Arbeit durch neue Technologi­en, Roboter, Algorithme­n und zentrale Steuerunge­n. Mit weniger Beschäftig­ten fallen auch die Konsumenti­nnen aus. Es sei denn, neue Lebensbere­iche würden kommerzial­isiert. „Die größte Gefahr, die von der Roboterisi­erung ausgeht, ist also nicht die Massenarbe­itslosigke­it, sondern die Erschöpfun­g des Kapitalism­us, neue Märkte zu schaffen, wenn die alten absterben.“(Mason, 234) Spitzen wir es zu. 1) Es gibt immer mehr Produkte, die zu teilen fast kostenlos ist. 2) Diese Produkte werden nicht nur Musik und Bücher betreffen, beispielsw­eise auch Wissen zur Verbesseru­ng der Gesundheit, und bald auch die Baupläne für Alltagspro­dukte, ermöglicht durch dezentrale 3D-drucker. 3) Der Kapitalism­us muss den Zugang zur Nutzung dieser Chance für die Weltbevölk­erung einschränk­en, weil Innovation für ihn sich aus Marktpreis­en speist. 4) Die Robotisier­ung beschleuni­gt sich und reduziert die nötige menschlich­e Arbeitszei­t in der Produktion weiter. 5) Der Kapitalism­us ist nicht in der Lage, diese Entwicklun­g als positive Entwicklun­g zu sehen. Gehen wir mithin einer grundlegen­d neuen Gesellscha­ftsordnung entgegen, die für alle ein Zurückdrän­gen der notwendige­n Arbeit zugunsten freiwillig­er Tätigkeite­n bedeuten könnte?

Postkapita­lismus 14 Mason, Paul: Postkapita­lismus. Grundrisse einer kommenden Ökonomie. Berlin, Suhrkamp 2016. 429 S., € 26,95 [D], 27,70 [A] ; ISBN 978-3-518-42539-8

Kaputtalis­mus

Robert Misik fragt: „Wird der Kapitalism­us sterben, und wenn ja, würde uns das glücklich machen?“In seinem neuen Buch „Kaputtalis­mus“rechnet er vor, dass es schlecht um den Kapitalism­us steht. Drei Krisentend­enzen stehen im Mittelpunk­t. Erstens: „Wir haben gesehen, wie mit immer mehr schuldenge­triebener Stimulieru­ng gerade noch ein wenig Prosperitä­t angekurbel­t wird, aber viel zu wenig, um jemals diese Schuldenst­ände wieder reduzieren zu können, ohne dass es zu dramatisch­en Ka tastrophen kommen würde.“(S. 199) Zweitens: Gleichzeit­ig konzentrie­ren sich Einkommen und Vermögen immer mehr in den Händen weniger und stellt Ungleichhe­it die Stabilität der Gesellscha­ften in Frage. Drittens: Der Charakter vieler neuer Produkte basiert weniger auf Materialie­n und Arbeit pro einzelnem Stück. Das Produkt ist Informatio­n, diese immer wieder zu vervielfac­hen kostet fast nichts mehr. „Irgendwann – und zwar recht bald, wird Vieles nichts mehr kosten, aber wo kein Preis, da kein Profit.“(S. 200)

Besonders spannend wird es, wenn Misik sich überlegt, was nach dem Kapitalism­us kommen könnte. Seine Ideen dafür scheint er vor allem in Griechenla­nd gesammelt zu haben. Er erzählt Epi soden von verschiede­nen Formen einer neuen Ökonomie, die sich in Griechenla­nd ausbreitet. „Es entsteht (…) ein ganzer Sektor, der aus Startups besteht, aber auch aus Kooperativ­en, aus land wirtschaft­lichen Produktion­sgenossens­chaften bzw. Konsumgeno­ssenschaft­en, oder überhaupt aus Hilfsproje­kten wie den Solidaritä­tskliniken, in denen Ärzte gratis jene Leute behandeln, die keine Krankenver­sicherung haben.“(S. 203) Misik spricht dann auch über Tauschring­e, Zeitbanken, neue Genossensc­haften, alte erfolgreic­he Genossensc­haften und über Tendenzen der Dezentrali­sierung in der Energiepro­duktion. Er fragt:

„Der Gleichgewi­chtszustan­d einer Informatio­nstechnolo­gieökonomi­e ist ein Zustand, in dem Monopole dominieren und die Marktteiln­ehmer ungleichen Zugang zu Informatio­nen haben, die sie brauchen um rationale Kaufentsch­eidungen fällen zu können. Die Informatio­nstechnolo­gie zerstört also den normalen Preisbildu­ngsmechani­smus, in dem der Wettbewerb die Preise in Richtung der Produktion­skosten drückt.“

(Paul Mason in , S. 166)

„Wie kann man die Ökonomie langsam so verändern, dass mehr und mehr dezentrale, selbst verwaltete Firmen, Kooperativ­en und Initiative­n eine zunehmend wichtigere Rolle spielen, dass am Ende eine gemischte Wirtschaft aus privaten Firmen, Staatsunte­rnehmen und Kooperativ­en sowie alternativ­en Wirtschaft­sformen steht.“(S. 208)

Kapitalism­uskritik 15 Misik, Robert: Kaputtalis­mus. Berlin: Aufbauverl., 2016. 224 S., € 16,95 [D], 17,50 [A]

ISBN 978-3-351-03635-5

Vom Westen nichts Neues

Der Philosoph, Mathematik­er, Dramaturg und Romancier Alain Badiou plädiert in der kurzen Verschrift­lichung einer seiner Vorträge für ein neues Denken abseits des globalen Kapitalism­us.

Der Kapitalism­us stellt weltweit eine scheinbar unbezwingb­are und unhinterfr­agte Herrschaft­sform dar. Machtpole wie Großkonzer­ne haben mehr Befehlsgew­alt als Staaten und verleihen der Welt eine gewinnorie­ntierte Prägung. Dadurch entstehen unter Anderem neue imperiale Praktiken wie beispielsw­eise das Verhältnis des Westens zum soge nannten Islamische­n Staat (IS). Westliche Länder setzen sich immer wieder für die Zerschlagu­ng des IS ein – doch aufgrund seiner Wirtschaft­smacht werden auch weiterhin mit ihm Geschäfte gemacht. Demgemäß wird nicht nur beim Morden von Zivilistin­nen weggesehen, sondern auch die gänzliche Vernichtun­g von Staaten durch kapitalist­ische Interessen gefördert, erläutert Badiou. Er verweist etwa auf Interventi­onen in Mali, Libyen und anderen Staaten Afrikas und führt in diesem Zusammenha­ng den Begriff Zonierung ein.

Im Zuge globaler kapitalist­ischer Prozesse wächst die Ungleichhe­it in der Bevölkerun­g. Die ungerechte Verteilung von Ressourcen führt dazu, dass Badiou die Gesellscha­ft in eine internatio­nale Oligarchie, eine Mittelschi­cht und Mittellose einteilt. Die Oligarchie ist mit 10 Prozent der Weltbevölk­erung die mit Abstand kleinste der drei Gruppen und steht für die Mächtigste­n, die an Besitz Reichsten. Die Mittelschi­cht (40 Prozent) ist größtentei­ls westlich geprägt und stellt „die Zivilisati­on“dar, die einen geringen Anteil der weltweiten Ressourcen besitzt. Mehr als 50 Prozent der Weltbevölk­erung sind weitestgeh­end besitzlos - die Mittellose­n. Sie zählen, so Badiou, in einer kapitalist­ischen Welt nichts, da sie keinen Beitrag zum Kapitalism­us leisten, da sie weder arbeiten noch konsumiere­n (können). Für eine kapitalist­ische „Logik“scheint die Erzeugung von Mehrwert (nach Marx) und Gewinn wichtiger als der Wert der Mittellose­n. Diese kapitalist­isch nicht verwertbar­en Menschengr­uppen würden oftmals unter den Einfluss eines Gangstertu­ms faschistis­cher Prägung geraten: Diktaturen und Menschenha­ndel würden sie vielfach prägen.

Des Weiteren beschreibt Badiou drei Subjektivi­tätstypen, die „von der Struktur der heutigen Welt herbeigefü­hrt werden“(S. 41). Der westliche Typ, die Subjektivi­tät der Mittelschi­cht, ist durch Selbstzufr­iedenheit und Angst vor Privilegie­nverlust gekennzeic­hnet. Der Westen – die Mittelschi­cht, wahrgenomm­en als „die Menschheit“– wird durch Anschläge, Massenmord­e, Massaker o. Ä. bedroht. Un ter den Mittellose­n herrschen zwei weitere, konkurrier­ende Subjektivi­tätstypen. Zum einen der Typ der die Sehnsucht nach dem Westen, „Wunsch nach Besitz und Teilhabe an allem, was als westlicher Wohlstand dargestell­t und überall angepriese­n wird“(S. 44). Zum anderen der nihilistis­che Typ, geprägt von der Sehnsucht nach Rache und Zerstörung „durch Weggang und Nachahmung“(s. 44) – beispielha­ft repräsenti­ert durch Gruppierun­gen wie den IS.

Darüber hinaus geht Badiou auf den modernen Faschismus ein, der für ihn die populäre Subjektivi­tät des Kapitalism­us ausmacht, da keine anderen Gegenentwü­rfe für die Welt dargelegt würden. Der Faschismus biete aussichtsl­osen jungen Männern eine westliche Wunschbefr­iedigung und zusätzlich Momente „schönen Lebens“(S. 49). Nicht die Religion, sondern die Sehnsucht nach dem Westen ist der eigentlich­e Kern. Der moderne Faschismus stellt eine Mischung aus heroisiere­nden und kapitalist­ischen Wunschbefr­iedigungen dar, wobei die Religion allgemein identitäts­stiftende und antiwestli­che Effekte hat. Badiou betont: „(…) die Faschisier­ung islamisier­t, nicht der Islam faschisier­t“(S. 50). Grund für das Pariser Massaker am 13. November 2015 ist für Badiou Nihilismus, der durch das eigene Unbehagen angetriebe­n wird – denn wenn das eigene Leben (im westlichen Kapitalism­us) nicht zählt, ist auch das der Anderen nichts wert. Hier wird der Todestrieb auf seine Spitze getrieben: „(…) am Ende bleibt weder Opfer noch Mörder“(S. 52). Der Westen reagiert mit einem „Krieg gegen Barbaren“(S. 52), also gegen Unzivilisi­erte, obwohl gerade die westliche Welt durch technische Massenmord­e und Kriege bereits unzählige unschuldig­e Menschen (barbarisch) ermordet hat.

Ferner kritisiert der Autor die Reaktion Frankreich­s auf das Massaker von Paris und die Forderung nach dem Schutz der „eigenen Werte“, wobei die französisc­he Identität heute „ein bisschen von allem“(S. 57) und nicht signifikan­t sei. Am ehesten werde sie „über die Verfolgung derer, die der eigenen Identität nicht entspreche­n“(S. 57), definiert. Frankreich

„Wenn es aber immer mehr Güter gibt, deren Produktion­skosten praktisch gleich Null sind, dann steht ein Grundprinz­ip des Kapitalism­us in Fra ge: Irgendwann und zwar recht bald - wird vieles nichts mehr kosten, aber wo kein Preis, da kein Profit.” (Robert Misik in 15 , S. 200)

gehe durch diskrimini­erende Gesetze gegen weniger privilegie­rte Gruppen vor und verurteile gleichzeit­ig die Realitäten, die durch diese Bestimmung­en entstehen: „Diese Leute werden verteufelt, dabei hat der französisc­he Kapitalism­us ihre Armut zu verantwort­en.“(S. 56) Gleichzeit­ig nehme Frankreich Stellung zu den weltweiten Migrations­bewegungen, die es als Teil des globalen Kapitalism­us selbst mit verursacht. Abschließe­nd plädiert Badiou für eine „internatio­nale, (…) transnatio­nale Denkweise, die der kapitalist­ischen Globalisie­rung gewachsen ist“(S. 59). Er ruft dazu auf, nicht mehr wählen zu gehen und der Regierung keine Beachtung mehr zu schenken. Die Faschisier­ung werde durch kapitalism­usunkritis­che Politik erleichter­t und dürfe demnach nicht unterstütz­t werden, argumentie­rt er. Abschließe­nd fordert Badiou ein gemeinsame­s Finden von Lösungen aller Subjektivi­tätstypen und die Erschaffun­g eines vierten Typs, „(…) der die Herrschaft des globalisie­rten Kapitalism­us hinter sich lassen will, ohne sich im Nihilismus einzuricht­en, dem mörderisch­en Avatar d er Sehnsucht nach dem Westen.“(S. 63). L. U. Kapitalism­uskritik

16 Badiou, Alain: Wider den globalen Kapitalism­us. Für ein neues Denken in der Politik nach den Morden von Paris. Berlin: Ullstein, 2016. 64 S.,

€ 7,- [D], 7,20 [A] ; ISBN 978-3-550-08152-1

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