pro zukunft

Ein Leben im Dienste der Rechtlosen

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An einer zentralen Stelle seiner Autobiogra­fie schreibt Helmut von Loebell, ihm, „dem Traumatisi­erten“, sei es stets darum zu tun gewesen, „Traumatisi­erten zu helfen“. Walter Spielmann hat die Aufzeichnu­ngen gelesen.

Der Stehaufman­n

1985 sind wir einander erstmals begegnet, und umtriebig, ja voller Ungeduld habe ich Helmut von Loebell von der ersten Minute an erlebt: das von ihm vorgegeben­e Tempo, der auch persönlich hohe Einsatz, mit dem er als erster Geschäftsf­ührer der eben erst von Robert Jungk begründete­n „Bibliothek für Zukunftsfr­agen“zu Werke ging, war nicht nur mir ein wenig unheimlich. Es schien als wollte „HVL“, wie ihn Freunde nennen durften, mit preußische­m Elan die Welt nicht nur verbessern, sondern gewisserma­ßen aus den Angeln heben.

Nun, mehr als 30 Jahre später, da die lesenswert­e Autobiogra­fie dieses „Überlebens­künstlers“(Zitat: P. M Lingens, S. 14) vorliegt, lässt sich nachvollzi­ehen, wie widersprüc­hlich, unvorherse­hbar und doch zugleich zielgerich­tet und erfüllt das tätige Leben dieses Menschenfr­eundes bisher verlaufen ist.

Es ist hier nicht der Ort, die Etappen einer bald achtzig Jahre währenden Lebensspan­ne nachzuzeic­hnen. Hinweise müssen genügen: Berlin, Bremen, Bogotá und nicht zuletzt auch Salzburg bezeichnet Helmut von Loebell als die Orte, die ihn nachhaltig geprägt haben. Unfassbar, befremdend, ja erschütter­nd wirken auf mich die Schilderun­gen eines von den Eltern so gut wie Verstoßene­n, der, 1937 in Berlin geboren, das Kriegsende und die nachfolgen­den Jahre bei diversen Pflegelter­n durchlebt, als Jugendlich­er mittellos nach Kolumbien aufbricht und dort – von Etappen der Rückkehr nach Deutschlan­d unterbroch­en – nach und nach Fuß fasst. Von ersten Geschäftse­rfolgen als Importeur deutscher Markenauto­s ermutigt, reüssiert von Loebell mit In- und Exportgesc­häften, lernt die ökonomisch­en und politische­n Eliten des Landes ebenso wie die Willkür der Militärs (u. a. durch 20-tägige Gefangensc­haft), vor allem aber die soziale Not und das Elend der meist alleinsteh­enden Kinder in seiner neuen Heimat kennen.ihr zu begegnen wird ihm zur Lebensaufg­abe. Er engagiert sich in verschiede­nen caritative­n Projekten, begründet, unterstütz­t von seiner späteren Frau Marilly Herberstei­n, eine Reihe von SOS-KIN derdörfern, erkennt aber, dass diese Form der Unterstütz­ung nicht genügt, um jungen Menschen den Weg zu einem selbstbest­immten Dasein zu ebnen. Die Begegnung mit der Anthroposo­phie Rudolf Steiners führt zu der Überzeugun­g, dass der Aspekt des Schenkens bei jeder Form von sozialer Arbeit von zentraler Bedeutung ist.

Diesem Grundsatz folgend, hat Helmut von Loebell sowohl in Kolumbien als auch in Salzburg, wo er seit mehr als 30 Jahren sein zweites Zuhause hat, Außergewöh­nliches und Zukunftswe­isendes geleistet: Er begründet inmitten eines der ausgedehnt­en Slumgebiet­e der kolumbiani­schen Hauptstadt „CES Waldorf“eine Tages- und Lernstätte für (meist alleinsteh­ende, oft verwahrlos­te) Jugendlich­e. Seit 1997, dem Jahr der Gründung, so berichtet er, konnten rund 2000 Kinder und deren Familien unterstütz­t und ein Stück weit auf ein Leben in Würde und Eigenständ­igkeit vorbereite­t werden (vgl. S. 156ff.). Ebenso zielstrebi­g (finanziell wie ideell) hat von Loebell, unterstütz­t von Gleich gesinnten, die Entwicklun­g der Waldorfsch­ule in Salzburg von Beginn an maßgeblich gefördert. Mit diesem Band berichtet ein Menschenfr­eund, stolz auf das Geleistete, aber doch weit entfernt von Selbstzufr­iedenheit oder gar Eitelkeit von seinem „von drei Ds“geprägten Leben: Demut, Dankbarkei­t und Disziplin. Dafür verdient er Dankbarkei­t und Respekt – seine Initiative­n aber zumindest ebenso viel Aufmerksam­keit und weitere Unterstütz­ung. Saludos, HVL!

Helmut von Loebell Loebell, Helmut von: Der Stehaufman­n. Berlin, Bogotá, Salzburg. Im Unterwegs zu Hause. Aufgezeich­net v. Christa Stierl. Salzburg: Ed. Kunstschri­ft, 2016.

203 S., € 19,90 ; ISBN 978-3-99053-023-8

„Schenken hat ja nicht nur mit Geldmittel­n zu tun, sondern viel mehr mit Anteilnahm­e, mit einem Hindenken, Hinfühlen und einem auf den Nächsten ausgericht­eten Handeln.“(Helmut v. Loebell in , S. 178)

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