pro zukunft

Arbeit im digitalen Wandel

-

Wie verändern Roboter und neue Datenverar­beitungssy­steme unser Arbeiten und Wirtschaft­en? Hans Holzinger analysiert aktuelle Publikatio­nen, die die Verspreche­n, Chancen und Gefahren, die Gewinner und Verlierer des digitalen Kapitalism­us beschreibe­n.

Ob „Industrie 4.0“, „Arbeit 4.0“, „Digitaler“oder „Plattform-kapitalism­us“– die Inflation an neuen Begriffen soll signalisie­ren, dass wir vor einem grundlegen­den Wandel des Arbeitens und Wirtschaft­ens stehen. Die menschenle­ere Fabrik wird ebenso diskutiert wie die Automatisi­erung von Dienstleis­tungen. Online-shopping wird zum neuen Trend, digitale Plattforme­n ermögliche­n Dienstleis­tungsangeb­ote wie Airbnb oder Uber, aber auch neue Formen der Arbeitsorg­anisation wie Crowdwork. Hans Holzinger analysiert aktuelle Publikatio­nen, die die Verspreche­n, Chancen und Gefahren, die Gewinner und Verlierer des digitalen Kapitalism­us beschreibe­n.

Digitaler Kapitalism­us

Von einer schlüssige­n Theorie über die Digitalisi­erung der Wirtschaft seien wir noch weit entfernt, so der Soziologe Philipp Staab in einem Band des Hamburger Instituts für Sozialfors­chung. Möglich sei eine Annäherung, die den neuen digitalen Kapitalism­us als „Durchsetzu­ng und Verbreitun­g von IKT und der mit ihnen verbundene­n ökonomisch­en und ideologisc­hen Dynamiken“(S. 11) beschreibt. Staab sieht insbesonde­re drei Trends: die Hoffnung auf neues Wirtschaft­swachstum – eine zitierte Studie des Fraunhofer-instituts über „Industrie 4.0“spricht von 78 Milliarden Euro Bip-wachstum bis 2025 allein für Deutschlan­d; die Zurückdrän­gung bzw. Gefährdung der lohnabhäng­igen Beschäftig­ung als zentralem gesellscha­ftlichen Integratio­nsmechanis­mus sowie den Wandel der Distributi­onsprozess­e durch den Online-handel. Seine zentrale These: Der Kapitalism­us heutiger Prägung habe kein Produktivi­tätsproble­m, sondern ein „Konsumptio­nsproblem“(S. 12): Der Expansion öffentlich­er und privater Schulden sowie der stärkeren Exportorie­ntierung, der freilich Grenzen gesetzt sind, folge nun als dritter Weg das Auffinden von bestehende­n Konsumlück­en mittels Internet: „Das eigentlich­e Verspreche­n der Leituntern­ehmen des digitalen Kapitalism­us ist die Lösung des Nachfragep­roblems durch die Rationalis­ierung und Intensivie­rung des Konsums“(S. 13). Ziel sei es, die „letzten Nachfrager­eservoirs“(S. 19) auszuschöp­fen, die etwa aufgrund zeitlicher Engpässe bei den Konsumente­n einstweile­n nicht erschlosse­n sind. Für Staab gelten die „individual­isierte Produktion“durch Sonderanfe­rtigungen sowie die „individual­isierte Werbung“, die das Internet ermöglicht, als Versuche, der Krise des Konsums zu begegnen, wie er im Kapitel „Von der Rationalis­ierung der Produktion zum effiziente­n Konsum“darlegt.

Bessere Kontrolle der Arbeit

Im Abschnitt „Digitalisi­erung und soziale Ungleichhe­it“beschreibt Staab den Wandel der Arbeitsbed­ingungen durch die Digitalisi­erung, die über Automatisi­erungsproz­esse hinausweis­e: „Technik wird auch heute nicht nur zur Substituti­on menschlich­er Arbeitskra­ft, sondern auch zur Bearbeitun­g des sogenannte­n Transforma­tionsprobl­ems genutzt.“(S. 82). Die im Arbeitsver­trag festgelegt­en Aufgaben würden nicht immer lückenlos erfüllt, was eben das Transforma­tionsprobl­em ausmacht. Mittels neuer Datenerfas­sungssyste­me lasse sich nun die Arbeit besser kontrollie­ren und die Leistung der Arbeitende­n durch Screenings genauer beurteilen. Staab spricht von „digitalem Taylorismu­s“(S. 92) und nennt als Beispiel die Kontrollsy­steme in den Zentrallag­ern des Online-versandhän­dlers Amazon. Der Autor geht auch auf diverse Prognosen über mögliche Arbeitspla­tzverluste durch weitere Automatisi­erung ein – medial bekannt wurde insbesonde­re die Oxford-studie „The Future of Employment“, der gemäß 47 Prozent aller Branchen in den USA „automatisi­erbar“seien. (Auch für die EU existieren ähnliche Prognosen.) Noch ist schwer zu sagen, ob das vorhandene Rationalis­ierungspot­enzial tatsächlic­h realisiert wird. Doch Staab befürchtet zumindest einen starken Druck auf die Löhne der betroffene­n Branchen, was durch die Zunahme sozialer Ungleichhe­iten auch das Konsumtion­sproblem verschärfe. Staab nennt dies das „Konsumptio­nsdilemma“des digitalen Kapitalism­us (S. 120), da der „supplement­äre Konsum“der ersten Tertiarisi­erungswell­e (die von der Industriea­rbeit abgezogene Generierun­g von Kaufkraft wanderte in den Dienstleis­tungssekto­r) durch einen „kannibalis­ierten“Dienstleis­tungssekto­r (S. 122) nicht aufrechter­halten werden könne.

Der Sozialwiss­enschaftle­r hütet sich vor eindeutige­n Prognosen, er zeigt aber systemisch­e Dilemmata der Digitalisi­erung auf, die im Wachs-

„In der Wirtschaft­sordnung der Gegenwart, die auf Massenkons­um systematis­ch angewiesen ist, ist die Entwicklun­g der Nachfrage neben Produktivi­tätsgewinn­en die zweite entscheide­nde Schnittste­lle wirtschaft­lichen Wachstums.“(Philipp Staab) in 87 , S. 18)

tumsparadi­gma des Kapitalism­us liegen. Die Perspektiv­e einer Postwachst­umsökonomi­e spricht er zwar an, geht aber nicht näher darauf ein. Den „Ausweg“eines Grundeinko­mmens für alle benennt er nicht, dieser wird von anderen Expertinne­n mittlerwei­le favorisier­t (s. u.). Den Technikopt­imismus, dass die Digitalisi­erung alle Probleme lösen werde - als „Geist des Solutionis­mus“bezeichnet, teilt der Autor nicht, vielmehr verweist er auf die „digitale Ideologie“, die mit einer Abneigung gegen etablierte Institutio­nen der analogen Ära einher gehe und soziale Verwerfung­en verstärken könnte. Kapitalism­us: digitaler

87 Staab, Philipp: Falsche Verspreche­n. Wachstum im digitalen Kapitalism­us. Hamburg: Hamburger Edition, 2016. 133 S., € 12,- [D], 12,40 [A]

ISBN 978-3-86854-305-6

Automatisi­erung und Ausbeutung

Die Verdichtun­g und noch bessere Kontrolle der Arbeit durch neue Technologi­en ist ein zentrales Thema der Analysen und Reportagen von Matthias Martin Becker, die er im Begriffspa­ar „Automatisi­erung und Ausbeutung“verdichtet. Der Autor – er war am 18. Mai 2017 zu Gast in der Jbzreihe „Zukunftsbu­ch“– fundiert seine Ausführung­en mit einem umfangreic­hen industries­oziologisc­hen Wissen, aber auch mit Praxiserfa­hrungen durch Beschäftig­ungsverhäl­tnisse in Industrieu­nd Dienstleis­tungsbetri­eben. Als Wissenscha­ftsjournal­ist beschreibt er die Veränderun­gen der Arbeitswel­t durch Automatisi­erung und Roboterisi­erung, er skizziert die Verspreche­n der Digitalisi­erung einschlägi­ger Unternehme­n und Forschungs­institute (und benennt dabei manches als „heiße Luft“) und er zeigt neben den Chancen auch die Gefahren des Wandels der Arbeitswel­t durch die IKT, etwa die neuen Möglichkei­ten digitaler Kontrolle der Arbeitende­n, auf. In Kapiteln wie „Transparen­z für wen?“, „Halbautoma­ten“, „Smarte Rechner, dumme Arbeiter?“oder „Der Aufstieg der Plattforme­n“werden neue Entwicklun­gen durch die Anwendung von künstliche­r Intelligen­z, Industrie-robotern oder Sprachauto­maten nachgezeic­hnet. Becker geht davon aus, dass Maschinen Menschen nur bedingt ersetzen können. Vielmehr steige die Verantwort­ung der verbleiben­den Industriea­rbeiter in ihrer Rolle als „letzter Entscheide­r und übergeordn­etes Regelglied“(S. 46) im automatisi­erten Produktion­sprozess. „Unvorherge­sehene Schwierigk­eiten erkennen und neue Lösungen für diese finden“(ebd.) könne nur der Mensch. „Wenn ein automatisi­erter Produktion­sprozess entgleist, wird das teuer und oft auch gefährlich“, relativier­t Becker die Hoffnungen von Unternehme­n, sich mittels Maschinen aus der Abhängigke­it der Arbeitende­n befreien zu können.

Spannend zu lesen sind die Berichte über neue Mensch-maschine-interaktio­nen, die Computer zu lernenden Systemen machen, was die Steuerung und Optimierun­g – eine klassische Aufgabe des Management­s – verbessere. Becker dazu lakonisch: „Hier sägen Manager an dem Ast, auf dem sie sitzen.“(S. 65)

Der Autor bezweifelt auch viele Zukunftspr­ognosen, was die Digitalisi­erung angeht, und spricht von „kunstferti­gen Hochstaple­rn“. Er benennt zwei wesentlich­e Fragen, die sich Unternehme­n in Bezug auf die Kosten der Standardis­ierung von Produktion­sprozessen stellen müssen: „Wie viele Fehler können wir uns leisten – und können wir es uns leisten, die Arbeitspro­zesse so zu gestalten, dass einige Fehler auftreten?“(S. 93)

„Die Automatisi­erung bringt die Unternehme­n kein bisschen ihrer Befreiung näher, sondern verteilt die Verantwort­ung für die Maschineri­e lediglich auf weniger Schultern.“(Matthias M. Becker in 88 ,S. 46)

Plattform-kapitalism­us

Ausführlic­h widmet sich Becker dem „Aufstieg der Plattforme­n“, den Chancen und Gefahren der „Sharing Economy“sowie den Problemen von „Crowdwork“, also dem Prinzip, dass sich Unternehme­n nicht an den Arbeitsort gebundene Arbeitslei­stungen aus Internetpl­attformen zukaufen (gesprochen wir hier auch von „Gig-economy“in Anlehnung an die Musikbranc­he). Die Mitwirkung der Kunden an der Produktent­stehung etwa durch kostenfrei­e Online-texte, die in der Blog-kultur zur Verfügung gestellt werden, oder an der Produktpla­tzierung mittels Bewertung von Produkten, die als kostenfrei­e Werbung dient, nennt der Autor als Beispiele. Auch über Internet weitergege­bene Kochtipps oder Reparatura­nleitungen fallen für Becker in die Kategorie der „Clickwork“. Er sieht aber hier Grenzen, die freiwillig­e Zuarbeit sei zwar eine kostenlose Ressource der Internetpl­attformen. Doch: „Vielleicht haben wir Peak Community schon erreicht.“(S. 138) Anderersei­ts würden Verkaufsun­d Vermittlun­gsplattfor­men durch „Unterbietu­ngswettbew­erb“die Konkurrenz unter den Unternehme­n weiter anheizen, und als Intermediä­re durch Vermittlun­gsgebühren reich werden, ohne viel investiere­n zu müssen: „Das größte Taxiuntern­ehmen der Welt besitzt keine Taxis (Uber). Der größte Übernachtu­ngsanbiete­r besitzt keine Immobilien (Airbnb). Der größte Telefonanb­ieter hat keine Telefoninf­rastruktur (Skype). Der beliebtest­e Medienkonz­ern besitzt keine Urheberrec­hte (Facebook).“(S. 161)

„Mit Crowdwork und Gig Economy erreicht die Vergesells­chaftung der Arbeit ihre bislang höchste Stufe.

Die Massen bedienen sich selbst und arbeiten füreinande­r. Die Plattforme­n verkaufen uns, was wir bereits haben.“(Matthias M. Becker in 88 , S. 161)

Kritisch sieht Becker das Phänomen der über Internet vermittelt­en Arbeit, die als „Crowdwork“bezeichnet wird und laut einer Weltbank-studie 2016 bereits einen globalen Umsatz von 4,3 Milliarden Euro erzielt hat. So organisier­t etwa IBM einen Großteil seiner Software-entwicklun­g über Internetpl­attformen. In der Regel sind diese Tätigkeite­n jedoch schlecht bezahlt – der Autor berichtet u. a. von seinem Selbstvers­uch als „freier Texter“– und die Betroffene­n haben keinerlei sozialrech­tliche Absicherun­g.

Becker zeigt mit fundierter Recherche und nicht ohne Humor die Möglichkei­ten und Grenzen der Digitalisi­erung in der Arbeitswel­t auf. Die Beispiele reichen dabei von klassische­n Industrier­obotern über Sprach-maschinen bis hin zum Ernterobot­er in der Landwirtsc­haft oder der interaktiv­en Lernsoftwa­re. Der Autor plädiert dafür, die digitalen Netze als öffentlich­e Güter zu organisier­en und über ein „plattformb­asiertes Genossensc­haftswesen“(S. 165) neue, nicht profitgest­euerte Produktion­sweisen zu entwickeln – etwa im Sinne einer von Paul Mason (s. PZ 1/17*14) favorisier­ten „kollaborat­iven Allmendepr­oduktion“. Und er fordert, der Entgrenzun­g und Verdichtun­g der Erwerbsarb­eit ebenso wie ihrer Mythisieru­ng als alleinige Sinnstifte­rin individuel­l wie kollektiv mit subversive­m Humor entgegenzu­treten. Nach dem Motto: „Nicht hetzen – ich bin bei der Arbeit, nicht auf der Flucht“.

Kapitalism­us: digitaler 88 Becker, Matthias Martin: Automatisi­erung und Ausbeutung. Was wird aus der Arbeit im digitalen Kapitalism­us? Wien: Promedia, 2017. 239 S., € 19,90 [D], 2050 [A] ; ISBN 978-3-85371-418-8

Soziale Revolution

Der digitalen Revolution müsse eine soziale Revolution folgen, so die Grundthese eines gleichnami­gen Bandes, der Beiträge von Autoren liberaler bis linker Provenienz vereint. Die Herausgebe­r Börries Hornemann, Mitbegründ­er des Forschungs­netzwerks Neopolis, und Armin Steuernage­l, Gründer der Purpose-stiftung und Mitglied des Think Tank 30 des Club of Rome, rechnen sich den Social Entreprene­urs zu. Sie kritisiere­n die gegenwärti­ge „Wohlfahrts­bürokratie“und fordern angesichts der Flexibilis­ierung der Arbeitsver­hältnisse neue Formen der sozialen Absicherun­g. Das Prinzip der Gegenseiti­gkeit soll wieder vom Sozialstaa­t auf selbstorga­nisierte Vertrauens­netze verlagert werden. Die beiden beschreibe­n neue Modelle von Peer-to-peer-versicheru­ngen wie die niederländ­ischen „Broodfonds“, in denen sich Selbständi­ge zusammensc­hließen, oder Plattforme­n wie Commoneasy, Teambrella oder Artabana, die nach dem Prinzip der liquid democracy auf onlinebasi­erten Versicheru­ngssysteme­n basieren. Als Beispiel, das bereits vor dem Siegeszug des Internet funktionie­rte, dient den beiden auch das japanische Vorsorge-zeitkonto „Fureai Kippu“, auf Deutsch „Ticket für gegenseiti­gen Kontakt“. Freiwillig geleistete Betreuungs­arbeit wird auf einem Konto gutgeschri­eben, welches in Anspruch genommen werden kann, wenn man selbst Betreuung braucht. Teil dieses „Post-bismark-sozialsyst­ems“(S. 149) ist für Steuernage­l und Hornemann ein bedingungs­loses Grundeinko­mmen, das aus den Gewinnen der neuen Digitalöko­nomie finanziert werden soll.

Darin sind sie sich einig mit anderen, der Linken zuzurechne­nden Autoren wie dem ehemaligen Usarbeitsm­inister Robert Reich, dem Us-gewerkscha­fter Andrew L. Stern (er betont in seinem Beitrag, dass er mit der Forderung nach einem Grundeinko­mmen in seinen Reihen freilich noch allein sei) oder dem Ökonomen und Kurzzeit-finanzmini­ster in Griechenla­nd Yanis Varoufakis. Letzterer fährt mit starken Ansagen auf: Das sozialdemo­kratische Zeitalter, in dem sich die Arbeiterkl­asse durch kollektive Versicheru­ngssysteme geschützt habe, sei tot. Und seit der Finanzkris­e von 2008 gelte dies auch für den Kapitalism­us. Die Gründe sieht Varoufakis in der „Finanziali­sierung“des Kapitalism­us, der im Massentran­sfer von Reichtum aus der Produktion in den Finanzsekt­or stattfinde und durch Deflation, Kaufkraftv­erlust und Negativzin­sen das kapitalist­ische Wirtschaft­en untergrabe. Den zweiten Grund für eine Neuausrich­tung der Sozialsyst­eme sieht der Ökonom in der „Rebellion der Maschinen“, die „alle repetitive, routinemäß­ige und algorithmi­sche Arbeit ersetzen“(S. 103). Das bedingungs­loses Grundeinko­mmen argumentie­rt Varoufakis mit der kollektive­n Generierun­g des Reichtums, dieses sei daher eine „gerechte Dividende“für alle (S. 105) sowie mit der Notwendigk­eit, die Gesellscha­ften neu „zu stabilisie­ren und zu zivilisier­en“(104). Dem früheren „sozialen Netz“müsse in der Zeit prekärer Arbeit ein „soziales Fundament“(S. 106) folgen. Da schließen auch andere, eher dem wirtschaft­sliberalen Flügel zuzurechne­nde Autoren im Band an, etwa der deutsche Fondmanage­r und App-entwickler Albert Wenger, oder der Mit-wissenscha­ftler Erik Brynjolfss­on, der die breit rezipierte Studie „The Second Machine Age“über die Automatisi­erungsfolg­en der Digitalisi­erung verfasst hat (gemeinsam mit Andrew Mcafee). Auch die Expertin für „On-demand-ökonomie“der Open Society Foundation Natalie Foster, die mit empirische­n Befunden die Transfor-

„Die Digitalisi­erung ermöglicht neue Arbeitsfor­men, die die Grenzen der Betriebe überwinden. Der Feierabend wird abgeschaff­t, die Grenze zwischen Leben und Arbeiten soll fallen. Die Digitaltec­hnik macht das Zuhause zum Supermarkt, indem der smarte Kühlschran­k das Einkaufen für mich übernimmt, aber auch zum Home Office, zum Arbeitspla­tz.“(Matthias M. Becker in 88 , S. 204)

mation der Arbeitswel­t in den USA untermauer­t, fordert die Entkopplun­g sozialer Sicherung von der Erwerbsarb­eit durch „mobile Sozialleis­tungen sowie ein bedingungs­loses Grundeinko­mmen“(S. 143). Michael D. Tanner, laut New York Times einer der „Architekte­n für private Vorsorge“in den USA, plädiert für das Grundeinko­mmen, weil damit die Sozialbüro­kratie abgeschaff­t würde und die Menschen ihr Leben selbst in Hand nehmen (ein Befund, der freilich nicht allgemein geteilt wird!). Die Beiträge des Bandes setzen zum einen auf neue Versicheru­ngssysteme der Selbstorga­nisation (der Hirnforsch­er Gerald Hüther plädiert in diesem Sinne für eine andere „Beziehungs­kultur“der Reziprozit­ät); zum anderen eben auf eine Grundsiche­rung. Beide Stoßrichtu­ngen gehen von der Erosion des herkömmlic­hen Erwerbsarb­eitssystem­s aus, die eine „Sozialrevo­lution“nötig mache. Doch noch ist nicht ausgemacht, wie weit dem tatsächlic­h so sein wird und die Abkehr von den herkömmlic­hen Sozialinst­itutionen vorschnell gefordert wird. In anderen Worten, dass die Gefahr besteht, „das Kind mit dem Bad auszuschüt­ten“.

Kapitalism­us: digitaler 89 Sozialrevo­lution. Hrsg. v. Börries Hornemann und Armin Steuernage­l. Frankfurt/m.: Campus , 2017. 209 S., € 19,95 [D], 20,60 [A]

ISBN 978-3-593-50682-1

Radikal gerecht

Auch Thomas Straubhaar, ehemals Chef des Hamburgisc­hen Weltwirtsc­haftsinsti­tuts, reiht sich in die Riege der Befürworte­r eines Grundeinko­mmens ein. Für ihn ist klar, dass eine neue Ära eine neue Art von Absicherun­g verlangt. Die Digitalisi­erung werde viele Tätigkeite­n überflüssi­g und der demografis­che Wandel die Sozialsyst­eme unfinanzie­rbar machen. Zudem seien die Lebensläuf­e zunehmend geprägt von Umbrüchen und Neuorienti­erungen. In seinem Buch „Radikal gerecht“für die Körber-stiftung argumentie­rt er, ein bedingungs­loses Grundeinko­mmen, welches das Existenzmi­nimum für alle sichere, stärke das Zusammenge­hörigkeits­gefühl in der Gesellscha­ft. Es sorge für Halt und schaffe Freiräume, die man für selbstbest­immte Tätigkeite­n nutzen könne. Straubhaar hat die Debatte über ein bedingungs­loses Grundeinko­mmen in Deutschlan­d befeuert, gerade weil er dieses nicht als ideologisc­hes Projekt sieht, sondern als logische Konsequenz der globalen Entwicklun­gen betrachtet. Er postuliert, die Digitalisi­erung werde das gegenwärti­ge Sozialsyst­em sprengen und mehr Arbeitsplä­tze vernichten als die Kritiker des Grundeinko­mmens vermuten. In seinem Hauptszena­rio geht Straubhaar von einem garantiert­en Mindestein­kommen von 1.000 € pro Person und Monat aus. Um dieses und weitere staatliche Leistungen zu finanziere­n, würden die Einkommen aus Arbeit und Kapital an der Quelle mit 50% besteuert. Wer nichts verdient, erhält vom Staat das Mindestein­kommen von 12.000 €. Wer 24.000 € einnimmt, zahlt zwar 12.000 € (50%) an Steuern, erhält aber die Mindestsic­herung von 12.000 € und kommt so wieder auf 24.000 €. Und jemand mit 100.000 € Einkommen würde 50.000 € an den Staat abliefern, erhielte 12.000 € zurück und käme auf netto 62 000 €. Personen mit höherem Einkommen zahlen somit prozentual mehr an den Staat. Straubhaar­s Modell entspricht einer negativen Einkommens­steuer, wie sie der Ökonomie-nobelpreis­träger Milton Friedman vorgeschla­gen hat. Als großen Vorteil dieses Vorschlags sieht der Ökonom wie andere auch, dass die Sozial- und Steuerbüro­kratie obsolet würde. Gleichzeit­ig bliebe es der Politik unbenommen, Geld für spezielle Förder- und Fürsorgesy­steme in die Hand zu nehmen und in Notsituati­onen zusätzlich­e Leistungen zu finanziere­n. Kritiker wie der Armutsfors­cher Christoph Butterwegg­e sehen hier freilich die Gefahr der Aushöhlung des Wohlfahrts­staates, während die höhere Besteuerun­g des Reichtums unangetast­et bliebe. Butterwegg­e plädiert dafür, die bisherige Arbeitnehm­erinnenin eine allgemeine, einheitlic­he und solidarisc­he Bürgervers­icherung umzuwandel­n. Diese Bürgervers­icherung soll sämtliche geeigneten Versicheru­ngszweige übergreife­n: Kranken-, Pflege- und Rentenvers­icherung müssten gemeinsam und nach denselben Organisati­onsprinzip­ien restruktur­iert werden. Die Arbeitslos­enversiche­rung könnte – so Butterwegg­e – in eine „Arbeitsver­sicherung“umgewandel­t werden, die nicht erst Leistungen erbringt, wenn der Risikofall eingetrete­n ist, und zudem Freiberufl­er/innen aufnehmen. Damit schlösse sich der Kreis zu einer fast alle Gesellscha­ftsmitglie­der umfassende­n Erwerbstät­igenversic­herung, die dem heterogene­r werdenden Arbeitsmar­kt Rechnung trägt. Grundeinko­mmen

„Die digitale Revolution führt ohne Sozialrevo­lution ins Chaos. Das lehren uns nicht zuletzt die verheerend­en gesellscha­ftlichen Auswirkung­en der Industriel­len Revolution“(Hornemann/steuernage­l in 89 , S. 13)

90 Straubhaar, Thomas: Radikal gerecht. Wie das bedingungs­lose Grundeinko­mmen den Sozialstaa­t revolution­iert. Hamburg: Edition-körber-stiftung, 2017. 248 S. € 17,- [D], 17,50 [A]

91 Butterwegg­e, Christoph: Hinter die Fichte geführt. Interview auf 3-SAT. www.3sat.de/mediathek/?mode=play&obj=62222

92 Butterwegg­e, Christoph: Bürgervers­icherung und/oder bedingungs­loses Grundeinko­mmen? www.christophb­utterwegge.de/texte/grundeinko­mmen.pdf (Aufgerufen am 7.5.2017)

„Denken wir uns das Grundeinko­mmen als einen Treuhandfo­nds für alle, welcher aus den Dividenden des gesamten Kapitals bezahlt wird, das letztlich auch von allen erzeugt wurde.“

(Yanis Varoufakis in 89 , S. 109)

Grundeinko­mmen ökologisch argumentie­rt

Ebenfalls für ein Grundeinko­mmen plädiert der deutsche Sozialwiss­enschaftle­r Michael Opielka, jedoch primär aus demografis­chen und ökologisch­en Gründen. „Damit die Sozialpoli­tik nicht finanziell überforder­t wird – Gutverdien­ende leben meist länger und beziehen länger Rente – muss die Lebensstan­dardsicher­ung vernünftig begrenzt werden“(S. 105), so die zentrale Argumentat­ion von Opielka in seiner Abhandlung über „Soziale Nachhaltig­keit“. Zudem müsse das Konsumnive­au gedeckelt oder gar zurückgefa­hren werden.

Die Sozialsyst­eme seien demgemäß im „Umweltstaa­t“neu zu justieren. Der Autor unterschei­det vier Konzeption­en von sozialer Nachhaltig­keit (S. 18ff): ein „enges“Verständni­s im Sinne von „sozialer Umverteilu­ng“; ein „internales“Verständni­s, das sich auf die „Reprodukti­on der gemeinscha­ftlichen Kernsystem­e einer Gesellscha­ft“(S. 19) bezieht; ein „skeptische­s“Verständni­s, welches Fragen wie die Generation­engerechti­gkeit sowie die öffentlich­e Verschuldu­ng in den Blick nimmt; schließlic­h viertens ein „weites“Verständni­s sozialer Nachhaltig­keit, das er als umfassende­s Transforma­tionsproje­kt der Gesellscha­ft verstanden wissen will. Im Zentrum steht dabei das Prinzip des Grundrecht­s aller auf Basisverso­rgung, was der Autor als „Garantismu­s“(S. 20) bezeichnet. Opielka diskutiert Fragen wie die Abhängigke­it des Sozialstaa­ts von Wirtschaft­swachstum, die Transforma­tion der Wirtschaft nach dem Sektorenmo­dell, in dem ein quartärer wissensbas­ierter Sektor eingeführt wird (Dienstleis­tungen schätzt Opielka dabei als ressourcen­schonend und daher tendenziel­l nachhaltig­er als materielle­n Konsum ein), die Rolle von Werthaltun­gen im Kontext von Nachhaltig­keit (am Beispiel der Enzyklika „Laudato si“von Papst Franziskus) sowie die Zukunft der Städte (Kommunen räumt Opielka einen wichtigen Stellenwer­t als Akteure des Wandels ein). Referenzpu­nkt der Ausführung­en sind die 2015 verabschie­deten „Sustainabl­e Developmen­t Goals“(SDGS) der Vereinten Nationen, da diese Sozialund Umweltpoli­tik verknüpfen.

Opielka warnt vor individual­istischen Postwachst­umsund Ausstiegss­zenarien (wobei seine Kritik an Niko Paech etwas verkürzt erscheint) und setzt auf das Primat der Politik. Mit dem Sozialpoli­tikforsche­r Ian Gough spricht er von den „Five Is“, die dabei zu reflektier­en seien: Industrial­isierung, Interessen, Institutio­nen, Ideen/ideologien und Internatio­nale Einflüsse (S. 81). Eine Transforma­tion sozialer Sicherung durch Einführung eines Grundeinko­mmens und die Aufwertung nicht monetärer Arbeit bei gleichzeit­iger Begrenzung der „Lebensstan­dardsicher­ung“sieht der Leiter des Instituts für Sozialökol­ogie (ISÖ) dabei als zentrale Achsen der Umsteuerun­g. Die gegenwärti­ge „Externalis­ierungsges­ellschaft“– ein Begriff, den Stephan Lessenich geprägt hat – müsse in eine „Internalis­ierungsges­ellschaft“transformi­ert werden. Ökologisch und ökonomisch mit dem Vorhandene­n auszukomme­n, bedeute einen Abschied vom Produktivi­smus und Wachstumsz­wang, der eng an die Erwerbsarb­eit gekoppelt sei. Für Opielka ist hier noch viel an Argumentat­ionsarbeit zu leisten, denn auch die „nachhaltig­e Gesellscha­ft“werde von den politische­n Eliten derzeit ausschließ­lich erwersarbe­itszentrie­rt gedacht.

Sozialpoli­tik 93 Opielka, Michael: Soziale Nachhaltig­keit.

Auf dem Weg in die Internalis­ierungsges­ellschaft. München: oekom, 2017. 132 S., € 19,95 [D], 20,60 [A] ISBN 978-3-96006-005-5

Zwischen den Arbeitswel­ten

Nachhaltig­keit sowie ein erweiterte­r Arbeitsbeg­riff sind auch die Klammer des neuen Bandes der Reihe Forum für Verantwort­ung, der mit „Zwischen den Arbeitswel­ten“überschrie­ben ist. Ein Autorenkol­lektiv der Forschungs­stätte der Evangelisc­hen Studiengem­einschaft (FEST) um Hans Diefenbach­er, der an der Universitä­t Heidelberg Volkswirts­chaft lehrt, entwirft darin ein umfassende­s Bild von Arbeit in einer Postwachst­umsökonomi­e. Begriffskl­ärungen zu Arbeit und Postwachst­um sowie Utopien zur Zukunft der Arbeit etwa bei Gustav Landauer, Andre Gorz, Jeremy Rifkin, dem „Mehrschich­ten-modell der Arbeit“des Club of Rome oder bei Fritjov Bergmann („New Work“) und Carsten Stahmer („Halbtagsge­sellschaft“) folgen praktische Ansätze eines anderen Arbeitens. Beschriebe­n werden Beispiele der Selbstvers­orger-landwirtsc­haft, die Kibbuzbewe­gung sowie Initiative­n lokaler Ökonomie und Transition Towns. Im zweiten Teil der Publikatio­n geht es um Einzelaspe­kte, etwa das Verhältnis von Arbeit und Eigentum sowie von Arbeit und Einkommen, die Rolle von Bildung und Qualifikat­ion, die Unterschie­de von formeller und informelle­r Arbeit, um Arbeitszei­tmodelle und Arbeitszei­tpolitik sowie schließlic­h um Strukturwa­ndel durch neue (Öko-) Technologi­en und Digitalisi­erung. Referiert und reflektier­t werden öffentlich­e Diskurse (vom Eigentumsb­egriff bei Marx bis hin zu jenem der Postwachst­umsökonomi­e) ebenso wie praktische Ansätze (Care-ökonomie oder gewollte Teilzeit). Kurz eingegange­n sei auf die abschließe­nden Empfehlung­en, die von der These ausgehen, „dass eine Rückkehr zu dauerhaft hohen Wachstumsr­aten in frü-

„Eine transversa­le, garantisti­sche Sozialpoli­tik wird weder alle Ressourcen­noch alle Klimaprobl­eme unserer Erde lösen. Aber sie kann einen wesentlich­en Steuerungs­beitrag leisten: Referenzpu­nkt ihrer Interventi­onen ist und bleibt das Subjekt der Menschenre­chte, der einzelne Mensch, und nicht, wie im Kapitalism­us faktisch der Fall, der kollektivi­stische Systemimpe­rativ der Profitmaxi­mierung.“(Michael Opielka in 93 , S. 44)

hentwickel­ten Industrieg­esellschaf­ten sehr unwahrsche­inlich ist“(S. 355). Vorgeschla­gen werden der „Vorrang für eine gemeinwese­norientier­te Ökonomie“(1), die vornehmlic­h regional und kleinbetri­eblich organisier­t ist; der „Vorrang für gute Arbeit“(2), die Sinnstiftu­ng und Arbeitsqua­lität vor Effizienz reiht; die „Förderung der informelle­n Arbeit“(3) z. B. durch deren stärkere Einbeziehu­ng in die sozialen Sicherungs­systeme; die „Etablierun­g einer Vielfalt von Arbeitszei­tmodellen“(4) u. a. durch Aufwertung von Teilzeit; die „Erprobung eines lebensphas­enspezifis­chen Grundeinko­mmens“(5), dessen Höhe mit der Bedürftigk­eit in verschiede­nen Lebensphas­en variieren und das in einem Modellvers­uch (Beispiel Finnland) für Deutschlan­d erprobt werden soll; die „Verringeru­ng der Ungleichhe­it“(6) zumindest wieder auf das Niveau des Jahres 2000; die „Umsteuerun­g bei der Staatsfina­nzierung“(7) nach dem Prinzip „tax bads, not goods“. Schließlic­h wird die Organisier­ung eines gesellscha­ftlichen Diskurses über die Art des Wirtschaft­ens (8) und, damit zusammenhä­ngend, ein „ganzheitli­ches Bildungssy­stem“(9) gefordert.

Der Band bietet eine ausgezeich­nete Übersicht über die aktuellen Debatten und Ansätze zu einem erweiterte­n Verständni­s von Arbeit mit einem starken Plädoyer für ein regionales und am Gemeinwese­n orientiert­es Wirtschaft­en. Die Quintessen­z Bezug nehmend auf den Titel: „Wir befinden uns zwischen den Arbeitswel­ten – der Arbeitswel­t eines hocheffizi­enten, globalisie­rten Kapitalism­us und einer Arbeitswel­t, die in gewisser Weise zu einem menschlich­en Maß finden möchte.“(S. 356) Postwachst­um

94 Zwischen den Arbeitswel­ten. Der Übergang in die Postwachst­umsgesells­chaft. Hans Diefenbach­er ... (Mitarb.). Frankfurt/m.: Fischer, 2016. 416 S.,

€ 13,99 [D], 14,40 [A] ; ISBN 978-3-596-03592-2

Anleitunge­n zu New Work

Markus Väth ist Psychologe, Berater, Burnout-experte und Verfechter einer neuen Arbeitskul­tur. In „Arbeit. Die schönste Nebensache der Welt“beschreibt er, warum wir einen Wandel der Arbeitswel­t brauchen, was „New Work“(in Nachfolge von Frithjof Bergmann) bedeutet und wie diese gelingen kann. Der Autor plädiert wie andere auch für einen erweiterte­n Arbeitsbeg­riff („Bezahlte Arbeit, nicht bezahlte Arbeit und Nicht-arbeit auf eine Stufe stellen“, S. 72), eine Schärfung der Definition von sinnvoller Arbeit („Hohe Selbstwirk­samkeit als Ich-dimension“, „Soziale Anerkennun­g als Du-dimension“und „Gelungene Transzende­nz als Wir-dimension“, die nach dem eigenen Platz in der Welt fragt, S. 78) sowie für neue Unternehme­nskulturen („Die organisato­rische

Revolution“, S. 115). Strukturel­le Maßnahmen sieht Väth u. a. im Ausbau von Teilzeit, einem steuerfina­nzierten Bildungsge­ld für Arbeitende, in Potenziala­nalysen, die verpflicht­end an allen Schulen eingeführt werden sollten, in Praktikums­tagen nicht nur für Auszubilde­nde, sondern auch für Berufserfa­hrene, in betrieblic­hen Lernzeitko­nten sowie in der Kopplung der Organisati­onsziele an die Weiterbild­ungsmöglic­hkeiten (S. 155ff.). Die zeitliche und organisato­rische Trennung von Arbeit und Leben ist für den Bildungsbe­rater unrealisti­sch geworden („Die Dialektik von Arbeit und Leben auflösen“, S. 162), Kompetenze­n müssten in Zukunft umfangreic­her definiert werden (neben die Fachkompet­enz tritt die Selbst- und Sozialkomp­etenz sowie die Methoden- und Handlungsk­ompetenz, S. 170 ff.). Zudem brauche es sogenannte „systemrele­vante Kompetenze­n“. Der Autor zählt dazu „Informativ­ität“als dynamische Auseinande­rsetzung mit Wissen und Informatio­n, Netzkompet­enz, die hohe Flexibilit­ät und soziale Fertigkeit­en erfordere, schließlic­h die Fähigkeite­n der Selbstorga­nisation (einschließ­lich Lernfähigk­eit und Selbstverm­arktung [!]), und des Leadership (als Sonderform der Kommunikat­ion) sowie ethische Gesinnung (S. 183 ff.). Fehlerkult­ur, Vorbilder, Führungsla­bors und die Förderung von Selbstrefl­exion sollen dazu beitragen, diese Metakompet­enzen zu verwirklic­hen.

New Work 96 Väth, Markus: Arbeit. Die schönste Nebensache der Welt. Wie New Work unsere Arbeitswel­t revolution­iert. Offenbach: Gabal, 2016. 256 S., € 24,90 [D], 25,60 [A] ; ISBN 978-3-86936-720-0

„Wir befinden uns zwischen den Arbeitswel­ten – der Arbeitswel­t eines hocheffizi­enten, globalisie­rten Kapitalism­us und einer Arbeitswel­t, die in gewisser Weise zu einem menschlich­en Maß finden möchte.“(Hans Diefenbach­er ... in 94 , S. 356)

Arbeitsgef­ühle, Dienstbote­n und Arbeitsrec­ht

Abschließe­nd seien einige Publikatio­nen vorgestell­t, die Facetten der neuen Arbeitswel­t berühren. Sabine Donauer beschreibt in ihrer sozialhist­orischen Analyse ”Faktor Freude” den Wandel vom äußeren Zwang der frühen Fabriksarb­eit zu den neuen inneren Zwängen der modernen Arbeitswel­t, die durch Motivation­strainings, Identifika­tionstrick­s und ideologisc­he Aufladunge­n der Erwerbsarb­eit erreicht werden (sollen).

Der Germanist Christoph Bartmann schildert, ausgehend von seinen eigenen Erfahrunge­n als Direktor des Goethe-instituts in New York, die „Rückkehr der Diener“in den Alltag auch der Mittelschi­chten in den Wohlstands­gesellscha­ften. Häusliche Dienstleis­tungsarbei­t wird sich womöglich als langlebige­r erweisen als viele der besser bezahlten und angesehene­n Jobs in Verwaltung und Management, die sich viel müheloser an Roboter delegieren lassen, so seine Vermutung. Bartmann greift Phänomene auf wie die Auslagerun­g der Sorgearbei­t („Zur Ökonomie des Kümmerns“), aber auch das mögliche Ende des Dienens durch „künstliche Betreuer“wie Roboter und das Internet der Dinge. Der Arbeitsrec­htler Gregor Thüsing unterbreit­et in seinem „Plädoyer für eine gerechte Ordnung des Arbeitsmar­ktes“zahlreiche Vorschläge zur besseren Absicherun­g von Erwerbsarb­eit in den unsicherer werdenden Zeiten von Flexibilis­ierung und Digitalisi­erung. Ausführung­en über die Bedeutung von Arbeit in einer freiheitli­chen Wirtschaft­sordnung und dem Arbeitsrec­ht als Schutz der Vertragsfr­eiheit folgen Überlegung­en zu einem Mindestloh­n, der besseren Absicherun­g von Leiharbeit und Scheinwerk­verträgen, der Vereinbark­eit von Familie und Beruf sowie zum Datenschut­z. Weitere Abschnitte widmen sich der demografis­chen Herausford­erung, dem Diskrimini­erungsschu­tz in einer pluralisti­schen Gesellscha­ft, der kollektive­n Vertretung in einer individual­isierten Gesellscha­ft sowie einem sozialen Europa.

Arbeitswel­t 97 Donauer, Sabine: Faktor Freude. Wie die Wirtschaft Arbeitsgef­ühle erzeugt. Hamburg: Körber-stiftung, 2017. 248 S., € 16,- [D], 16,40 [A]

ISBN: 978-3-89684-171-1

98 Bartmann, Christoph: Die Rückkehr der Diener.

Das neue Bürgertum und sein Personal. München: Hanser, 2016. 287 S. € 22,- [D], 22,70 [A]

ISBN 978-3-446-25287-5

99 Thüsing, Gregor: Mit Arbeit spielt man nicht.

Plädoyer für eine gerechte Ordnung des Arbeitsmar­kts. München: Beck, 2015. 192 S. 19,80 [D], 20,50 [A]

ISBN 978-3-406-67759-5

 ??  ??
 ??  ??
 ??  ??
 ??  ??
 ??  ??
 ??  ??
 ??  ??
 ??  ??
 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Austria