FÜR EINE ETHIK DER FERNE
WARUM WERDEN DIE VORSCHLÄGE NICHT UMGESETZT? Ein Blick in die Geschichte zeigt, dass sich Gesellschaften bisher nur aufgrund selbst erlittenen Schadens geändert haben – und im besten Fall, um diesen abzuwenden. Vorschläge für eine faire Welt und eine nachhaltige Entwicklung erfordern, so nachvollziehbar sie auch sind, dass wir uns für Menschen weit weg von uns bzw. für Maßnahmen einsetzen, für die wir heute noch keine Einsicht haben. Gefordert wären eine Ethik der Ferne sowie die Fähigkeit zur Zukunftsverantwortung. Doch noch sind wir gegenwartsversessen. Und selbst jene Probleme, die wir direkt spüren wie der Klimawandel oder Migrationsbewegungen, treffen uns viel weniger als die Menschen weit weg von uns. Das vom Philosophen Hans Jonas geforderte „Prinzip Verantwortung“tut sich schwer in einer Konsumkultur, dessen Imperativ „Kaufen und Verkaufen“lautet. Auf die alltäglichen Katastrophenmeldungen in den Medien reagieren wir mit Reaktanz, also Abwehr. Und um weiterhin wegschauen zu können, laufen immer mehr Menschen populistischen Vereinfachern und Problemverschiebern hinterher.
Wo also ansetzen? Wir brauchen Änderungen auf allen politischen Ebenen und in allen Gesellschaftsbereichen. Zu benennen sind die Ziele und Maßnahmen, aber auch die Widerstände und Inkonsistenzen. Ein Weg, der den Charme hat, dass er von uns allen mitgestaltet werden kann, liegt auf der regionalen Ebene. Analog den „Local Peace Communities“, denen es gelingt, sich aus Gewaltkonflikten herauszuhalten, wären „Local Sustainable Communities“denkbar, die sich den globalen Ausbeutungsstrukturen entziehen. Und warum nicht auch eine Renaissance der Agri-und Handwerkskultur in modernisierter Form, in der Produzenten und Nutzer wieder in Kontakt miteinander und in Resonanz mit den erzeugten Gütern treten. Der globale Lieferkettenkapitalismus heutiger Prägung bedeutet keineswegs das Ende von Entwicklung. Hans Holzinger