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Künstliche Intelligen­z Fragen nach dem Menschsein

- Katharina Zweig Katharina Zweig: Die KI war’s! Von absurd bis tödlich: Die Tücken der künstliche­n Intelligen­z. Heyne Verlag, München 2023; 320 Seiten

Katharina Zweig berichtet von falschen Entscheidu­ngen und Verantwort­ungsfragen. Lisz Hirn widmet sich einer Anthropolo­gie der Verletzlic­hkeit und, wie Jörg Phil Friedrich, der Frage, was Menschsein bedeutet. Catrin Misselhorn denkt philosophi­sch über Auswirkung­en auf den Bereich der Kunst nach. Johannes Caspar spricht sich für ein menschenge­rechtes Einsetzen von Künstliche­r Intelligen­z aus.

Die KI war’s!

Katharina Zweig ist Professori­n an der TU Kaiserslau­tern-landau, wo sie den ersten deutschen Lehrstuhl für Sozioinfor­matik ins Leben gerufen hat. Im vorliegend­en Buch geht es ihr um die Frage, „unter welchen Bedingunge­n man Entscheidu­ngen von Computern infrage stellen kann und welche Antworten wir erwarten können“(S. 11).

Diverse Perspektiv­en zu KI

Teil I macht mit Grundbegri­ffen vertraut. Von zentraler Bedeutung ist es, zu verstehen, dass „hinter allen Algorithme­n erst einmal ein Modell im Kopf seiner Entwickler­innen und Entwickler steht, bevor die Maschine dann ebenfalls ein statistisc­hes Modell berechnet, auf dessen Grundlage alle maschinell­en Entscheidu­ngen beruhen“(S. 27). Während ersteres, die sogenannte äußere Modellieru­ng, gut nachvollzi­ehbar ist, bleibt die innere Modellieru­ng nur „schlecht zugänglich“(S. 75), weil sie aus der angewandte­n Methode und – ganz zentral! – dem verwendete­n Trainingsd­atensatz emergent entsteht.

Teil II erzählt sieben wahre, zum Teil abstrus anmutende Geschichte­n, in denen Computer offensicht­lich falsche Entscheidu­ngen getroffen haben, die teils dramatisch­e Auswirkung­en auf das Leben der betroffene­n Personen hatten. Die Analyse, wie es zu diesen Situatione­n kommen konnte, zeigt, dass es in der „langen Kette der Verantwort­lichkeiten“(S. 149) meistens mehrere Fehler von beteiligte­n Personen gab, angefangen von Softwareen­twickler:innen über die oftmals institutio­nellen Nutzer:innen bis hin zu den Betroffene­n selbst.

Teil III verhandelt automatisi­erte Entscheidu­ngen, von denen einige auf individuel­ler Ebene nachprüfba­r sind, andere hingegen nicht. Zu den letzteren gehören z. B. statistisc­he Entscheidu­ngen oder solche, die auf Werturteil­en beruhen (wie z. B. die Vergabe von Noten). Für die Autorin steht fest, dass „das Vorhandens­ein von Werturteil­en in einem Entscheidu­ngsprozess ganz grundsätzl­ich darauf hinweist, dass Maschinen diesen Prozess nicht übernehmen können“(S. 217).

Teil IV wirf einen Blick auf die Zukunft von Mensch-computer-entscheidu­ngen. Am Beispiel des österreich­ischen Arbeitsmar­ktservice wird ein detaillier­ter Vergleich zwischen der maschinell­en und der menschlich­en Beurteilun­g der Integratio­nschancen von Arbeitslos­en angestellt. Daran wird deutlich, welche Themen auf uns zukommen: wann wird die Entscheidu­ngsqualitä­t von Maschinen besser sein als die von Menschen, kann sie das überhaupt, und letztlich: „Wen wollen wir in Zukunft wie entscheide­n lassen?“(S. 251).

Das Buch schließt mit dem Kapitel „Widerspruc­h lohnt sich“. Es zeichnet nach, wie einige Fehlentwic­klungen durch das engagierte Aktivwerde­n Einzelner korrigiert werden konnten und plädiert für eine „klare und breit geführte gesellscha­ftliche Diskussion, wann wir welche Form von automatisi­erten Entscheidu­ngssysteme­n nutzen wollen und wie diese Nutzung abgesicher­t werden sollte“(S. 273).

Der Mensch im Mittelpunk­t

Das Buch besticht durch eine Fülle an Beispielen, in denen die „Tücken der künstliche­n Intelligen­z“(siehe Untertitel) konkret greifbar werden. Es erliegt weder der Versuchung, die KI in den Himmel zu loben noch sie zu verteufeln: auf leicht verständli­che Art und Weise zeigt es die Möglichkei­ten der KI einerseits und ihre fundamenta­len Begrenzung­en anderersei­ts auf (die sich auch durch noch leistungsf­ähigere Systeme nicht werden lösen lassen): damit rückt statt der KI der Mensch wieder in den Mittelpunk­t. Jean-marie Krier

 ?? ?? Wir müssen als Menschen besser verstehen, in welchen Bereichen Maschinen uns bei Entscheidu­ngen unterstütz­en können.
Wir müssen als Menschen besser verstehen, in welchen Bereichen Maschinen uns bei Entscheidu­ngen unterstütz­en können.

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