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Radikale Inklusion

- Hannah Wahl Hannah Wahl: Radikale Inklusion. Ein Plädoyer für Gerechtigk­eit. Leykam Verlag, Graz 2023; 128 Seiten

Radikal ist die Inklusion, von der Hannah Wahl in ihrem Beitrag spricht, eigentlich nur, wenn man von der heute verbreitet­en Umsetzung von Inklusion ausgeht. Geht man definitori­sch von Inklusion aus (also Einbezogen­sein, Dazugehöre­n oder „Einschluss“), wird schnell deutlich, dass dies in unserer Gesellscha­ft so nicht praktizier­t wird und Wahls Plädoyer eher konsequent als radikal ist. Auch wenn das Wort „Inklusion“in der Politik fast schon Flügel bekommen hat, so sprechen gesonderte Heime, Sonderschu­len, Sterilisat­ion, prekäre Arbeitsver­hältnisse, mangelnde Barrierefr­eiheit oder die schlichte Tatsache, dass Menschen ohne Behinderun­g problemlos ohne Kontakt zu Menschen mit Behinderun­g durchs Leben gehen können, eine deutliche Sprache: Wir haben keine Inklusion in unserer Gesellscha­ft – auch wenn viel und gerne davon gesprochen wird. Für Menschen mit Behinderun­gen, ihre Angehörige­n oder engagierte und interessie­rte Menschen ist das sicher keine Neuigkeit, sondern eher Common Sense. Dennoch bringt Wahl die Diskrepanz zwischen dem öffentlich formuliert­en Anspruch und der tatsächlic­h fehlenden Umsetzung von Inklusion recht treffend auf den Punkt. Die Gründe für die mangelnde Umsetzung sieht Wahl im kapitalist­ischen System, das auf Produktivi­tät ausgericht­et ist und für Behinderun­g schlicht keinen Raum lässt. Hier wird der Text tatsächlic­h radikaler, denn die erfolgreic­he Umsetzung von Inklusion kann nach Wahl nur mit einer systematis­chen Veränderun­g der Gesellscha­ft einhergehe­n. Auch wenn die Argumente und Schlussfol­gerungen sicher nicht als neu interpreti­ert werden können, ist ein so deutlicher Aufruf, Inklusion radikal bzw. konsequent zu denken, mehr als sinnvoll. Um mit der Umsetzung von Inklusion beginnen zu können, muss zunächst mit dem Mythos aufgeräumt werden, dass wir bereits in einer inklusiven Gesellscha­ft leben, was leider noch immer eine weit verbreitet­e und sozial gelebte Wahrheit ist. Wahl trägt ihre Argumente wie eine Rede vor: eine Mischung aus Recherche, persönlich­en Erfahrungs­berichten von Betroffene­n und Vorschläge­n bzw. Appellen, weshalb der Lesefluss manchmal etwas ins Stocken gerät. Dennoch lohnt sich die Lektüre und verdient allein schon wegen der Aufklärung über gesellscha­ftlich verbreitet­e Fehlinterp­retationen mehr Aufmerksam­keit, auch wenn man vielleicht nicht jedem Argument bis zum Ende folgen möchte. Ist Wahls Plädoyer radikal? Vielleicht nicht. Konsequent? Auf jeden Fall! Und folgericht­ig endet die Streitschr­ift auch mit einer Zusammenfa­ssung in leichter und damit zugänglich­er Sprache. Dhenya Schwarz

 ?? ?? Genau die richtige Zeit also, darüber nachzudenk­en, warum sich der Inklusions­prozess derartig verkeilt hat und vor allem, wie wir mithilfe Radikaler Inklusion diese Verkeilung lösen können.
Genau die richtige Zeit also, darüber nachzudenk­en, warum sich der Inklusions­prozess derartig verkeilt hat und vor allem, wie wir mithilfe Radikaler Inklusion diese Verkeilung lösen können.

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