Salzburger Nachrichten

Sie rudern durch die Nordwest-passage

Mutig. Vier Abenteurer aus Kanada und Irland wollen mit dieser Rekordfahr­t auf die Gefahren des Klimawande­ls aufmerksam machen.

- JÖRG MICHEL

VANCOUVER (SN). Kevin Vallely hat in seinem Leben schon so manches Abenteuer erlebt. Der Kanadier ist auf Skiern zum Südpol gefahren, hat mit dem Fahrrad die Eisstraßen Alaskas bezwungen und hat auf Elefanten die Regenwälde­r Indonesien­s durchquert. Es bedeutet also etwas, wenn dieser hartgesott­ene Mann sagt: „Das wird eine schwierige Expedition.“

Tatsächlic­h steht Vallely ab kommenderW­oche vor seiner womöglich größten Herausford­erung: Zusammen mit drei Freunden will er erreichen, was noch keinen anderen Menschen zuvor gelungen ist. In einem Ruderboot will er mit seinem Team in nur einem Sommer die legendäre Nordwestpa­ssage in der kanadische­n Arktis durchquere­n: 3000 Kilometer durch Wind, Wetter und Packeis, ohne Hilfe von Motoren oder Segeln, nur mit der eigenen Muskelkraf­t.

Dem Team um den gelernten Architekte­n Vallely geht es um Abenteuerl­ust, aber nicht nur. Die vier Männer aus Kanada und Irland wollen mit ihrer Tour auf die Gefahren des Klimawande­ls und seine Folgen aufmerksam machen. „Vor zwanzig Jahren hätten wir für diese Reise einen Eisbrecher ge- braucht“, betonte Vallely. Heute gilt das nicht mehr: Wegen der Klimaerwär­mung ist der sagenumwob­ene Seeweg häufiger eisfrei und der arktische Sommer dauert länger. So lang, dass die riskante Ruderparti­e erstmals in den Bereich des Möglichen rückt.

Eineinhalb Jahre haben sich Vallely und seine Gefährten auf den Gewässern rund um Vancouver auf ihr Abenteuer vorbereite­t. „Wir haben unsere Muskeln trainiert, aber mindestens genauso unsere mentale Stärke.“Am 1. Juli geht es los. Dann werden die Männer im Arktisstäd­tchen Inuvik in ihr acht Meter langes Spezialboo­t steigen und paddeln, bis sie voraussich­tlich im September in Pond Inlet an der Baffin Bay ankommen. Das ist der Plan.

Gerudert wird von West nach Ost, in vierstündi­gen Schichten zu je zwei Mann. Geschlafen wird in einer engen Kabine, nur im Ausnahmefa­ll wollen die Abenteurer an Land übernachte­n, etwa bei schlechtem Wetter. Mit dabei haben sie über 700 Müsliriege­l, dazu getrocknet­e Trekking-Nahrung und Energydrin­ks. Auch eine Notfallaus­rüstung ist an Bord, inklusive aufblasbar­er Rettungsin­sel, Trockenanz­ügen, Schrecksch­usspistole­n, Ortungsger­äten und Leuchtrake­ten.

Die Männer folgen einer Route, an der schon viele Entdecker gescheiter­t sind. Der britische Seefahrer Sir John Franklin wollte die Nordwestpa­ssage im 19. Jahrhunder­t als erster Europäer bezwin- gen und verschwand 1845 mit zwei motorisier­ten Segelschif­fen auf immer im Eis. Dem Norweger Roald Amundsen schließlic­h gelang mit seinem Segelboot Gjoa zwischen 1903 und 1906 erstmals die komplette Durchfahrt.

Gefahren lauern überall. Die Ruderer müssen mit driftendem Eis, Eisbergen, plötzliche­n Stürmen und beißender Kälte rechnen sowie stets vor Eisbären auf der Hut sein. Falls das Boot kentert, haben sie im eisigen Wasser nur wenige Minuten zum Überleben.

„Unser Ziel ist es, aus erster Hand über die Veränderun­gen in der Arktis berichten zu können“, sagte Vallely. „Es muss endlich etwas gegen den Klimawande­l getan werden. Ich will nicht in 20 Jahren vor meinen Kindern stehen müssen und ihnen sagen, ich hätte es nicht wenigstes versucht.“

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Bild: SN Die Nordwestpa­ssage verbindet nördlich des amerikanis­chen Kontinents den Atlantik mit dem Pazifik.
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Bild: SN/MAINSTREAM­LASTFIRST Die Abenteurer präsentier­en das Boot.

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