Das „Downsizing“erreicht die Formel 1
Turbopower. Das neue Motorenreglement der FIA betont Effizienz neben Leistung und rückt die Königsklasse näher an die Serienautos.
Turbo und Formel 1? Richtig, das hatten wir schon, von 1977 bis 1988. Und wenn im Fernsehbild aus einemWagenheck plötzlich eine Rauchwolke qualmte, war der Aufschrei „Uii, Turboschaden!“aus dem Munde des ORF-„Prüllers“der Nation die sichere Folge.
Turbopower mit bis zu 1200 PS in der Qualifikation, das war einmal – und diente der Leistungssteigerung. Ab 2014 bedeutet das neue Motorenreglement des Internat. Automobilverbands (FIA), dass die Rückkehr von Turbotechnologie im Sinne der Zeit erfolgt: „Downsizing“(kleinere, nicht weniger leistungsstarke, aber dafür verbrauchsgünstigere Triebwerke) hält nun auch in der obersten Motorsportklasse Einzug.
Als erster der drei Motorenhersteller für 2014 (ab 2015 sind es mit Honda dann vier) präsentierte Renault in Paris sein kompaktes Kraftpaket. Den bisherigen 2,4Liter-V8-Sauger (rund 750 PS) löst ein 1,6-Liter-Turbo-Direkteinspritzer (V6) mit 600 PS Leistung ab, der durch Energierückgewinnung 160 zusätzliche PS bekommt.
Die Gesamtleistung der neuen Motorengeneration wird ein we-
„Die Synergien zwischen Formel 1 und Serie nehmen deutlich zu.“ nig höher sein als die der bisherigen Triebwerke, doch sie werden um 35 bis 40 Prozent weniger Kraftstoff verbrauchen (müssen): Konnten Formel-1-Renner bisher mit 160 Kilogramm Benzin an Bord starten, werden es ab 2014 nur noch 100 Kilogramm sein – für die gleichen Renndistanzen und natürlich ohne Nachtanken.
„Einer der Gründe, warum Renault in der Formel 1 antritt, ist der Technologieaustausch zwischen Rennsport und Serienproduktion“, bestätigt der Vorstandschef der Renault-Nissan-Allianz, Carlos Ghosn, „und der wird ab 2014 noch relevanter.“Da der zweite Grund die Bekanntmachung der Marke in möglichst vielen Märkten ist, werde über das Mittel Formel 1 auch das Leistungspotenzial der Renault-Triebwerke transportiert, ergänzte der Brasilianer. „Mit der neuenMotorenformel kommen wir der Serie immer näher.“
Und weil Renault seine besonders effizienten Serienmotoren seit einiger Zeit mit dem Attribut „Energy“versieht, heißt auch das neue F1-Kraftpaket „Energy F1 2014“. Auch wenn der Technologiestandard nicht mehr vergleichbar ist: Für den Turbo-Pionier der Formel 1 (Renault startete im Frankreich-GP 1977 erstmals mit dieser Motorentechnik) ist die neue Ära ab 2014 ein Art Rückkehr zu den Wurzeln. „Mit dem neuen Turbomotor an frühere Erfolge anzuschließen, das ist ein Extra-Motivationsschub für unsere Ingenieure“, meint Renaults Sportchef Jean-Michel Jalinier.
Wie lang braucht es bis zu einem einsatzbereiten neuen Mo- tor? Chefentwickler Rob White, britisches Urgestein der Franzosen, erklärt: „Als die Regeln bestätigt waren, begannen wir Mitte 2011 mit der Konzeption. Ein erster Versuchsträger lief Mitte 2012 auf dem Prüfstand. Im Herbst 2012 wurde die Arbeit am nun vorzeigbaren Motor begonnen. Es handelt sich also um eine Reihe von Projekten. Und wenn in neun Monaten das erste Rennen mit den Turbos stattfindet, wird unser Motor wieder etwas weiter sein als der jetzige.“
Erster Entwicklungspartner ist natürlich Red Bull Racing (das österreichische Team gewann mit Renault-Power bisher 36 Rennen und sechs WM-Titel). „Der Verbrennungsmotor bleibt zwar das Herz des Antriebs, aber die Energierückgewinnung wird immer bedeutender“, sagt White.
Ihm stehen in Viry-Châtillon 300 Mitarbeiter für die Formel-1Motoren zur Seite, davon arbeiten 200 nur noch für den neuen Turbo. Ende der Saison werden auch die restlichen 100 zum neuen Projekt stoßen. „Die neue Formel ist eine große Herausforderung. Schließlich darf jeder Fahrer 2014 nur noch fünf Triebwerke in der gesamten Saison benutzen. Das heißt, neben Leistung und Effizienz wird auch die Zuverlässigkeit bedeutender.“Und White verweist auf anno dazumal: „Bei den Saugern hatten wir vor nicht allzu langer Zeit praktisch einen Motor für zwei Rennen pro Fahrer.“
Ein Test in einem neuen F1-Turbo würde auch einen Star der früheren Turboära faszinieren. „Ja, das wäre ein interessanter Vergleich“, meint der vierfache Weltmeister Alain Prost, der seinen vierten Titel mit Renault-Power im Williams 1993 gewann, damals allerdings mit einem V10-Sauger. Obwohl die Einführung der neuen Motorenformel für die Hersteller gewaltige Entwicklungskosten bringt (die nur teilweise durch die Leasingraten der Kundenteams eingespielt werden), sieht Prost Vorteile: „Mit Elektrifizierung und Verbrauchsoptimierung ist der Bezug zur Serie gegeben.“
Kundenteams löhnen. „Statt elf Millionen diese Saison müssen wir 18 bis 22 für die erste Turbosaison budgetieren“, gibt ToroRosso-Boss Franz Tost zu.