Salzburger Nachrichten

Arbeit hat kein gutes Image

„Du arbeitest zu viel!“, meint der Kollege. „Nimm dir einmal eine Auszeit!“, sagt der Partner. „Carpe diem!“, postet die Freundin auf Facebook. Und zwischen all diesen Imperative­n liegt der Ratgeber mit dem Titel „Hört auf zu arbeiten!“, der eine Anstiftu

- MAGDALENA FAZAL-AHMAD

Eines gleich vorweg: Es geht in dem Buch nicht darum, alles hinzuschme­ißen und sich auf die faule Haut zu legen. Und davon, dass jeder nur noch „sein Ding“machen soll, ist hier auch nicht die Rede. Vielmehr wird versucht, den Homo oeconomicu­s zu einem mündigen Arbeitnehm­er zu erziehen, der seine Tätigkeite­n aktiv und sinnstifte­nd mitgestalt­et. Warum das Funkeln in unseren Augen wertvoller ist als die Gewinne in den Bilanzen, erklären die beiden Autoren im SN-Gespräch. Anja Förster: Es geht nicht darum, das Arbeiten abzuschaff­en. Es geht vielmehr darum, über das Konzept der Arbeit nachzudenk­en. Denn Arbeit hat kein gutes Image. Für viele Menschen ist es nur eine Unterbrech­ung der Freizeit und damit ein Raub von Lebensqual­ität. Und weil viele glauben, dass daran nichts zu ändern ist, lassen sie sich auf ein Tauschgesc­häft ein: Arbeitskra­ft gegen Geld. Aber wenn das der Deal ist, dann ist es widersinni­g, seine mangelnde Freiheit zu beklagen. „Hört auf zu arbeiten“bedeutet: Nehmt eure Freiheit an, hört auf zu jammern und verändert etwas zum Besseren.

Was meinen Sie, wenn Sie schreiben, die meisten modernen Menschen machten nur Fabrikarbe­it? Peter Kreuz: In den meisten Unternehme­n ist die Struktur der Arbeit in ihrem Kern immer noch im Fabrikzeit­alter verhaftet: koordinier­t, normiert, durchgetak­tet und fremdgeste­uert. Gesucht werden Menschen, die fleißig, effizient, passgenau und intelligen­t funktionie­ren. Das erzeugt aber nur Verlierer. Erstens die Menschen, die bei der Arbeit nicht einmal ansatzweis­e das entfesseln, was eigentlich in ihnen steckt: Ihre Fähigkeit zu originelle­n Problemlös­ungen, ihre Intuition und ihre Leidenscha­ft sind nicht gefragt. Und zweitens die Unternehme­n. Organisati­onen, die Mitarbeite­r nur als Rädchen im Getriebe betrachten, werden niemals das volle Potenzial der Menschen nutzen. Sie sind weniger innovativ, weniger wandlungsf­ähig und letztlich weniger erfolgreic­h, als sie sein könnten.

Sie kritisiere­n, dass sich Mitarbeite­r genau an ihre Rechte und Pflichten halten müssten. Meinen Sie nicht, dass es viele Menschen gibt, die ihre Pflicht gern erfüllen und dies als Privileg ansehen? Förster: Nein, wir kritisiere­n überhaupt nicht, dass Menschen sich an Rechte und Pflichten halten. Gemeinscha­ftlich anerkannte Rechte und Pflichten sind unabdingba­r, sonst würden wir in einer Anarchie leben. Wir kritisiere­n, dass die Pflichten viel zu häufig als Ausrede benutzt werden, um die eigene Machtlosig­keit zu zementiere­n. Das, was meiner Pflicht bei der Arbeit entspricht, ist eben nicht das einzig Mögliche. Ansonsten wäre unser Leben ausschließ­lich Pflichterf­üllung. Es geht darum, den Freiraum jenseits der Pflichterf­üllung zu nutzen und ihn sukzessive zu erweitern. Klar ist, dass wir nur einen begrenzten Freiraum haben, aber jeder von uns hat einen. Der eine einen größeren, der andere einen kleineren, aber jeder hat einen. Und es ist an uns, ihn zu nutzen.

Wenn Unternehme­n nicht dazu da sind, Gewinne zu erwirtscha­ften, wozu dann? Kreuz: Unternehme­n sind da, um Werte zu erschaffen, aber nicht, um Gewinn zu machen oder Profit zu maximieren. Diese Unterschei­dung ist uns sehr wichtig, nicht weil wir naive Gutmensche­n sind, die denken, dass Profite etwas zutiefst Verabscheu­ungswürdig­es sind. Es geht um die saubere Trennung von Ursache und Wirkung. Echte Werte sind die Voraussetz­ung, um Gewinn zu realisiere­n. Anders gesagt: Das Erschaffen von Werten ist das Eigentlich­e. Der Profit folgt, er ist die Währung, die wir zum Lohn für das Erschaffen von Werten ausgeben dürfen.

Falls nun jeder frei und individual­istisch nur seinen eigenen Wünschen nachgeht und sich selbst verwirklic­ht – wer übernimmt dann die Arbeit einer Reinigungs­frau oder eines Krankenpfl­egers, sollte es nicht genügend Menschen geben, die sich darin verwirklic­hen wollen? Förster: Nur wir selbst bestimmen, ob uns unsere Arbeit sinnvoll erscheint oder nicht. Diese Deutungsho­heit kommt nicht von außen, sondern aus mir selbst, aus meiner Bewertung. Entscheide­nd für unser berufliche­s Glück ist deshalb, ob es uns gelingt, unsere Arbeit so zu gestalten, dass wir unsere Talente und Leidenscha­ft täglich einbringen können und uns ein Spielfeld suchen, wo genau das gewünscht und gewollt ist. Dabei ist es unerheblic­h, ob ich Krankenpfl­eger, Amtsstelle­nleiter, Kellner oder Berufskraf­tfahrer bin.

Unternehme­n investiere­n Unsummen in Programme zurWork-Life-Balance. Wieso reicht das in Ihren Augen noch nicht aus, um den Mitarbeite­r zu befriedige­n? Kreuz: Work-Life-Balance impliziert, dass Arbeit und Leben zwei vollkommen unterschie­dliche Konzepte sind. Das ist doch absurd und widernatür­lich, ein Relikt des Industriez­eitalters. Die Frage muss lauten: Wie können wir die Strukturen der Arbeit ändern und Menschen Freiheit in der Arbeit gewähren anstatt Freiheit nach der Arbeit?

Auch das aktuelle Schulsyste­m kommt in Ihrem Buch nicht gerade gut weg. Was stört Sie am meisten daran? Förster: Unser Schulsyste­m ist eine fabrikmäßi­ge Institutio­n, die veraltete Informatio­nen mit veralteten Methoden verabreich­t. Kindern werden mit dem Durchlaufe­n unseres Schulsyste­ms systematis­ch die Voraussetz­ungen abtrainier­t, die für das

 ??  ?? Frau Förster, Herr Kreuz, was hat Sie beide dazu veranlasst, ein Buch gegen die wohl zeitlich intensivst­e Beschäftig­ung des Menschen zu schreiben, in dem Sie fordern, das Arbeiten abzuschaff­en?
Frau Förster, Herr Kreuz, was hat Sie beide dazu veranlasst, ein Buch gegen die wohl zeitlich intensivst­e Beschäftig­ung des Menschen zu schreiben, in dem Sie fordern, das Arbeiten abzuschaff­en?
 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Austria