Salzburger Nachrichten

Die Abenddämme­rung der Großen Koalition

Bei der ÖVP sieht man es, bei der SPÖ kann man es sich ausrechnen – Die Regierung befindet sich in einer existenzie­llen Krise.

- ALEXANDER PURGER

Als Betrachter der Hypo-Vorgänge wird man den Verdacht nicht los, dass hier das größtmögli­che Problem auf die kleinstmög­liche Problemlös­ungskompet­enz trifft.

Finanzmini­ster Michael Spindelegg­er ist, wenn seine Körperspra­che nicht trügt, in Gedanken bereits in seinem nächsten Job in der EU-Kommission. Wie man der ÖVP ja überhaupt dankbar dafür sein muss, dass sie ihre in regelmäßig­en Abständen zur Obmanndeba­tte gesteigert­en Befindlich­keitsstöru­ngen immer vor aller Öffentlich­keit ausbreitet.

In der SPÖ ist das anders. In diese Partei kann man nicht hineinscha­uen, son- dern ist bei der Beurteilun­g ihres Innenleben­s auf Indizien angewiesen. Dazu vier aktuelle Beispiele.

Bundeskanz­lerWerner Faymann nimmt zum Thema Hypo nach Tunlichkei­t überhaupt nicht Stellung oder – wenn es sich gar nicht vermeiden lässt – möglichst nichtssage­nd. Der SPÖ-Vorsitzend­e vermittelt den Eindruck, als gehe ihn das alles nichts an. Wenn man abends an seinem Amtssitz vorbeigeht, kommt es nicht selten vor, dass um 17 Uhr schon alle Lichter aus sind. Frühschlus­s.

Eugen Freund, Spitzenkan­didat der SPÖ für die Europawahl, nimmt sich ein Beispiel an seinem Schweigeka­nzler und sagt nach seiner krassen Fehlschätz­ung der Arbeiterei­nkommen in Österreich sicherheit­shalber nichts mehr.

Laura Rudas, als SPÖ-Bildungssp­recherin aufrechte Kämpferin gegen Elitenbild­ung und Studiengeb­ühren, hängt ihre politische Karriere an den Nagel, um sich an der kostspieli­gen US-Privatuni Stan- ford weiterzubi­lden. Wenn es da nur ja zu keiner sozialen Selektion kommt . . .

Und die Granden in ÖGB und Arbeiterka­mmer? Unter einem ÖVP-Kanzler drohten sie mit einer „brennenden Republik“. Unter einem SPÖ-Kanzler fällt ihnen zur Rekordarbe­itslosigke­it und zur Erhöhung der Tabak- und Autosteuer­n, die den „kleinen Mann“am härtesten treffen wird, gar nichts ein.

Diese Indizien zeigen: Nicht nur die ÖVP, auch die SPÖ befindet sich in einer existenzie­llen Krise. Aussitzen, Kopf einziehen, die eigenen Schäfchen ins Trockene bringen, mit Schweigen die Inhaltslee­re kaschieren, Machterhal­t um jeden Preis. Das ist in beiden Regierungs­parteien die Handlungsm­axime.

Die sich amWahlaben­d abzeichnen­de Abenddämme­rung der einst Großen Koalition ist schneller hereingebr­ochen als gedacht. Was kommt danach?

E-Mail: alexander.purger@salzburg.com

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