ERDOGAN:
Abhöraktion bringt ihn in Nöte.
Spott über den türkischen Premierminister kursiert im Internet reichlich. Spaß versteht Recep Tayyip Erdogan allerdings weniger denn je.
Schon bisher hat er missliebige Journalisten und Autoren unter fadenscheinigen Vorwänden vor Gericht zerren und ins Gefängnis werfen lassen. Aber seit gegen seine Regierung heftige Korruptionsvorwürfe erhoben werden, macht Erdogan größte Anstrengungen, um möglichst alle Kritiker zu knebeln. Mit ihrer Mehrheit im Parlament hat Erdogans Partei AKP des- halb in kurzer Frist eine ganze Reihe umstrittener Gesetzesänderungen auf denWeg gebracht:
Zuerst hat die Regierung in Ankara ihre Kontrolle über die Justiz deutlich verstärkt. So sollen die enthüllenden Ermittlungen der Behörden wegen Bestechung und Bestechlichkeit gebremst werden. Das ist eine glatte Missachtung des demokratischen Prinzips der Gewaltenteilung.
Dann hat die Regierung ihre Kontrolle des Internets stark ausgeweitet, damit in den neuen sozialen Medien nicht weiter böse Gerüchte über die Herrschenden gestreut werden können. Das kommt einer Zensur gleich und bedeutet einen Anschlag auf die Meinungsfreiheit.
Schließlich hat die Regierung die Befugnisse der Geheimdienste in erheblichen Maße ausgedehnt. Mehr Macht für die Spione des Staates führt dazu, dass kritische Medien ein weiteres Mal drangsaliert werden können. Pressefreiheit ist im Erdogan-Staat folglich nur noch ein Fetzen Papier.
Solche Gesetzesbeschlüsse sind Bausteine für die Errichtung eines autoritären Systems. Sie sind das genaue Gegenteil von einer demokratischen Ordnung.
Erdogan ist vor einem Jahrzehnt mit dem Ziel angetreten, sein Land durch politische und wirtschaftliche Reformen beitrittsreif für die Europäische Union zu machen. Heute torpediert der Ministerpräsident selbst seine bisherigen Erfolge. Er entfernt sich durch sein Handeln immer mehr von denWerten Europas. Die EU muss jetzt laut protestieren.